"Nicht fähig, längere Zeit zu sitzen" Timoschenko-Prozess vertagt
25.06.2012, 12:19 Uhr
Julia Timoschenko droht eine weitere lange Haftstrafe. Der zweite Prozess gegen sie wurde nun aber erst einmal verschoben.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die deutschen Neurologen, die die ukrainische Oppositionsführerin Timoschenko behandeln, sind gegen deren Teilnahme an einem weiteren Prozess. Er beginnt ohne die Angeklagte und wird direkt am ersten Verhandlungstag verschoben. Der Anführerin der prowestlichen Orangenen Revolution von 2004 drohen zwölf weitere Jahre Haft.
Der zweite Prozess gegen Julia Timoschenko ist unmittelbar nach Beginn der Verhandlung vertagt worden. Das Verfahren wegen Steuerhinterziehung werde erst am 10. Juli fortgesetzt, entschied ein Gericht in der Stadt Charkow. Die Entscheidung verhindert weitere negative Schlagzeilen für die ukrainische Führung während Fußball-Europameisterschaft, die derzeit in der Ukraine und in Polen ausgetragen wird und am kommenden Sonntag endet.
Die Empörung über die Behandlung der ukrainischen Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko in der Haft hat bereits die meisten westlichen Regierungen dazu bewogen, keine Regierungsmitglieder zu den Spielen in der früheren Sowjetrepublik zu entsenden.
Deutsche Neurologen bescheinigen Verhandlungsunfähigkeit
Unter Berufung auf ein Gutachten des deutschen Neurologen Prof. Karl Max Einhäupl hatte sich die 51-jährige Timoschenko geweigert, an dem Prozess teilzunehmen. Timoschenko hat ein Bandscheibenleiden und kann sich kaum bewegen.
Nach Einschätzung des Neurologen und Einhäupl-Kollegen Lutz Harms ist Timoschenko nicht verhandlungsfähig. Ihre Schmerzen aufgrund des Bandscheibenvorfalls müssten mit Medikamenten betäubt werden, sagte Harms der "Morgenpost". Harms war bereits zweimal in dem ukrainischen Krankenhaus Charkow, um Timoschenko zu behandeln.
Harms sagte zu Timoschenkos Gesundheitszustand: "Sie war nicht fähig, längere Zeit auf einem Stuhl zu sitzen. Auch der sitzende Transport in den Gerichtssaal wäre ein Problem", sagte der Arzt. "Dazu kommt der Stress, den das Ganze auslöst. Belastungen wie diese sind bei einem chronischen Schmerzsyndrom kontraproduktiv." Der Neurologe empfahl, die Oppositionsführerin nach Kiew zu überweisen. "Noch besser wäre es, sie unter Hausarrest zu stellen."
Sieben Jahre Straflager
Der Anführerin der prowestlichen Orangenen Revolution von 2004 drohen zwölf weitere Jahre Haft, weil sie in ihrer Zeit als Chefin eines Energiekonzerns in den 1990er Jahren 681.000 Griwna Steuern (heute rund 68.000 Euro) nicht gezahlt haben soll. Zudem habe sie dem Staat einen Schaden von 30 Millionen Griwna zugefügt.
Timoschenko war im Oktober 2011 in einem international kritisierten Verfahren wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Straflager verurteilt worden. Der Fall überschattet auch die Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine. Als Vertreter des EU-Parlaments beobachteten der polnische Ex-Staatschef Aleksander Kwasniewski und der irische frühere EU-Parlamentspräsident Pat Cox den Prozess.
Quelle: ntv.de, jmü/dpa/AFP