Kieler Kofferbomber Täter im Trikot gefasst
19.08.2006, 08:43 UhrDrei Wochen nach den fehlgeschlagenen Terroranschlägen auf Regionalzüge in Koblenz und Hamm ist einer der beiden Bombenleger gefasst. Der 21-jährige libanesische Student, der auf dem Hauptbahnhof in Kiel festgenommen wurde, sei "definitiv" einer der Täter, sagte Generalbundesanwältin Monika Harms in Karlsruhe. DNA-Spuren aus einem Trolley mit dem Sprengsatz sowie Fingerabdrücke stimmten mit den Spuren des nun festgenommenen Verdächtigen überein. Der Student habe sich aus seinem Wohnort Kiel kurz vor der Festnahme absetzen wollen. Die Bundesregierung zeigte sich erleichtert über die Festnahme.
Terroristische Gruppe am Werk
Die Generalbundesanwältin sieht hinter den beiden Tatverdächtigen eine terroristische Gruppe. "Die Umstände begründen den Verdacht, dass weitere und bislang unbekannte Personen sich dauerhaft zu einer Vereinigung zusammengeschlossen haben, um schwere Gewalttaten in der Bundesrepublik Deutschland zu verüben", sagte sie. Bundesanwalt Rainer Griesbaum ergänzte: "Um eine solche Tat platzieren und Bomben in unterschiedlichen Regionalzügen und in Abständen explodieren zu lassen, kann man einen logistischen Aufwand voraussetzen", sagte er. Nach den Worten von BKA-Präsident Jörg Ziercke gibt es keine belastbaren Erkenntnisse, dass islamistische Hintergründe vorliegen. "Das wird ermittelt", sagte Ziercke in Kiel.
Scharfe Bomben platziert
Die beiden Männer sollen vor drei Wochen im Hauptbahnhof Köln Kofferbomben in Regionalzüge nach Koblenz und Hamm gelegt haben. Kurz vor den Zielorten sollten diese am frühen Nachmittag explodieren. Nur ein handwerklicher Fehler hat nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes (BKA) die Explosion und damit eine Katastrophe mit vielen Toten verhindert. Bereits bei ihren Ermittlungen war die Polizei auf Spuren nach Libanon gestoßen. In den nicht explodierten Koffern hatte sich ein arabisch beschriebener Zettel und Speisestärketüten eines libanesischen Herstellers gefunden.
Fahndung läuft weiter auf Hochtouren
Der zweite mutmaßliche Bombenleger kommt nach Zierckes Worten nicht aus Kiel. Ziercke warnte davor, in der Wachsamkeit nachzulassen. "Der zweite Tatverdächtige ist noch auf freiem Fuß." Man wisse nicht was dieser vorhabe. Laut Harms sind inzwischen die Wohnung des Verdächtigen in einem Studentenwohnheim und eine Werkstatt durchsucht worden. Auch die Fahndung nach dem zweiten Täter liefen auf Hochtouren, sagte sie. Zu einem möglichen Täterumfeld in Kiel und zur neuen Gefährdungslage nach der Festnahme machte Harms keine konkreten Angaben.
Täter mit Trikot auf Kölner Video
Der festgenommene Student der Mechatronik soll nach Angaben von Harms dem Ermittlungsrichter in Karlsruhe vorgeführt werden. Der Mann sei im September 2004 nach Deutschland eingereist und seit Februar 2005 für Kiel gemeldet. Die Täter waren öffentlich zur Fahndung ausgeschrieben worden. Das BKA hatte im Kölner Hauptbahnhof aufgenommene Videoaufnahmen der beiden Männer veröffentlicht. Der Festgenommene sei der Mann mit dem Trikot der deutschen Nationalmannschaft gewesen, der auf den Videoaufnahmen zu sehen sei, sagte Ziercke.
Im Zuge der Fahndung nach den Bombenlegern hatte die Polizei den Kieler Hauptbahnhof für rund fünf Stunden gesperrt. Laut Staatsschutz des Kieler Landeskriminalamts kam es gegen 03.40 Uhr zum Zugriff. Ein Augenzeuge, der nach Hamburg fahren wollte, berichtete, die Fahrgäste seien kurz nach 04.00 Uhr morgens aufgefordert worden, den Regionalzug zu verlassen. Er habe gesehen, wie auf einem Gleis zwei Männer lagen, die mit Handschellen gefesselt waren. Der zweite Mann gehörte aber nicht zu den Tatverdächtigen.
Sperrung in Hamburg
Der Hamburger Hauptbahnhof ist unterdessen wegen einer Bombendrohung geräumt worden. Ein Unbekannter habe bei der Einsatzzentrale angerufen und gesagt: "Ich habe eine Bombe im Hauptbahnhof versteckt", sagte ein Polizeisprecher. Das Gebäude sei geräumt worden, der Zugverkehr im Bahnhof eingestellt worden, später gab es Entwarnung.
Merkel erleichtert
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich erleichtert über die Festnahme. Das sei ein großer Erfolg im Kampf gegen den Terrorismus, ließ sie mitteilen.
Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD) sagte, mehr als 100 Polizeikräfte seien im Einsatz gewesen. Seiner Meinung hat sich gezeigt: "Videoüberwachung ist richtig und wichtig." Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sprach sich wie Schäuble dafür aus, die Videoüberwachung im öffentlichen Raum zu verstärken.
Quelle: ntv.de