Politik

Militärschlag steht bevor Briten stimmen am Donnerstag ab

Blick auf Damaskus aus dem All.

Blick auf Damaskus aus dem All.

(Foto: dpa)

Nach dem Einsatz von Chemiewaffen in Syrien planen die USA und Großbritannien eine "begrenzte Militäroperation" in dem Land. Diese soll wohl nicht länger als zwei Tage dauern, ein Sturz des Machthabers sei nicht das Ziel, heißt es. Wann der Angriff erfolgt, ist unklar.

Im Syrien-Konflikt steht ein Militärschlag wohl unmittelbar bevor. Die USA beantragten bereits die Nutzung von zwei Stützpunkten in Südgriechenland und auf Kreta. Dort wurde schon eine erhöhte Aktivität von Mi litärflügen durch den griechischen Luftraum in Richtung Ostmittelmeer registriert. Auch die britischen Streitkräfte bereiten Notfallpläne für einen Militäreinsatz als "Antwort auf den Chemiewaffeneinsatz" in Syrien vor. Das Parlament stimmt am Donnerstag über einen möglichen Einsatz ab. Zudem sagten die USA eine für diesen Mittwoch geplante Syrienkonferenz mit Russland kurzfristig ab.

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Einen Zeitungsbericht zufolge erwägen die USA einen bis zu zwei Tage dauernden Beschuss Syriens. US-Präsident Barack Obama prüfe eine Intervention von begrenztem Umfang und begrenzter Dauer, berichtete die "Washington Post" unter Berufung auf hochrangige Regierungsvertreter. Ausgeführt werden sollte er mit von Kriegsschiffen abgefeuerten Marschflugkörpern oder Langstreckenbombern. Richten sollte sich die Attacke gegen militärische Ziele, die nicht direkt zum Chemiewaffen-Programm des Landes gehörten.

Das Foto der US Marine zeigt den Lenkwaffen-Zerstörer USS Mahan (DDG 72) in der Souda Bucht vor Kreta in Griechenland.

Das Foto der US Marine zeigt den Lenkwaffen-Zerstörer USS Mahan (DDG 72) in der Souda Bucht vor Kreta in Griechenland.

(Foto: dpa)

Der Zeitpunkt des Militärschlags hängt demnach von drei Faktoren ab: der Vervollständigung von Geheimdienstinformationen über die Verwicklung der syrischen Führung in den angeblichen Giftgasangriff vo n vergangener Woche, den Beratungen mit Verbündeten sowie dem Kongress und der Prüfung der internationalen Rechtslage. Experten gehen davon aus, dass ein militärisches Eingreifen wohl erst nach der Ausreise der UN-Chemiewaffeninspekteure aus dem Land erfolgen würde.

"Wir werden uns verteidigen mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen", kündigte Syriens Außenminister Walid al-Muallim an. Die Syrer wurden von Russland hochgerüstet und verfügen auch über Abfangraketen.

Verdächtige Militärtransporte um Damaskus

In Syrien selbst laufen offenbar ebenfalls Vorbereitungen für einen bevorstehenden Militärschlag. Revolutionäre berichteten am Morgen von verdächtigen Militärtransporten auf einer Anhöhe am Stadtrand von Damaskus. Dort seien in der Nacht alle Lichter rund um den Armeestützpunkt auf dem Kassiun-Berg ausgeschaltet worden, während gleichzeitig mehrere Konvois hinein- und hinausgefahren seien, meldete der sogenannte Revolutionsrat von Damaskus. Der Stützpunkt soll angeblich zuletzt für Raketenangriffe auf Rebellenhochburgen im Umland von Damaskus genutzt worden sein. 

Kerry von Giftgas-Einsatz überzeugt

Jay Carney erklärt die Haltung der USA in dem Konflikt.

Jay Carney erklärt die Haltung der USA in dem Konflikt.

(Foto: AP)

US-Außenminister John Kerry hatte zuvor erklärt, die USA seien von einem Giftgaseinsatz in Syrien überzeugt. Damit ist die von der Regierung gezogene "rote Linie" überschritten. Deren Sprecher Jay Carney machte klar, dass es für Washington kaum noch Zweifel gebe, dass Damaskus hinter dem Angriff am 21. August in einem Vorort von Damaskus mit Hunderten Toten steckt. "Wir meinen, dass es sehr wenig Zweifel gibt, dass Syrien verantwortlich ist", sagte Carney in Washington. Allein das Regime von Baschar al-Assad verfüge über Raketen, um Chemiewaffen abzuschießen.

Carney wollte jedoch nicht sagen, wann und auf welche Weise die USA und die internationale Gemeinschaft auf den Giftgaseinsatz reagieren wollten. "Wir überlegen uns unsere Optionen und der Präsident wird eine Entscheidung treffen."

Kerrys Ausführungen waren die bislang schärfsten verbalen Angriffe auf das Assad-Regime. Es sei jetzt völlig klar, dass Chemiewaffen eingesetzt worden seien. Dies sei eine "moralische Obszönität", sagte Kerry. "Was wir in der vergangenen Woche in Syrien gesehen haben, schockiert das Bewusstsein der Welt."

Briten stimmen am Donnerstag ab

Die UN-Inspekteure sammeln Beweise.

Die UN-Inspekteure sammeln Beweise.

(Foto: AP)

Die UN-Vetomacht Russland, ein enger Verbündeter Syriens, warnte die USA vor einer militärischen Einmischung. Moskau bezweifelt weiter, dass das syrische Regime Giftgas eingesetzt hat. Das sagte Russlands Präsident Wladimir Putin in einem Gespräch mit dem britischen Premierminister David Cameron nach Angaben der Downing Street in London.

Cameron setzte eine Sondersitzung des Parlaments an. Das Unterhaus werde am Donnerstag über die Antwort Großbritanniens auf den Chemiewaffeneinsatz abstimmen, erklärte Cameron. Ein Sprecher Camerons hatte zuvor gesagt, die britischen Streitkräfte arbeiteten an Plänen für einen möglichen Militäreinsatz gegen Syrien.

Offenbar mit Blick auf Damaskus meinte Kerry: "Trotz der Entschuldigungen und Zweideutigkeiten, die einige fabrizieren, ist das unleugbar." Er warf dem Assad-Regime vor, UN-Inspekteuren fünf Tage lang Zugang zu dem Gelände des Giftgaseinsatzes verweigert zu haben. Zudem habe das Regime durch den weiteren Beschuss des Gebiets Beweise vernichtet.

Unterdessen haben die USA die Nutzung von zwei Stützpunkten in Südgriechenland und auf Kreta beantragt. Das berichten regierungsnahe Medien unter Berufung auf das Verteidigungs- und Außenministerium. Es gehe um den Stützpunkt von Souda auf Westkreta und den Flughafen von Kalamata auf der Halbinsel Peloponnes, hieß es. Es sei bereits eine erhöhte Aktivität von Militärflügen durch den griechischen Luftraum in Richtung Ostmittelmeer registriert worden.

USA sagen Syrien-Konferenz ab

Die für diesen Mittwoch geplanten bilateralen Gespräche mit Russland über eine neue Friedenskonferenz für Syrien haben die USA kurzfristig. Moskau reagierte enttäuscht auf die Absage des Treffens der UN-Vetomä chte in Den Haag. Gerade jetzt, da dem Land ein Militärschlag drohe, sei eine solche Konferenz wichtig gewesen, teilte Vizeaußenminister Gennadi Gatilow in Moskau mit. Russland als enger Partner des Regimes in Damaskus und die USA als Unterstützer der Rebellen streiten seit Monaten über Teilnehmer und Format des geplanten internationalen Syrientreffens in Genf.

Inspekteure sitzen in Damaskus fest

Die UN-Chemiewaffenexperten konnten ihre Untersuchungen wegen der schlechten Sicherheitslage nicht wie geplant fortsetzen. Um die Bereitschaft und die Sicherheitsbedingungen des Teams zu verbessern, werde die Arbeit erst am Mittwoch wieder aufgenommen, teilten die UN in New York mit. Bereits am Montag habe das Team "wertvolle Daten" zu den Giftgas-Vorwürfen gesammelt. Das UN-Team war zu Beginn ihres Einsatzes am Montag unter Beschuss von Heckenschützen geraten. Ihr Konvoi wurde beschossen, als die Fahrzeuge die imaginäre Frontlinie passierten. Rebellen berichteten, regierungstreue Milizen hätten vom Messe-Militärflughafen aus das Feuer auf das UN-Team eröffnet.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte erneut alle Beteiligten auf, den Inspekteuren Zugang und sichere Arbeitsbedingungen zu ermöglichen.

Deutschland will sich raushalten 

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Soll sich Deutschland aus dem Syrien-Konflikt heraushalten?

Der Nahostexperte Michael Lüders befürchtet eine neue Eskalationsstufe im Stellvertreterkrieg zwischen Russland und den USA in Syrien. "Natürlich ist es für die Amerikaner militärisch gesehen ein Leichtes, die Infrastruktur Syriens in Schutt und Asche zu legen. Aber die Frage ist ja: Was kommt danach?", so Lüders im Gespräch mit n-tv. Sowohl Russland wie auch der Iran würden einen solchen Angriff auf den engen Verbündeten Syrien nicht hinnehmen. Wie diese Reaktion aussehen könne, wisse derzeit noch niemand. "Der Eskalation würden dann Tür und Tor geöffnet - und das ist eine sehr beunruhigende Perspektive, wenn in diesem Pulverfass Nahost jetzt auch noch zusätzliche Spannung von außen hereingetragen wird."

Lüders spricht auch von einer schwierigen Bewährungsprobe für die Bundesregierung in Wahlkampfzeiten. "Wenn es hart auf hart kommt, wird sich die Regierung auf die Seite derer stellen, die hier gegen Syrien militärisch vorgehen." Von den Alliierten und deren Verbündeten werde zumindest moralische, finanzielle und logistische Unterstützung aus Deutschland erwartet.

Offiziell gibt sich die Bundesregierung vorsichtig. Nach der SPD schloss auch die Union eine deutsche Beteiligung an einem militärischen Vorgehen gegen das syrische Regime aus politischen und aus militärischen Gründen aus. Der außenpolitische Sprecher von CDU und CSU im Bundestag, Philipp Mißfelder, sagte der "Leipziger Volkszeitung": "Die Bundeswehr hat durch ihre derzeitigen internationalen Einsätze bereits die Grenze der Belastbarkeit erreicht". Am Vortag hatte bereits SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ein klares Nein zu einer möglichen deutschen Beteiligung in dem Konflikt erkennen lassen.

Wenn die Verwendung "von chemischen Massenvernichtungswaffen" bestätigt werde, "dann wird Deutschland zu denjenigen gehören, die Konsequenzen für richtig halten", hatte Bundesaußenminister Guido Westerwelle am Montag gesagt. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, es gebe "für die behauptete Unschuld des Assad-Regimes (...) derzeit keine Anhaltspunkte". Eine "schwere Verletzung der internationalen Chemiewaffenkonvention" dürfe "nicht folgenlos bleiben".

Die Grünen verlangen ebenso wie die Bundesregierung "Konsequenzen" der internationalen Gemeinschaft, falls der Einsatz von Chemiewaffen in Syrien bewiesen wird. "Die Welt kann nicht tatenlos zusehen, wenn auf abscheuliche Art und Weise Menschenrechte massiv verletzt werden", sagte Parteichef Cem Özdemir. Zunächst müssten die UN aber die Hintergründe aufklären. Dazu gehöre auch die Frage, wer das Giftgas hergestellt habe.

Der außenpolitische Sprecher und stellvertretende Parteichef der Linken, Jan van Aken, kritisierte die Pläne der Amerikaner und Briten. Im Gespräch mit n-tv sagte van Aken: "Das Dilemma ist ganz deutlich zu erkennen: In Syrien kämpft gerade ein Diktator gegen Rebellen, dessen größte Fraktion ein Al-Kaida-Ableger ist." Da gebe es auch für die Amerikaner keine Guten und keine Bösen. Der angekündigte Militärschlag sei deshalb "nur eine hilflose Bestrafungsaktion. Und das mit Raketen zu tun, finde ich völlig falsch."

Derweil sind auch die Ölpreise nach den Berichten über einen bevorstehenden Militärschlag gestiegen. Ein Barrel der Nordseesorte Brent zur Lieferung im Oktober kostete am Morgen 111,07 US-Dollar. Das waren 34 Cent mehr als am Freitag. Der Preis für ein Fass der US-Sorte WTI stieg um 28 Cent auf 106,20 Dollar.

Quelle: ntv.de, ppo/dpa/rts/AFP

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