Politik

Krawalle bei Generalstreik Tränengas liegt über Athen

Am Syntagma-Platz kam es zu schweren Ausschreitungen.

Am Syntagma-Platz kam es zu schweren Ausschreitungen.

(Foto: AP)

Das öffentliche Leben lahmgelegt, der Syntagma-Platz vor dem Parlament in Athen ein Schlachtfeld: Griechenland erlebt die heftigsten Proteste seit Ausbruch der Finanzkrise. Hunderttausende gehen auf die Straßen. Autonome liefern sich Gefechte mit der Polizei. Auch in Portugal wird ein Generalstreik angekündigt.

In Griechenland entlädt sich die Wut über die Politik in den bislang größten Demonstrationen seit Beginn der Finanzkrise. Nach Angaben der Polizei beteiligten sich über 125.000 Menschen an den Kundgebungen in Athen, Thessaloniki, Patras und Heraklion. Die Stimmung ist teilweise äußerst angespannt. Vor dem Parlament in Athen liefern sich einige Demonstranten Straßenschlachten mit der Polizei.

Polizisten wurden mit Brandsätzen angegriffen.

Polizisten wurden mit Brandsätzen angegriffen.

(Foto: AP)

Die Sicherheitskräfte setzten bei der zentralen Versammlung am Syntagma-Platz massiv Tränengas gegen Randalierer ein. Diese hatten die Einsatzkräfte mit Brandsätzen und Steinen beworfen. Erstmals überhaupt gelang es den Demonstranten, bis zu den Stufen am Eingang des Parlamentsgebäudes vorzudringen. Über dem Platz hing dicker Rauch. Der FDP-Europaabgeordnete Jorgo Chatzimarkakis hatte zuvor bei n-tv gewarnt: "Es wäre fatal, wenn es zu Ausschreitungen käme." Die Politik im Land sei ohne schon "am Ende angekommen".

Schulen bleiben beschlossen

Das öffentliche Leben wurde durch den Generalstreik in weiten Teilen lahmgelegt. Zu den Streikenden zählten Fluglotsen, Busfahrer, Taxifahrer, Beamte, Ärzte, Lehrer, Tankstellenpächter, Seeleute und Bäcker. In Athen zogen 70.000 Demonstranten in vier Kolonnen zum Parlament am Syntagma-Platz. In Thessaloniki gingen 15.000 Menschen auf die Straße, 20.000 waren es Patras.

Zu dem zweitägigen Streik hatten die beiden größten griechischen Gewerkschaftsverbände des privaten und öffentlichen Sektors aufgerufen. Der Protest richtet sich gegen die für Donnerstag im Parlament geplante Verabschiedung eines neuen Sparpakets, das unter anderem die schrittweise Entlassung von 30.000 Staatsbediensteten vorsieht. Zugleich sollen die Gehälter und Löhne von Beamten und Beschäftigten des öffentlichen Diensts um weitere 20 Prozent gekürzt sowie neue Steuern erhoben werden.

In Piräus liegen die Schiffe nur noch am Dock.

In Piräus liegen die Schiffe nur noch am Dock.

(Foto: AP)

Ministerpräsident Giorgos Papandreou warnte die Streikenden, wenn sie das Land "zersetzten", dann werde es "kein Geld für Löhne und Renten" geben.

Die Bevölkerung erhebe sich gegen die "unfairen, unsozialen und ineffizienten" Beschlüsse der Regierung in Athen "und ihrer Geldgeber", sagte Giannis Panagopoulos, der Chef der Gewerkschaft GSEE. Zahlreiche Flüge fielen wegen eines Streiks der Fluglotsen aus. Die Seeleute setzten ihren seit Tagen andauernden Ausstand fort. "Erstmals seit Mai 2010 bin ich bei einer Kundgebung dabei", sagte der Ingenieur Nikos Stefanatos. "Damals lag mein Monatseinkommen bei 2800 Euro, jetzt sind es noch 1500."

Flugausfälle in Deutschland

Als erste starteten die Fluglotsen die Streikwelle. Die gute Nachricht für alle Griechenland-Urlauber: Ihre Gewerkschaft beschloss, angesichts der dramatischen Lage und um dem Tourismus nicht einen schweren Schlag zu verpassen, nur für zwölf Stunden zu streiken. Der Flugbetrieb sollte somit ab 11 Uhr wieder aufgenommen werden. Ursprünglich wollten die Fluglotsen für zwei Tage streiken. Der griechische Luftraum blieb seit Mitternacht für alle kommerziellen Flüge von und nach Griechenland geschlossen. Viele Flüge in der zeit wurden verschoben oder fielen aus.

Für ein paar Stunden ging an den Flughäfen nichts mehr.

Für ein paar Stunden ging an den Flughäfen nichts mehr.

(Foto: REUTERS)

Auch in Deutschland kam es zu Flugausfällen. In München wurden wegen der Streiks sämtliche 20 Flüge aus und nach Griechenland gestrichen - darunter Flüge nach Athen, Thessaloniki oder aus Heraklion und Kos. Wie viele Passagiere von dem Streik in Griechenland betroffen waren, konnte die Flughafen-Pressestelle zunächst nicht sagen.

Am Hamburger Flughafen wurden zwei Flüge aus Heraklion und Kos gestrichen, teilte ein Airport-Sprecher mit. Während der Bremer Flughafen keine Beeinträchtigungen meldete, mussten in Hannover nach dortigen Angaben drei Flüge auf Donnerstag verschoben werden.

Ausfälle von Flügen nach Griechenland gab es auch in Düsseldorf und Köln/Bonn. In Düsseldorf wurden nach Flughafenangaben drei Hin- und Rückflüge komplett gestrichen, und zwar nach Athen und Thessaloniki, drei wurden verschoben, die nach Kos und Heraklion gingen. In Köln/Bonn wurden zwei Flüge (Athen und Thessaloniki) um einen Tag verschoben.

Auch den Müllmännern stinkt's

Bestreikt werden in Griechenland auch Ministerien und staatliche Unternehmen sowie viele Banken, Apotheken, Tankstellen, Geschäfte und Bäckereien. Wegen eines seit fast zwei Wochen andauernden Streiks der Müllabfuhr liegen in den Städten mittlerweile Zehntausende Tonnen Müll herum.

Die für die öffentliche Gesundheit zuständige Behörde bezeichnete die Situation als "Bombe". In einigen Fällen seien bereits Ratten gesichtet worden. Die Beseitigung der riesigen Müllberge soll nach ersten Schätzungen der Kommunen im Großraum Athen etwa eine Woche dauern. Ärzte behandeln in Krankenhäusern nur Notfälle.

Auch die öffentlichen Verkehrsmittel sollen für mehrere Stunden bestreikt werden. Zu dem Ausstand haben die beiden größten Gewerkschaftsverbände aufgerufen. Für den Nachmittag sind mehrere Demonstrationen geplant. Aus Angst vor Ausschreitungen zog die Polizei starke Einheiten in Athen zusammen.

Generalstreik in Portugal

Die Streikwelle könnte aus Griechenland nach Portugal überschwappen.

Die Streikwelle könnte aus Griechenland nach Portugal überschwappen.

(Foto: REUTERS)

Griechenland ist hoch verschuldet und wartet auf neue Finanzhilfen der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds (IWF). Der Abschlussbericht der Experten der sogenannten Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), IWF und EU-Kommission für die Auszahlung der nächsten Kredittranche in Höhe von acht Milliarden Euro wird in den kommenden Tagen erwartet. Die schwere Finanzkrise in Griechenland setzte im vergangenen Jahr ein, die Rettungspakete zeigten bislang keinen durchschlagenden Effekt.

Trotz des Unmuts der Bevölkerung dürften die neuen Maßnahmen - Steuererhöhungen, Lohnkürzungen und Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst - mit der Mehrheit der sozialistischen Regierung auf den Weg gebracht werden. Griechenland muss harte Spar- und Reformauflagen erfüllen, um Hilfen von EU und Internationalem Währungsfonds zu beanspruchen.

In der EU wird befürchtet, dass ein Mitgliedsstaat den nächsten mit in die Krise reißt. "Ich finde es beunruhigend, dass es da eine Kettenreaktion gibt", sagte der spanische Börsenspezialist Alberot Roldan. "In Griechenland hat es angefangen, dann ist es auf andere Länder übergesprungen." Als letzte der drei großen Ratingagenturen hatte Moody's die Kreditwürdigkeit Spaniens herabgestuft. Die spanische Regierung zeigte sich "überrascht". In Portugal riefen die größten Gewerkschaften für den 24. November zu einem Generalstreik gegen Sparmaßnahmen der Regierung auf.

Quelle: ntv.de, ddi/dpa/AFP/rts

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