NATO in Afghanistan Teltschik warnt vor Scheitern
07.02.2008, 15:21 UhrVon Gudula Hörr
Der Leiter der am Freitag beginnenden 44. Münchner Sicherheitskonferenz, Horst Teltschik, hat eine wesentlich bessere Ausstattung der NATO gefordert. "Wir brauchen in der NATO mehr Ressourcen finanzieller und militärischer Art, das ist der Punkt", sagte er im Interview mit n-tv.de. Die NATO übernehme immer mehr internationale Verpflichtungen, ohne genügend finanzielle Mittel zur Verfügung zu haben.
Ein stärkeres Engagement des Bündnisses sei der einzige Weg, um ein drohendes Scheitern des Afghanistan-Einsatzes abzuwenden. "Es müssen so viele Soldaten nach Afghanistan geschickt werden, dass die Stabilität gesichert und ein friedlicher Aufbau möglich ist." Auch Deutschland werde sich aus dieser Zwickmühle nicht mehr lösen können. "Wir kommen nicht darum herum, mehr militärische Unterstützung auch im Süden Afghanistans zu leisten", so Teltschik.
"Wer den Mund spitzt, muss auch pfeifen"
Zugleich bezweifelt Teltschik die These, dass Deutschlands Sicherheit am Hindukusch verteidigt werde. "Das war die Position der rot-grünen Regierung aus dem Jahr 2002", so Teltschik. Er habe schon damals Zweifel daran gehabt. "Aber wir haben uns nun mal entschieden, und wir können nicht den Mund spitzen und dann nicht pfeifen." Wenn Deutschland sich jetzt aus Afghanistan zurückziehe, werde es sein Gewicht in der NATO verlieren. "Also müssen wir auch die Folgen tragen. Doch dazu scheinen mir gerade auch die, die es entschieden haben, immer weniger bereit zu sein."
Rüstungskontrollvereinbarungen überfällig
Die NATO muss sich nach Teltschiks Auffassung allerdings auch strategisch und konzeptionell neu aufstellen. Insbesondere was Russland und den Mittleren Osten angehe. "Moskau muss auch politisch eingebunden werden", mahnte Teltschik. Er würde sich in diesem Punkt auch wünschen, dass die Bundesregierung aktiver würde. Zudem müsse die NATO dringend die Frage beantworten, wie sie zukünftig mit den arabischen Staaten umgehen wolle. "Der islamische Terrorismus bezieht sich im Wesentlichen auf die arabische Welt. Daher glaube ich, dass wir im Westen eine umfassende Strategie brauchen - politisch, wirtschaftlich bis hin zu einem kulturellen Dialog. Bisher haben wir im Westen keine gemeinsame Strategie", so Teltschik.
Gerade in diesem Zusammenhang entpuppe sich auch die Frage der Abrüstung wieder als "Schlüsselthema". Neben Nordkorea könnten auch schon Saudi-Arabien, Ägypten, Israel und andere Staaten Atomwaffen anstreben, glaubt der Sicherheitspolitiker. Eine große Gefahr stelle hier auch die so genannte schmutzige Atombombe, die von Terroristen eingesetzt werden könnte, dar. "Es ist daher überfällig, im nuklearen Bereich zu Rüstungskontrollvereinbarungen oder weiteren Abrüstungsschritten zu kommen", so Teltschik.
USA haben an Glaubwürdigkeit verloren
Teltschik, der nach zehn Jahren letztmalig die hochrangig besetzte Sicherheitskonferenz leitet, sieht neben der NATO vor allem die USA in den kommenden Jahren in der Pflicht. Auf die Frage, ob die Glaubwürdigkeit und das Ansehen der USA unter Präsident George Bush gelitten hätten, sagte Teltschik: "Das ist die Ausgangslage". Wer auch immer im November zum Präsidenten oder zur Präsidentin der Vereinigten Staaten gewählt werde, müsse eine zentrale Aufgabe bewältigen: "Das ist fast vergleichbar mit der Aufgabe Reagans nach dem Vietnamkrieg, das Selbstbewusstsein im eigenen Land wieder aufzubauen und die Glaubwürdigkeit in der internationalen Politik wiederherzustellen."
Quelle: ntv.de