Bitte keine Sonderrolle Türkei bis 2005 in die EU?
06.12.2002, 00:39 UhrDie Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei könnten am 1. Juli 2005 beginnen. Diesen Termin sieht angeblich ein Vorschlag von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac vor, den sie auf dem EU-Gipfel nächste Woche in Kopenhagen unterbreiten wollen. Bedingung für den Termin: Die Türkei muss bis Mitte 2004 einen Bericht über den Demokratisierungsprozess vorlegen. Falle dieser positiv aus, könnten die Verhandlungen starten.
Die Türkei bekräftigte unterdessen ihre Erwartung, beim in Kopenhagen ein festes Datum für den Beginn von Beitrittsverhandlungen zu bekommen. "Zwischenlösungen und die Suche nach anderen Formeln als einem festen Termin für Verhandlungen würden weit hinter den Erwartungen der Regierung und der Bevölkerung zurückbleiben", erklärte Ministerpräsident Abdullah Gül in Ankara. Damit scheint für die Türkei eine Sonderrolle undenkbar.
Vorrangiges Ziel seiner Regierung sei es, die Türkei zu einem "Land der Freiheiten gemäß den höchsten Standards in der EU" zu machen. Deshalb brauche sich niemand über die Anpassung der Türkei an die Kopenhagener Kriterien Sorgen zu machen, hieß es in der Erklärung. Eine Sonderrolle der Türkei oder eine Zwischlösung für die Türkei empfände man offenbar als Diskriminierung. Der türkische Ministerpräsident verwies auf die eingeleiteten Gesetzesreformen, die unter anderem "Nulltoleranz" im Kampf gegen die Folter sowie eine Liberalisierung der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit zum Inhalt hätten. Die Reformen sollen Anfang kommender Woche noch vor dem EU-Gipfel im türkischen Parlament behandelt werden.
Prodi warnt vor Schnellschüssen
Gegen eine zügige Verfahrensweise hat sich hingegen EU-Kommissionspräsident Romano Prodi ausgesprochen. Vor den Fraktionschefs des Europaparlaments in Brüssel warnte er gestern Nacht davor, der Türkei im EU-Beitrittsprozess eine Sonderrolle zukommen zu lassen. "Bevor wir uns unverrückbar verpflichten, müssen wir sicher sein, dass die Türkei alle Bedingungen vollständig erfüllt, wie wir das schon bei den anderen Kandidaten hatten", sagte Prodi.
Die Türkei habe zwar enorme Fortschritte gemacht, doch es bleibe noch ein Weg zu gehen, so Prodi weiter. Die EU müsse den Reformprozess in der Türkei unterstützen. Die EU-Kommission sehe die Türkei seit 1999 - als dem Land der Kandidatenstatus zugebilligt wurde - als einen Anwärter, der die gleichen Kriterien wie alle anderen erfüllen müsse.
Auch Union uneinig
Auch innerhalb von CDU/CSU treten Differenzen über einen EU-Beitritt der Türkei zu Tage. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Volker Rühe (CDU), grenzte sich vom klaren Nein seiner Partei- und Fraktionsführung ab. Die Möglichkeit einer Mitgliedschaft müsse man offenhalten, sagte er der "Berliner Zeitung". Zudem solle das Land durch eine privilegierte Partnerschaft an die EU gebunden werden.
Quelle: ntv.de