"Stoff, aus dem Krisen entstehen" Top-Ökonomen attackieren Rösler
15.09.2011, 08:21 UhrDie Absetzbewegungen bei den Liberalen rufen immer mehr Kritiker auf den Plan. Jetzt rügen führende deutsche Wirtschaftsexperten die öffentlichen Gedankenspiele von Vizekanzler Rösler über einen Staatsbankrott Griechenlands. Der Minister legt indes nach: Die Wachstumsprognose 2012 für Deutschland müsse womöglich gesenkt werden.
Führende Ökonomen in Deutschland haben Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) wegen dessen Äußerung über eine mögliche Insolvenz Griechenlands scharf attackiert. "In der gegenwärtigen Situation kann Politik nicht öffentlich über alles philosophieren, was einem so einfällt", sagte der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, dem "Handelsblatt". Vorschläge, die nicht zu Ende gedacht seien und deren Wirkungen nicht bedacht und ohne überzeugende Begründung als der rettende Ausweg bewertet würden, seien kein sinnvoller Beitrag zur Debatte. "Sie sind unverantwortlich."
Der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, sagte: "Wenn verantwortliche Regierungsmitglieder die bisherige Strategie der Bundesregierung in Frage stellen, dann rufen sie verstärkte Unsicherheit in einem ohnehin verunsicherten Umfeld hervor". Horn warnte: "Das ist der Stoff, aus dem Finanzmarktkrisen entstehen."
Rösler verteidigte seine Aussagen. Er sagte dem "Tagesspiegel": "Gerade in meinem Amt muss ich offen sprechen". Die Deutschen wollten wissen, wie es mit dem Euro und Europa weitergehe. Auf diese Frage müsse die Politik Antworten geben. "Die Menschen erwarten von ihrer Regierung Ehrlichkeit", sagte der FDP-Chef. Man müsse ihnen sagen, was passieren könne, wenn Griechenland seine Reformzusagen nicht einhalte.
Wachstumsprognose wird womöglich gesenkt
Zudem deutete Rösler an, dass die Regierung ihre Wachstumsprognose für 2012 wohl abschwächen müsse. Die bisherige Schätzung von 1,8 Prozent Wachstum "müssen wir vielleicht nach unten korrigieren", so Rösler. Genaue Zahlen werde die Regierung im Oktober vorlegen.
Auch die Mahnung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), durch unbedachte Äußerungen keine zusätzliche Unruhe zu stiften, wies Rösler zurück. "Politik muss Vertrauen schaffen", sagte er. Wenn man wie er von der Notwendigkeit einer Diskussion zutiefst überzeugt sei, dann müsse man auch öffentlich dazu stehen. "Eine Regierung muss sagen, was sie für richtig hält, und darf sich dabei nicht von Märkten treiben lassen", sagte der FDP-Chef.
Linke vermisst einheitlichen Kurs
Linke-Chef Klaus Ernst appellierte an die Bundesregierung, "endlich wieder einen einheitlichen Kurs" zu fahren. Bei n-tv machte Ernst die Kanzlerin für die "Kakophonie aus der Regierung" verantwortlich. Merkel müsse endlich den Kurs vorgeben. "Wir erleben eine FDP, die vollkommen verantwortungslos agiert. Ich erwarte mir, dass wir schnell mit einer einheitlichen Stimme als Bundesregierung leben können und nicht einen Zustand erleben, in dem die Krise, die wir an den Finanzmärkten haben, eine Regierungskrise wird." Das könne man sich in Zeiten wie diesen nicht leisten.
Quelle: ntv.de, dpa/rts