Massaker in der Elfenbeinküste UNO beschuldigt Ouattara
02.04.2011, 19:00 Uhr
Die Truppen Ouattaras beherrschen fast das gesamte Gebiet der Elfenbeinküste.
(Foto: REUTERS)
Nach der Entdeckung von Massengräbern in der Elfenbeinküste mit Hunderten Toten beschuldigt die UNO Truppen des anerkannten Präsidenten Ouattaras, die Massaker begangen zu haben. Die Regierung weist die Vorwürfe zurück. Derweil gehen die Kämpfe um die Metropole Abidjan weiter. Mehr als Tausend Ausländer fliehen vor Plünderungen.
Die UNO hat die Truppen des international anerkannten Präsidenten der Elfenbeinküste, Alassane Ouattara, für zahlreiche Tote im Westen des Landes verantwortlich gemacht. Von 330 Menschen, die Anfang der Woche in der Stadt Duékoué umgekommen seien, sei "der Großteil" durch Ouattara-Truppen getötet worden, teilte die UN-Mission in der Elfenbeinküste (ONUCI) unter Berufung auf eine vorläufige Untersuchung mit. Mehr als 100 Menschen seien durch Söldner der Truppen des langjährigen Staatschefs Laurent Gbagbo getötet worden, bevor Duékoué an die Ouattara-Anhänger gefallen sei. Unterdessen gingen die Kämpfe um die Wirtschaftsmetropole Abidjan weiter.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hatte in Genf mitgeteilt, dass in Duékoué am Dienstag mindestens 800 Menschen getötet worden seien. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich bewaffnete Anhänger beider Lager heftige Kämpfe um die Stadt geliefert. Eine IKRK-Sprecherin sagte, die Informationen über die Opfer seien von Mitarbeitern der Organisation zusammengetragen worden. IRK-Chefin Dominique Liengme sagte, "Ausmaß und Brutalität sind schockierend".
Die Ouattara-Regierung gab daraufhin ebenfalls den Fund "zahlreicher Massengräber" in der Region bekannt, machte aber "die Söldner und Milizen" Gbagbos für die Toten verantwortlich. Die Massengräber seien in den Orten Toulepleu, Blolequin und Guiglo im Westen des Landes gefunden worden, hieß es von der Regierung. Ouattara ließ zugleich Anschuldigungen der UNO zurückweisen, nach denen seine Truppen ebenfalls schwere Menschenrechtsverletzungen begangen haben sollen.
Vergeltungsmaßnahmen vermeiden
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) erklärte, dass im Machtkampf um das Präsidentenamt in dem Land zwar die meisten Verbrechen von Gbagbo-Truppen gegen Ouattara-Anhänger begangen worden seien, sie rief zugleich aber die Ouattara-Anhänger auf, Vergeltungsmaßnahmen zu vermeiden. Der internationale Druck auf Gbagbo, zurückzutreten, zeigte bisher keine Wirkung. Nach der EU und den USA forderte am Freitag auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon den abgewählten Präsidenten auf, die Macht an seinen gewählten Nachfolger abzugeben. Beide Konfliktparteien sollten Zurückhaltung üben, verlangte Ban in einer in New York veröffentlichten Erklärung. Gbagbo will nach den Worten seines Vertrauten Alain Toussaint aber "lieber sterben als aufgeben". Dies sagte er dem französischen Fernsehsender "I-Télé". Unklar ist der genaue Aufenthaltsort Gbagbos.
Der französische Präsident Nicolas Sarkozy telefonierte am Freitagabend mit Ouattara. Sarkozy habe betont, dass die Verantwortlichen für Gewaltakte zur Rechenschaft gezogen würden, so das Präsidentenamt in Paris. Es sei Zeit, dass sich das Volk der Elfenbeinküste "um seinen gewählten Präsidenten schart und eine neue Seite von Frieden, Versöhnung und Entwicklung" aufschlage.
Nach einer Offensive vor knapp einer Woche kontrollieren die Ouattara-Truppen inzwischen den Großteil der Elfenbeinküste. Am Freitag hatten die Truppen eine Offensive im Regierungssitz Abidjan gestartet, um den Präsidentenpalast und die Residenz Gbagbos einzunehmen, der sich seit der Präsidentschaftswahl im November weigert, die Macht abzugeben. Auch am Wochenende kam es zu Kämpfen in der Millionenstadt. Rund um die letzten Gbagbo-Bastionen und dem Sitz des Staatsfernsehens waren Schüsse zu hören, wie Anwohner berichteten. Ein Mitarbeiter der Organisation Ärzte ohne Grenzen sagte dem Sender CNN, in der Stadt werde geplündert und gebrandschatzt.
Ausländer fliehen in Militärbasis
Am Freitag hatte die Regierung Gbagbos erklärt, eine Offensive der Gegner auf ihre letzten Standorte abgewehrt zu haben. Der Sprecher von Ouattaras Verteidigungsministerium, Léon Kouakou Alla, sagte allerdings, dass die Offensive noch nicht begonnen habe. In den vergangenen Tagen hatten die Streitkräfte der Elfenbeinküste ihre bisherige Loyalität zu Gbagbo aufgegeben. Ein namentlich nicht genannter Offizier sagte in Abidjan: "Die Polizei und etwa 50.000 Soldaten haben ihre Posten aufgegeben. Für Gbagbo kämpfen nur noch etwa 2000 Mann aus Republikanischer Garde und bewaffneten Studenten".
Unterdessen versammelten sich etwa 1400 ausländische Staatsbürger, davon ein Drittel Franzosen, unter dem Schutz der französischen "Licorne"-Truppen in einem Militärcamp in Abidjan, wie der Generalstab in Paris mitteilte. Die Ausländer wollten sich vor Plünderungen in Sicherheit bringen. Frankreich hatte die Zahl der Soldaten der seit 2002 in dem Land stationierten Mission "Licorne" am Freitag um etwa 150 Mann auf 1050 bis 1100 Soldaten aufgestockt.
Seit Beginn des Machtkampfes vor vier Monaten kamen in der Elfenbeinküste mehrere hundert Menschen ums Leben, zugleich geht die UNO davon aus, dass in den vergangenen Wochen eine Million Menschen Abidjan aus Angst vor einem Blutbad verlassen hat.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP