Politik

Blutbesudelte Flaggen Tunesien versinkt im Chaos

Brennende Reifen in den Straßen von Rgeb.

Brennende Reifen in den Straßen von Rgeb.

(Foto: Reuters)

Das als Urlaubsparadies bekannte Tunesien kommt nicht zur Ruhe: Die gewaltsamen Proteste im Lande gehen unvermindert weiter und erreichen die Hauptstadt. Bei den schwersten Unruhen seit den 80er Jahren gab es bereits über 30 Tote.

Die schwersten Unruhen seit Jahrzehnten in Tunesien haben jetzt auch die Hauptstadt Tunis erreicht. Die Polizei feuerte am Stadtrand Warnschüsse in die Luft ab, um Menschen daran zu hindern, Gebäude anzugreifen, wie verschiedene Augenzeugen berichteten. Die Polizei setzte außerdem Tränengas-Granaten ein. Einem Reporter zufolge warfen Hunderte Jugendliche Steine auf Polizisten, zertrümmerten Läden, setzten eine Bank sowie ein Regierungsgebäude in Feuer. Straßen seien mit brennenden Reifen blockiert worden.

Neben Tunis kam es auch in Gassrine 200 Kilometer südwestlich der Hauptstadt zu gewaltsamen Protesten gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Dabei kamen vier Menschen ums Leben. Die Menschenmenge habe die Polizei mit Brandflaschen und Eisenstangen angegriffen, die Beamten hätten in Notwehr Warnschüsse in die Luft abgefeuert. Auf Seiten der Polizei habe es acht Verletzte gegeben, die auch Brandwunden erlitten hätten.

Ben Ali: Proteste vom Ausland gesteuert

Präsident Zine al-Abidine Ben Ali verurteilte die Proteste gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit als Terrorakte. Sie seien aus dem Ausland gesteuert, um Tunesien zu schaden. Gleichwohl kündigte Ben Ali bis Ende 2012 die Schaffung von 300.000 Arbeitsplätzen an. Trotz dieser Zusage kam es nach Berichten von Augenzeugen in zwei weiteren Städten zu neuen Protesten, bei denen die Polizei Tränengas einsetzte. Wegen der Unruhen sind Schulen und Universitäten bis auf weiteres geschlossen. Die Vereinten Nationen, die EU und die frühere Kolonialmacht Frankreich bedauerten die Zusammenstöße und riefen zu Ruhe und Zurückhaltung auf.

Seit dem Wochenende kamen weit über 30 Menschen ums Leben. Viele von ihnen wurden von Sicherheitskräften erschossen. Die Menschenrechtsorganisation FIDH bezifferte die Zahl der Toten auf mindestens 35. Vermutlich seien es aber deutlich mehr.

"Feuer auf Unschuldige"

Bei den blutigen Auseinandersetzungen starben bereits Dutzende Menschen.

Bei den blutigen Auseinandersetzungen starben bereits Dutzende Menschen.

(Foto: Reuters)

Über Mobiltelefone oder Netzwerke wie Facebook werden Demonstrationen verabredet und Beweise für Polizeigewalt immer weiter verbreitet. Etwa jeder fünfte Tunesier soll bei Facebook angemeldet sein. "Ich habe aus verschiedenen Quellen gehört, dass die Polizei das Feuer auf unschuldige Leute eröffnet hat", berichtet beispielsweise der 22 Jahre alte Student Ahmed. "Das ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit." Etliche junge Tunesier haben bei Facebook blutbesudelte tunesische Flaggen oder schwarze Trauerbänder zu ihrem Profilbild gemacht.

Als Ursache der schlimmsten Aufstände seit Mitte der 80er Jahre gilt die Perspektivlosigkeit gerade der jungen Menschen sowie die hohe Arbeitslosigkeit. Vor allem Hochschulabsolventen haben es nach der Ausbildung schwer, einen Job zu finden.

Rund 100 Zeitungsjournalisten warfen der Regierung unterdessen vor, Nachrichten zu unterdrücken. Die Berichterstatter zeigten Bilder von Toten und riefen bei einer Protestkundgebung "Freiheit für Tunesiens Presse". Die Proteste sind ungewöhnlich, weil die tunesischen Journalisten normalerweise als regierungsfreundlich gelten. "Wir dürfen nicht länger Lautsprecher der Regierungspropaganda sein, sondern müssen uns unsere Freiheit zurückerobern", rief ein früherer Chef der Journalistengewerkschaft seinen Kollegen zu.

Quelle: ntv.de, rts/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen