Politik

"Gravierende Mängel" bei Bundeswehr Truppe schrumpft radikal

De Maiziere setzt sich für eine radikale Reform ein.

De Maiziere setzt sich für eine radikale Reform ein.

(Foto: REUTERS)

Lange wird um das Konzept gerungen, nun stellt Verteidigungsminister de Maizière die Pläne zur Bundeswehrreform vor. Diese sehen eine radikale Verkleinerung der Truppe vor. De Maizière gesteht zudem große Defizite bei der Bundeswehr ein. Die Reformen in den vergangenen Jahren seien nicht ausreichend gewesen.

Die Bundeswehr soll um etwa ein Fünftel schrumpfen und deutlich straffere Führungsstrukturen erhalten. Das geht aus dem Reformkonzept hervor, das Verteidigungsminister Thomas de Maizière nun vorgelegt hat. Der CDU-Politiker will die Zahl der Soldaten von derzeit 220.000 auf 175.000 bis 185.000 verkleinern, von den 76.000 zivilen Stellen sollen nur 55.000 übrig bleiben. Im Ausland soll sich die Bundeswehr trotzdem stärker als bisher mit 10.000 statt bisher 7000 Soldaten engagieren können.

Die Bundeswehr steht vor der größten Reform in ihrer Geschichte.

Die Bundeswehr steht vor der größten Reform in ihrer Geschichte.

(Foto: dpa)

Die Kosten für den Personalabbau werden aus dem Verteidigungshaushalt ausgelagert. Sie sollen vom Bund insgesamt getragen werden. Wie stark dadurch die Sparauflagen für die Bundeswehr von bisher 8,3 Milliarden Euro bis 2015 gelockert werden, ist aber noch unklar.

Nach dem Kabinett informierte de Maizière die Experten der Bundestagsfraktionen über seine Pläne und stellte sie dann in einer Rede in der Berliner Julius-Leber-Kaserne der Öffentlichkeit vor. "Diese Entscheidungen sind für die Zukunft der Bundeswehr und unseres Landes wichtig", sagte de Maizière vor etwa 400 Gästen. "Sie sind allerdings nicht historisch einmalig." Bereits frühere Generationen hätten mit grundlegenden Veränderungen auf eine neue Lage reagieren müssen.

De Maizière sprach von "gravierenden Mängeln" bei der Bundeswehr. Die Reformen in den vergangenen Jahren seien nicht ausreichend gewesen. Der Minister betonte aber, dass die Bundeswehr in Deutschland und im Einsatz hoch geschätzt werde. Die Truppe sei hochmotiviert, leistungsbereit und professionell. Es sei ehrenvoll, in deutscher Uniform für eine bessere, gerechtere und freiere Welt einzutreten. "Darauf könne wir in aller Bescheidenheit stolz sein."

Wehrpflicht ausgesetzt

Die Bundeswehrreform war vor einem Jahr von de Maizières Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) eingeleitet worden. Die Aussetzung der Wehrpflicht und die Einführung eines neuen freiwilligen Wehrdienstes von 12 bis 23 Monaten ab 1. Juli ist bereits beschlossene Sache. In der jetzt eingeleiteten zweiten Reformphase geht es vor allem um die Verkleinerung der Bundeswehr und die Straffung der Strukturen.

Die Truppe wird erheblich zusammengeschrumpft.

Die Truppe wird erheblich zusammengeschrumpft.

(Foto: dapd)

Wie sein Vorgänger Guttenberg kalkuliert de Maizière mit 170.000 Berufs- und Zeitsoldaten. Bei der Zielmarke für die freiwillig Wehrdienstleistender ist er allerdings vorsichtiger und will sich schon mit 5000 zufrieden geben. Bei Interesse stehen aber 15.000 Plätze für den neuen Freiwilligendienst zur Verfügung. Guttenberg hatte mit 7500 bis 15.000 Freiwilligen kalkuliert.

Besonders stark wird das Ministerium eingedampft. Von den 3500 Mitarbeitern bleiben nur noch 2000 übrig. Allerdings sind das noch etwas mehr, als eine Strukturkommission mit externen Experten (1500) und Guttenberg (1800) vorgesehen hatte. Der Personalabbau soll sich auf alle Hierarchieebenen erstrecken. Über eine mögliche Konzentration des Ministeriums in Berlin soll erst im Oktober entschieden werden. Derzeit sitzt der überwiegende Teil der Mitarbeiter noch in Bonn.

De Maizière sucht Konsens

Arnold kommt mit de Maiziere gut zurecht.

Arnold kommt mit de Maiziere gut zurecht.

(Foto: picture alliance / dpa)

De Maizière will die Reform möglichst im Einvernehmen mit der Opposition durchsetzen. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sieht die Chance für einen "Grundkonsens" zwischen den großen Parteien. Dort, wo Verteidigungsminister de Maizière richtige Schritte gehe, "werden wir das nicht im parteipolitischen Kleinklein zerhacken", sagte Arnold im ZDF. Es müsse aber zunächst geklärt werden, welche Fähigkeiten die Bundeswehr künftig haben solle.

Arnold lobte zugleich den neuen Verteidigungsminister: "De Maizière ist tatsächlich ein Minister, der zuerst einmal nachdenkt und dann redet, und das ist die richtige Reihenfolge." Der Minister bewege sich "in wichtigen Teilen auch auf sozialdemokratische Vorstellungen" zu.

Kritik von den Grünen

Guttenberg (l) betonte, er habe ein bestelltes Haus hinterlassen. Sein Nachfolger de Maiziere (r) sieht es etwas anders.

Guttenberg (l) betonte, er habe ein bestelltes Haus hinterlassen. Sein Nachfolger de Maiziere (r) sieht es etwas anders.

(Foto: dapd)

Der Grünen-Sicherheitsexperte Omid Nouripour kritisierte indes, das Konzept für den freiwilligen Wehrdienst sei "das beschämendste Kapitel der Reform". Nach dem Aus für die Wehrpflicht sei nichts geschehen. Nouripour forderte die Bundesregierung auf, die Attraktivität des freiwilligen Dienstes etwa durch Karrierechancen deutlich zu steigern. Als "flankierende Maßnahme" könnten nach seiner Ansicht auch in Deutschland verwurzelte Ausländer gezielt für die Bundeswehr gewonnen werden. "Sofern Ausländer eine feste Bindung zu Deutschland haben, sollte ihnen der Weg zur Truppe offen stehen", sagte Nouripour. Eine Öffnung der Bundeswehr dürfe aber nicht dazu führen, dass im großen Stil Söldner nach Deutschland kämen.

Die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff wies die Schuld dem früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hingegen zu. Der CSU-Politiker habe in erster Linie die "Schieflage beim freiwilligen Wehrdienst" zu verantworten. "Seit Monaten werden keine Rekruten mehr eingezogen, gleichzeitig fehlt es aber noch an effektiven Strukturen zur Werbung Freiwilliger", beschrieb Hoff die Situation.

Bundeswehrverband ist skeptisch

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, sieht die derzeitige Bundeswehrreform ebenfalls kritisch. "Was die Reform selber angeht, so gibt es allerdings eine Menge zu kitten", sagte Kirsch n-tv. Ein großes Thema sei derzeit die Personalgewinnung. Auch wüssten viele Soldaten nicht mehr: "Was sollen wir eigentlich noch glauben?"

Der ehemalige Wehrbeauftragte des Bundestages, , kritisierte die Bundesregierung scharf. "Vertreter des Regierungslagers müssen sich in der Vergangenheit für die Bundeswehr nicht besonders verantwortlich gefühlt haben. Alle Warnrufe wurden ignoriert", sagte Robbe n-tv.de. Ergebnis seien völlig "veraltete Strukturen" und "antiquierte Führungsmethoden". "Deswegen haben wir es jetzt mit einer eskalierenden Situation zu tun", so der Wehrexperte.

Quelle: ntv.de, ghö/dpa/AFP

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