Politik

Baldige Waffenruhe in Sicht Syrien setzt auf Friedensverhandlungen

Bei den Kämpfen in Damaskus.

Bei den Kämpfen in Damaskus.

(Foto: REUTERS)

Die syrische Regierung sieht den Bürgerkrieg in einer Sackgasse. Sie setzt auf das Zustandekommen einer internationalen Friedenskonferenz und würde in diesem Fall eine Waffenruhe fordern. Zudem hat das Land wohl keine Interesse mehr an Chemiewaffen und will diese von den USA verschrotten lassen - aber auf ihre Kosten.

Die syrische Regierung kann sich eine Waffenruhe und den "Start eines friedlichen politischen Prozesses" in ihrem Land vorstellen. Das sagte der stellvertretende syrische Regierungschef Kadri Dschamil in einem Interview mit der britischen Zeitung "Guardian". Voraussetzung sei allerdings das Zustandekommen einer internationalen Friedenskonferenz.

Auf die Frage, was seine Regierung beim Zustandekommen einer Genf-II-Konferenz vorschlagen würde, sagte Dschamil: "Ein Ende ausländischer Einmischung, eine Waffenruhe und den Start eines friedlichen politischen Prozesses." Weder die bewaffnete Opposition noch die Regierung sei in der Lage, die andere Seite zu besiegen, sagte der für Wirtschaftsfragen zuständige stellvertretende Regierungschef der Zeitung.

Eine zweite internationale Friedenskonferenz wird seit Monaten vorbereitet, ohne dass bislang ein Datum gefunden wurde. Der russische Vorschlag, die syrischen Chemiewaffen unter internationale Kontrolle zu bringen und zu vernichten, hat allerdings wieder Bewegung in die diplomatischen Bemühungen um eine politische Lösung des Konflikts gebracht.

Assad kalkuliert schon die Kosten

Assad nennt Giftgas-Attacken ein "Verbrechen", mit dem er nichts zu tun habe.

Assad nennt Giftgas-Attacken ein "Verbrechen", mit dem er nichts zu tun habe.

(Foto: dpa)

Zuvor hatte Syriens Präsident Baschar al-Assad angekündigt, die USA für die Vernichtung seiner Chemiewaffen zur Kasse bitten zu wollen. Giftgas-Attacken in dem Bürgerkriegsland nannte er im US-Fernsehen ein "Verbrechen" - begangen hätten es aber andere. Nach Assads Angaben wird die Vernichtung der Chemiewaffen etwa ein Jahr dauern und ungefähr eine Milliarde Dollar (740 Millionen Euro) kosten. "Es ist eine sehr komplizierte Operation", sagte er in einem Interview des TV-Senders Fox News. Er sei damit einverstanden, dass die Washingtoner Regierung die Waffen zur Vernichtung in die USA bringe, wenn sie bereit sei, "das Geld zu bezahlen".

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen wies Assads Kalkulation zurück. Russland und die USA hätten sich auf "einen ziemlich ehrgeizigen Zeitplan" geeinigt. Daran sollte festgehalten werden, sagte der Däne in Brüssel. Zur "Aufrechterhaltung des Momentums des diplomatischen und politischen Prozesses" müsse zudem eine militärische Option auf dem Tisch bleiben.

Das Assad-Regime muss nach einer Vereinbarung der USA mit Russland sein Chemiewaffenarsenal bis Samstag offenlegen. Bis Mitte 2014 sollen die Chemiewaffen aus dem Land gebracht und zerstört werden. Experten bezweifeln, dass der Plan mitten im Bürgerkrieg umgesetzt werden kann.

Lob für Assad kommt aus Russland

Russlands Präsident Wladimir Putin lobte derweil das Regime in Damaskus für dessen bisherige Zusammenarbeit bei der Waffen-Vernichtung. Erste Schritte seien bereits unternommen worden. "Ich kann nicht 100-prozentig sicher sagen, dass sie letztlich alles zu einem guten Ende bringen, aber was wir in den vergangenen Tagen gesehen haben, stimmt uns zuversichtlich", sagte der Kremlchef. Die Regierung in Moskau bot zugleich an, sich mit Spezialisten an der Zerstörung des Giftgas-Arsenals in dem Land zu beteiligen. Russland ist einer der letzten Partner Syriens.

Wie Assad bestritt auch Putin erneut, dass das syrische Regime für den Chemiewaffenangriff auf die eigene Bevölkerung am 21. August verantwortlich sei. US-Senator John McCain warf dem Kremlchef vor, mit seinem Festhalten an Assad den Ruf Russlands zu zerstören.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte für die Vernichtung der Waffen zwei Millionen Euro zu. Das Geld geht an die Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OVCW) in Den Haag, die für die Erfassung der Kampfstoffe, ihre Sicherung und die spätere Beseitigung zuständig ist.

Linke fordert die parlamentarische Aufarbeitung

In Deutschland wird derweil weiter darüber diskutiert, dass auch deutsche Unternehmen zwischen 2002 und 2006 mehr als hundert Tonnen Chemikalien an Syrien geliefert haben, die zur Herstellung von Giftgas verwendet werden können. Linke-Spitzenkandidat Gregor Gysi warf der Regierung vor, die Chemielieferungen an das Assad-Regime im Wissen genehmigt zu haben, dass daraus auch Giftgas hergestellt werden kann. "Ich halte es für unverantwortlich, einem Diktator die wichtigsten Teile für Chemiewaffen zu liefern in der Annahme, es wird daraus Zahnpasta hergestellt", sagte Gysi in der n-tv Sendung "Bei Brender!".

Gysi kritisierte, dass Deutschland Chemikalien an Syrien geliefert habe in dem Wissen, "dass Syrien nicht der Chemiewaffenkonvention beigetreten ist und dass die Syrer ein riesiges Programm zum Aufbau von Chemiewaffen haben. Wir haben die wesentlichen Bestandteile geliefert, die man für die Herstellung des Nervengases Sarin benötigt." Gysi fordert die parlamentarische Aufarbeitung des Chemieskandals - ein Untersuchungsausschuss sei vorstellbar, die Linke treffe bereits Vorbereitungen.

Der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz verlangte ebenfalls Aufklärung: "Da wird sicherlich noch Genaueres vom Wirtschaftsministerium zu erfragen sein", sagte er dem rbb-inforadio. Der Verdacht, die Stoffe seien zur Giftgas-Herstellung genutzt worden, müsse ausgeräumt werden.

Quelle: ntv.de, dpa

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