Politik

Der "home-grown-terrorist" von Frankfurt Todesschütze im Netz radikalisiert

Das blutige Attentat auf US-Soldaten am Frankfurter Flughafen stellt sich als Tat eines im Internet radikalisierten Islamisten dar. Nur wenige Wochen Internetrecherche sollen ihn zum Terroristen gemacht haben. Die Polizei hält den 21-Jährigen aus Frankfurt für einen Einzeltäter.

Der 21-Jährige hatte Verbindungen zu radikalen Islamisten.

Der 21-Jährige hatte Verbindungen zu radikalen Islamisten.

(Foto: dpa)

Der Anschlag auf US-Soldaten am Frankfurter Flughafen mit zwei Toten ist vermutlich die Tat eines radikalisierten islamischen Einzeltäters. Der 21 Jahre alte Kosovare habe US-Soldaten töten wollen, berichtete der hessische Innenminister Boris Rhein in Wiesbaden aus den ersten Vernehmungen des Mannes durch die Landespolizei. Hinter ihm sei bislang kein terroristisches Netzwerk erkennbar. Er habe sich möglicherweise innerhalb weniger Wochen im Internet radikalisiert.

Den deutschen Sicherheitsbehörden war der Täter, der Kosovo-Albaner Arid U., nicht als potenziell gefährlicher Islamist bekannt. Laut "Tagesspiegel" hat er bei der Polizei angebliche Übergriffe von US-Soldaten als Motiv genannt.

Der Attentäter hatte am Mittwoch am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten erschossen und zwei weitere schwer verletzt. Er hatte mit einer Pistole im öffentlichen Bereich des Flughafens den Bus mit 15 Soldaten angegriffen und um sich gefeuert. Nur eine Ladehemmung habe ein weiteres Blutbad verhindert. Die überraschten Amerikaner hatten laut Rhein zwar Waffen in ihrem Gepäck, diese waren nicht aber einsatzbereit.

"Neue Dimension des islamistischen Terrorismus"

Der Täter war der Polizei unbekannt. Nichts wies auf einen bevorstehenden Anschlag hin.

Der Täter war der Polizei unbekannt. Nichts wies auf einen bevorstehenden Anschlag hin.

(Foto: dapd)

Die tödlichen Schüsse bedeuten nach Meinung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) eine neue Dimension des islamistischen Terrorismus. "Wenn sich bisherige Hinweise bestätigen, hat erstmalig ein islamistischer Terroranschlag auf deutschem Boden nicht verhindert werden können und Todesopfer gefordert", sagte der GdP-Vorsitzende Bernhard Witthaut in Berlin. Dies sei der erste Fall eines in Deutschland aufgewachsenen terroristischen Einzeltäters, der möglicherweise im Internet durch islamistische Dschihad-Propaganda motiviert worden sei, "ein sogenannter homegrown-terrorist".

Verdacht auf "islamistisch motivierte Tat"

Der getötete Busfahrer war am Luftwaffenstützpunkt Ramstein stationiert, die übrigen Soldaten kamen aus London und waren auf dem Weg zum Einsatz in Afghanistan. Der Täter wurde von Bundespolizisten unmittelbar nach der Tat im Flughafenterminal festgenommen. Er wurde in Karlsruhe dem Haftrichter vorgeführt. Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen und die Frankfurter Polizei wie das Bundeskriminalamt mit der Unterstützung beauftragt. "Aufgrund der Tatumstände besteht der Verdacht, dass es sich bei dem Attentat um eine islamistisch motivierte Tat handelt", hieß es in einer Mitteilung der Behörde. Sie ermittelt wegen des Verdachts des Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung in mehreren Fällen. Zu Einzelheiten will sie sich am Freitag in Karlsruhe äußern.

Das obligatorische "Warum"-Schild weist auf den Ort des Anschlags hin.

Das obligatorische "Warum"-Schild weist auf den Ort des Anschlags hin.

(Foto: REUTERS)

Der Attentäter hatte in der Nähe des Tatorts einen Aushilfsjob bei der Post. Er war seit Januar als Zeitarbeiter im Internationalen Postzentrum am Flughafen beschäftigt, bestätigte ein Postsprecher. Der Vertrag sollte Ende März auslaufen. Laut Rhein arbeitete der junge Mann außerhalb des Sicherheitsbereichs.

Radikalisiert über das Netz

Die Polizei kannte den Attentäter zuvor nicht, erklärte der Minister. Arid U. habe erst vor wenigen Tagen den Kampfnamen "Abu Reyyan" angenommen und zumindest über das Netzwerk "Facebook" Kontakt zu dem mutmaßlichen Hassprediger Sheik Abdellatif und zu zahlreichen anderen Islamisten gehabt. Abdellatif wird schon länger von der Polizei beobachtet und predigte zuletzt in einer Frankfurter Moschee. In der vergangenen Woche hatte es eine Razzia gegen die Gruppierung gegeben, bei der es aber keine Festnahmen gab. Hessen prüft weitere Schritte gegen die Gruppe.

Der hessische Verfassungsschutzpräsident Roland Desch wollte noch nicht von einem "homegrown" Terroristen sprechen. Er sei aber möglicherweise ein Beleg dafür, wie sich auch einzelne Menschen so schnell radikalisieren könnten, dass sie dann einen Anschlag verüben. "Das ist ein Attentat, das aus dem Nichts kommt", erklärte Innenminister Rhein.

Verschärfte Sicherheitsvorkehrungen

Die Nachbarn reagieren geschockt über die Nachrichten vom "netten Mann von nebenan".

Die Nachbarn reagieren geschockt über die Nachrichten vom "netten Mann von nebenan".

(Foto: dapd)

Am größten deutschen Flughafen wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft: Die Bundespolizei ging in den Terminals erneut mit Schutzwesten und Maschinenpistolen Streife und setzte verdeckte Ermittler ein. Auch US-Einrichtungen in Hessen wurden schärfer geschützt. Im Frankfurter Stadtteil Sossenheim wurde die Wohnung des Todesschützen durchsucht. Er soll bei seinen Eltern gewohnt haben und sich seit 1991 in Deutschland aufhalten.

Arid U. soll nach Medienberichten aus Pristina am 8. Februar 1990 in einem Dorf am Stadtrand von Mitrovica im Norden Kosovos geboren worden sein. Große Teile seiner Familie seien "schon vor vielen Jahren" nach Deutschland ausgewandert. Sie könnten daher nicht als Flüchtlinge bezeichnet werden.

Der neue Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich verurteilte in Berlin den Anschlag. Die Behörden würden in Zusammenarbeit mit US-Dienststellen alles dafür tun, die Tat aufzuklären. Außenminister Guido Westerwelle sagte seiner US-Amtskollegin Hillary Clinton nach Angaben des Auswärtigen Amtes in einem Telefongespräch eine rasche und vollständige Aufklärung des Anschlags zu. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte dies bereits US-Präsident Barack Obama zugesichert.

Quelle: ntv.de, dpa

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