In 30 Tagen vor Gericht Tod für 9/11-Drahtzieher
11.02.2008, 16:05 UhrDie US-Regierung hat sechs mutmaßliche Top-Terroristen im Gefangenenlager Guantnamo Bay wegen Kriegsverbrechen angeklagt und die Todesstrafe für sie beantragt. Wie das Pentagon mitteilte, werden alle Sechs der maßgeblichen direkten oder indirekten Beteiligung an den Anschlägen vom 11. September 2001 beschuldigt. Insgesamt werden ihnen 169 verschiedene Straftaten zur Last gelegt. Eine Richterin wird nun zunächst prüfen, ob die Beweise für die Eröffnung eines Prozesses ausreichen.
Die Klage wäre die erste vor dem Guantanamo-Tribunal, bei der den Beschuldigten eine direkte Beteiligung an den Anschlägen zur Last gelegt wird. Zudem würde erstmals vor dem Gericht die Todesstrafe gefordert. Bevor es zum Prozess kommt, steht jedoch noch die Zustimmung des Verteidigungsministeriums aus.
Verhörmethoden anfechtbar
Zur Gruppe der Angeklagten gehört der Anklage zufolge der Ex-Chefplaner des Terrornetzes El Kaida, Chalid Scheich Mohammed. Der gebürtige Pakistaner soll der Drahtzieher der verheerenden Flugzeuganschläge in den USA gewesen sein, bei denen 3000 Menschen getötet wurden. Er hat einem im März 2007 veröffentlichten Vernehmungsprotokoll zufolge zugegeben, die Anschläge im Auftrag von El-Kaida-Chef Osama bin Laden geplant zu haben. Der US-Regierung zufolge hat er in einer Vernehmung in Guantnamo Bay auch zugegeben, den Anschlag auf das World Trade Center 1993 in New York vorbereitet zu haben. Dem zufolge gestand er auch weitere Angriffe, wie etwa einen Bombenanschlag auf einen Nachtclub der indonesischen Insel Bali. Außerdem hat er eigenen Angaben zufolge den US-Journalisten Daniel Pearl enthauptet. Ferner steckte er nach den US-Angaben laut eigenen Aussagen hinter den Plänen von "Schuhbomber" Richard Reid, eine Passagiermaschine während eines Transatlantikfluges zu sprengen. Diese Pläne waren vereitelt worden.
Ob das Geständnis vor Gericht jedoch Bestand hat, ist unklar, da CIA-Chef Michael Hayden erst vor kurzem eingeräumt hat, bei den Befragungen Mohammeds die umstrittene Verhörmethode des
"waterboardings" eingesetzt gehabt zu haben. Die Methode, bei dem das Opfer das Gefühl hat, zu ertrinken, wird weithin als Folter eingestuft. Die Regel des Guantanamo-Tribunals wie auch ein von den USA unterzeichnetes internationales Abkommen verbieten den Einsatz von Beweisen, die durch Folter erbracht wurden. Vor diesem Hintergrund äußerten US-Zeitungen die Erwartung, dass die Todesstrafen-Prozesse weltweit neue Kontroversen über die amerikanische Behandlung von Terrorverdächtigen auslösen werden.
Die Verfahren wegen Kriegsverbrechen finden zudem vor eigens zu diesem Zweck geschaffenen Sondergerichten, den Militärkommissionen, statt. Angeklagte haben in diesen Prozessen deutlich weniger Rechte als in normalen Militär- oder Zivilverfahren. Auch die Kommissionen sind international auf Kritik gestoßen. Viele westliche Verbündete der USA halten ihre Standards für rechtlich äußerst fragwürdig.
Langwieriger Prozess
Neben Mohammed droht weiteren fünf Guantnamo-Häftlingen die Todesstrafe: Mohammed al-Kahtani, Ramzi Binalshibh, Ali Abdel Asis Ali, Mustafa Ahmed al-Hausaui und Walid bin Attasch. Sie werden voraussichtlich in 30 Tagen erstmals vor Gericht erscheinen. Laut Pentagon soll dann offiziell die Anklage verlesen und den Gefangenen die Möglichkeit gegeben werden, sich schuldig oder nicht schuldig zu bekennen. Anschließend wird eine Reihe gerichtlicher Anhörungen zur Klärung rechtlicher Fragen erwartet, wie Pentagon-Rechtsberater Thomas Hartmann erläuterte. Nach Einschätzungen von Experten wird der eigentliche Prozess frühestens "in Monaten" beginnen und möglicherweise Jahre dauern.
Hartmann versicherte unterdessen, dass die Angeklagten einen fairen Prozess gemäß allen rechtsstaatlichen Standards erhielten. Ihnen stehe beispielsweise ein Anwalt zur Seite, die Verteidigung könne sämtliches Beweismaterial einsehen, Zeugen aufrufen oder auch ins Kreuzverhör nehmen. Außerdem hätten die Angeklagten das Recht, ihre Urteile anzufechten.
Das Verfahren werde so transparent wie möglich sein, sagte der Brigadegeneral weiter. Er räumte allerdings ein, dass der Öffentlichkeit wahrscheinlich ein Teil des Beweismaterials aus Gründen der nationalen Sicherheit vorenthalten werde. Auf Fragen, ob unter Folter oder "harschen Verhörmethoden" erfolgte Aussagen im Prozess zulässig seien, antwortete Hartmann, das werde vom Gericht entschieden.
Im US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba sitzen derzeit 275 Häftlinge ein. Die Justizbehörden wollen etwa 80 von ihnen vor Gericht bringen.
Quelle: ntv.de