Politik

"Kontraproduktiv, kindisch" Türken machen nicht mit

Die Bundesregierung hat Änderungen an den neuen Bestimmungen für den Ehegattennachzug im geänderten Zuwanderungsrecht ausgeschlossen. Das Gesetz sei nach reiflicher Beratung und unter breiter Beteiligung vieler Experten und Verbände von Bundestag und Bundesrat gebilligt worden, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm in Berlin. "Daran wird nichts geändert werden."

Wilhelm reagierte damit auf die Ankündigung mehrerer türkischer Verbände, dem zweiten Integrationsgipfel bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an diesem Donnerstag fernzubleiben, sollte sich die Regierung nicht zu Änderungen am Zuwanderungsrecht bereit erklären. Er betonte, die Tür stehe seitens der Regierung weiter offen, und verwies darauf, dass die große Mehrzahl der eingeladenen Gäste zu dem Treffen komme.

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinden, Kenan Kolat, hatte zuvor in dem Medien bekräftigt, dass man dem Treffen fernbleiben wolle. "Die vier Organisationen (Föderation Türkischer Elternvereine in Deutschland, Türkisch-Deutsche Gesundheitsstiftung, Türkische Gemeinde in Deutschland, Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion DITIB) werden nicht teilnehmen", sagte er.

Diskriminierendes Zuwanderungsgesetz

Kolat kritisierte das am vergangenen Freitag vom Bundesrat verabschiedete Zuwanderungsgesetz als diskriminierend, da es eine Ungleichbehandlung von Migranten enthalte. So müssten beim Ehegattennachzug einige Nationalitäten Sprachkenntnisse nachweisen, andere nicht. Erneut schloss er eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht nicht aus. Mit den verschärften Regeln für den Ehegattennachzug soll Zwangshochzeiten vorgebeugt werden. "Natürlich respektieren wir Entscheidungen des Deutschen Bundestages und des Bundesrates. Aber trotzdem hilft es nicht der Integration", so Kolat.

Ganz ähnlich äußerte sich die Vize-Fraktionschefin der Linken, Petra Pau. Wider besseres Wissen und gegen den Rat fast aller Experten habe der Bundestag die Verschärfung des Zuwanderungsrechts durchgesetzt, sagte sie bei n-tv. Bestimmte Migranten-Gruppen würden dadurch "besonders diskriminiert". "Will die türkische Ehefrau zu ihrem Ehemann nach Deutschland nachziehen, muss sie erst einen Deutschtest bestehen. Möchte die Ehefrau von den Philippinen oder aus den USA zu ihrem Mann nach Deutschland nachziehen, muss sie einen solchen Test nicht bestehen. Das ist ganz klar diskriminierend und integrationsfeindlich", sagte Pau.

Die in der Türkei geborene Frauenrechtlerin Seyran Ates bezeichnete die Boykottdrohung als "abstrakten Unsinn", kontraproduktiv und kindisch.

Migranten unternehmen zu wenig

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) zeigte sich erstaunt, "wie schnell manche Funktionäre von türkischen Verbänden das Wort Diskriminierung im Munde führen". Er warf ihnen vor, zu wenig zu tun, um die Integrationsprobleme der nachziehenden Ehefrauen zu lösen. Kauder forderte die Migranten auf, die Probleme selbst in die Hand zu nehmen, statt auf staatliche Hilfe zu warten. Alle Hilfe etwa durch Sprachförderung nütze nichts, wenn die Kinder nicht erleben, dass zu Hause deutsche Bücher im Regal stehen oder wenn nur ausländische Fernsehkanäle Zugang zum heimischen Wohnzimmer fänden.

Bilanz nach einem Jahr

Beim zweiten Integrationsgipfel soll eine Bilanz des vor einem Jahr begonnenen Dialogs gezogen und ein Nationaler Integrationsplan vorgelegt werden. Selbstverpflichtungen sollen die Integration der Millionen Zuwanderer voranbringen. Türken stellen mit gut einem Viertel die größte Gruppe unter den 6,7 Millionen Ausländern in Deutschland. Hinzu kommen noch hunderttausende Eingebürgerte.

Beitrag des Bundes beschlossen

Das Kabinett beschloss derweil den Beitrag des Bundes zum Nationalen Integrationsplan. Im Zentrum stehen 150 konkrete Maßnahmen und Selbstverpflichtungen, wie die Migrationsbeauftragte der Regierung, Maria Böhmer (CDU), in Berlin mitteilte. Dabei geht es unter anderem um eine Aufstockung der Integrationskurse und bessere Ausbildungschancen für Jugendliche aus Zuwandererfamilien. "Der Bund trägt damit entscheidend zur Verbesserung der Integration der 15 Millionen Menschen aus Zuwandererfamilien in unserem Land bei", erklärte Böhmer. Merkel will den Plan beim Integrationsgipfel an diesem Donnerstag vorstellen.

Konkrete Hilfe

Bei den Integrationskursen soll die Stundenzahl laut Kabinettsbeschluss von 600 auf 900 Stunden aufgestockt werden. Für Analphabeten, Jugendliche und Mütter soll es spezielle Angebote geben, zudem werden Kursträger verpflichtet, Kinderbetreuung anzubieten. Böhmer will im im Laufe des Jahres ein bundesweites Netzwerk für Bildungspaten ins Leben rufen, um Kinder und Jugendliche aus Zuwandererfamilien in Schule und Ausbildung zu unterstützen. Diese sollen zudem einfacher Zugang zu Ausbildungsbeihilfen und Bafög bekommen. Darüber hinaus will die Regierung bis 2010 gemeinsam mit Wirtschaftsverbänden für 10 000 zusätzliche Ausbildungsplätze in Unternehmen mit Inhabern ausländischer Herkunft sorgen.

Quelle: ntv.de

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