Politik

Wütende Proteste nach Mord an Oppositionellem Tunesien steht vor einer Zerreißprobe

Die Proteste richten sich gegen die islamistische Ennahda-Partei.

Die Proteste richten sich gegen die islamistische Ennahda-Partei.

(Foto: dpa)

Innerhalb eines halben Jahres werden in Tunesien zwei wichtige Oppositionspolitiker ermordet. Wie zuvor Chokri Belaid wird nun auch Mohamed Brahmi auf offener Straße erschossen. Tausende Menschen protestieren gegen die Islamisten und rufen zum Generalstreik auf. Alle Flüge von und nach Tunesien werden gestrichen.

Nach dem Mord an einem tunesischen Oppositionspolitiker haben Tausende Menschen gegen die regierenden Islamisten demonstriert. Die größte tunesische Gewerkschaftsbund UGTT sprach von einem "abscheulichen Verbrechen". Die Organisation, die nach eigenen Angaben eine halbe Million Mitglieder hat, rief zu einem landesweiten Generalstreik "gegen den Terrorismus, die Gewalt und die Morde" auf.

Brahmi war ein herausragender Vertreter der linksgerichteten Volksbewegung.

Brahmi war ein herausragender Vertreter der linksgerichteten Volksbewegung.

(Foto: dpa)

Die Nachrichtenagentur Reuters meldete, dass am Freitag keine Maschinen von und nach Tunesien fliegen würden. Dies hätte die Flugbehörde in der Hauptstadt Tunis mitgeteilt. Die Flughafenarbeiter hätten sich dem Aufruf zum Generalstreik angeschlossen, hieß es. Auch die Fluggesellschaft Tunisair und ihre Tochter Tunisair Express sagten alle geplanten Flüge ab.

Die tunesische Präsidentschaft rief einen nationalen Trauertag aus. Anlässlich der Beisetzung des linken Abgeordneten sollten die Flaggen auf Halbmast gesetzt werden, erklärte das Büro von Staatspräsident Moncef Marzouki. Er sagte in einer Rede an das Volk, die Täter wollten den Arabischen Frühling diskreditieren.

Der 58-jährige Mohamed Brahmi war am Donnerstag auf offener Straße von Unbekannten erschossen worden. Er wollte gerade sein Haus in der Nähe von Tunis verlassen, teilte das Innenministerium mit. "Er wurde vor seiner Frau und seinen Kindern von Kugeln durchsiebt", sagte Mohsen Nabti vom Politbüro der linksgerichteten Volksbewegung, der Brahmi angehörte.

Brahmis Familie machte die regierende Islamisten-Partei Ennahda für die Bluttat verantwortlich. "Ich klage die Ennahda an, sie haben ihn umgebracht!", sagte Brahmis Schwester Chhiba unter Tränen. "Genug, genug, wir können mit den Bärtigen nicht mehr leben!" Brahmi war ein bekannter Kritiker der Ennahda-Partei und ein Mitglied der verfassungsgebenden Versammlung, die ein Grundgesetz für das Mittelmeerland ausarbeiten soll. Der Vorsitzende des Gremiums erklärte den Freitag zu einem Trauertag.

Der Parlamentsabgeordnete vertrat den Wahlkreis Sidi Bouzid, von dem der Aufstand ausging, durch den 2011 der langjährige Staatschef Zine al-Abidine Ben Ali gestürzt wurde. Vom Amt des Generalsekretärs der Volksbewegung war Brahmi am 7. Juli mit der Begründung zurückgetreten, die Partei werde von Islamisten unterwandert.

Islamisten-Hauütquartier angezündet

In Brahmis Geburtsregion Sidi Bouzid und der Hauptstadt Tunis gab es nach dem Bekanntwerden der Ermordung wütende Proteste. Im zentral gelegenen Menzel Bouzaine zündeten Randalierer das örtliche Hauptquartier der Ennahda-Partei an. In Tunis riefen Demonstranten unter Bezug auf Ennahda-Chef Rached Ghannouchi "Ghannouchi, Mörder!"

Ghannouchi wies die Vorwürfe zurück und bezeichnete die Ermordung Brahmis als "Katastrophe für Tunesien". Die Täter wollten Tunesien in einen "Bürgerkrieg" hineinziehen, erklärte der Ennahda-Chef.

Erst Anfang Februar war der Oppositionelle Chokri Belaid auf ähnliche Weise ermordet worden. Der Anschlag hatte Massenproteste und eine schwere politische Krise in Tunesien ausgelöst. Tunesien war 2011 Ausgangspunkt des arabischen Frühlings, in dessen Verlauf in mehreren arabischen Staaten die langjährigen Staatschefs zu Fall gebracht wurden.

Tat international scharf verurteilt

EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton verurteilte die Tötung aufs Schärfste als "politischen Mord". Sie verlangte von den tunesischen Behörden im Namen der ganzen EU eine "vollständige Aufklärung". Die Verantwortlichen müssten vor Gericht gestellt werden, hieß es in einer Erklärung der Brüsseler Außenbeauftragten.

Ashton kritisierte zugleich, dass die "Mörder" von Chokri Belaids noch immer nicht gefasst seien, obwohl die Tat schon ein halbes Jahr zurückliege. "Diese politischen Morde sind Angriffe von Feinden der Demokratie auf die Republik, auf das tunesische Volk und die Werte der Revolution vom 14. Januar 2011", erklärte Ashton.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief zu Ruhe auf. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass diese abscheuliche Tat den Demokratieprozess in dem Land zum Scheitern bringe, sagte Ban laut einem Sprecher. Bundesaußenminister Guido Westerwelle zeigte sich "entsetzt" über den Anschlag. "Politische Gewaltakte sind in keiner Weise hinnehmbar", erklärte er in Berlin. Frankreichs Staatschef François Hollande verurteilte den Anschlag "auf das Schärfste". EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sprach von einem "abscheulichen Mord".

Quelle: ntv.de, AFP/rts

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