Politik

Wütende Proteste in der Türkei Trauerzug trägt 15-Jährigen zu Grabe

Zehntausende Regierungsgegner nahmen am Trauerzug von Berkin Elvan teil.

Zehntausende Regierungsgegner nahmen am Trauerzug von Berkin Elvan teil.

(Foto: dpa)

Rund zwei Wochen vor der Kommunalwahl in der Türkei heizt sich die Lage auf. Istanbul erlebt den größten Protest seit Monaten. Anlass der jüngsten Demonstrationen ist der Tod eines Jugendlichen, den eine Tränengasgranate getroffen hatte.

Der Tod eines im Sommer von Polizisten schwer verletzten Jugendlichen hat in der Türkei eine neue Welle regier ungsfeindlicher Proteste provoziert. Die Bereitschaftspolizei setzte abermals Tränengas und Wasserwerfer gegen Zehntausende Demonstranten ein, die zur Beisetzung des 15-Jährigen in Istanbul gekommen waren. Schon am Vorabend waren laut Medienberichten bei landesweiten Kundgebungen 20 Demonstranten teils schwer verletzt und 150 festgenommen worden.

"Die Polizei der (Regierungspartei) AKP hat Berkin ermordet", skandierte die Menge im Stadtviertel Okmeydani, wo der junge Muslim gelebt hatte. Die Menschen zogen zur Trauerzeremonie in einem alevitischen Kulturzentrum. Im Anschluss war ein Trauermarsch geplant. Doch schon ging die Polizei massiv gegen Demonstranten vor, die eine Straßenkreuzung blockieren wollten.

Auch im Zentrum Ankaras setzten Sicherheitskräfte Wasserwerfer und Tränengas gegen Menschen ein, die sich im Gedenken an Berkin im Zentrum der Hauptstadt versammelt hatten. Mindestens zwei von ihnen wurden verletzt.

269 Tage im Koma

Demonstranten schleudern Feuerwerkskörper.

Demonstranten schleudern Feuerwerkskörper.

(Foto: dpa)

Der 15-jährige Berkin Elvan war vor neun Monaten auf dem Weg zum Bäcker, als er zwischen die Fronten geriet und von ei ner Tränengasgranate der Polizei am Kopf getroffen wurde. Am Dienstag war er nach 269 Tagen im Koma in einem Krankenhaus in Okmeydani gestorben. Das Schicksal das Jungen wurde zum Symbol für das harte Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte gegen die Gegner des rechts-konservativen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Die neuen Massenproteste setzen den Regierungschef, der schon von einem Korruptionsskandal belastet ist, weniger als drei Wochen vor der Kommunalwahl noch stärker unter Druck.

Berkins Mutter macht Erdogan für den Tod ihres Sohnes verantwortlich. Der Ministerpräsident hatte die Polizisten während der Proteste als "Helden" bezeichnet. In Ankara klebten seine Gegner am Mittwoch Plakate, auf denen Erdogan wie auf einem Fahndungsfoto abgebildet war. "Berkins Mörder - gefährlich und aggressiv", stand unter dem Porträt. "Der Mörder-Staat wird zur Verantwortung gezogen", stand auf einem Plakat.

Europaparlament übt harsche Kritik

Druck auf Erdogan kam am Mittwoch nicht nur von den Protesten: Das Europaparlament verabschiedete seine bislang kritischste Resolution zur Türkei. Darin zeigt sich das Parlament besorgt über die politische Entwicklung und übt scharfe Kritik an den jüngst erlassenen Internetgesetzen und der Kontrolle, die sich der Staat über die Justiz sicherte. Diese ließen die Türkei von ihrem Weg zur Erfüllung der EU-Beitrittskriterien "abweichen".

In der Resolution erklärt das Parlament auch seine Besorgnis über die Korruptionsvorwürfe, die gegen Vertreter der türkischen Regierung erhoben werden. Das Parlament kritisierte, dass mehrere tausend Polizisten und Untersuchungsrichter, die über die mutmaßlichen Bestechungsfälle ermittelten, entlassen oder versetzt worden seien. Zugleich forderte es die Regierung in Ankara auf, sich nicht länger in diese Ermittlungen einzumischen. Vertreter der Konservativen im EU-Parlament bekräftigten ihre Forderung, die 2005 gestarteten Beitrittsverhandlungen mit Ankara abzubrechen.

Quelle: ntv.de, dsi/ghö/dpa

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