Vor der Kirche US-Abtreibungsarzt ermordet
01.06.2009, 10:51 UhrBeim Kirchgang in seiner Gemeinde Wichita wird der Abtreibungsarzt George Tiller erschossen. Präsident Obama verurteilt die Tat als ein "abscheuliches" Verbrechen.

"Dr. Tillers Mörder ist ein terroristischer, heuchelrischer Feigling": Protest in Wichita.
(Foto: AP)
In den USA ist der umstrittene Abtreibungsarzt George Tiller einem Mordanschlag zum Opfer gefallen. Nach Behördenangaben wurde der 67 Jahre alte Tiller auf dem Weg zum Gottesdienst in der Eingangshalle der Lutheranischen Kirche seines Heimatorts Wichita im US-Bundesstaat Kansas erschossen. Der mutmaßliche Täter flüchtete zunächst in einem blauen Ford; der 51-Jährige wurde aber drei Stunden später gefasst. "Wir glauben, dass wir den Richtigen festgenommen haben", zitierte der Nachrichtensender CNN den Polizeibeamten Tom Stoltz.
Obama: "Abscheuliches Verbrechen"
US-Präsident Barack Obama verurteilte die Tat als ein "abscheuliches" Verbrechen. "Ganz gleich wie groß die Differenzen der Amerikaner bei so schwierigen Themen wie Abtreibungen sein mögen, sie können nicht durch abscheuliche Gewalttaten gelöst werden", hieß es in einer vom Weißen Haus in Washington veröffentlichten Erklärung.
Tillers Familie erklärte nach dem Anschlag, der Arzt habe "sein Leben dem Ziel gewidmet, Frauen trotz ständiger Drohungen und Gewalt eine hochwertige Gesundheitsversorgung zu gewähren". "Wir möchten, dass er als guter Ehemann, Vater und Großvater sowie als leidenschaftlicher Diener der Frauenrechte überall in Erinnerung bleibt", zitierte der Fernsehsender KWCH TV aus der Erklärung.
Die Anti-Abtreibungsgruppe Operation Rescue (Operation Rettung), die auf ihrer Webseite in einer Rubrik namens "Tiller Watch" zum Vorgehen gegen den Mediziner aufrief, distanzierte sich in einer Erklärung von der Tat und von "Selbstjustiz". Doch der Gründer der Gruppe, Randall Terry, der inzwischen nichts mehr mit ihr zu tun hat, beharrte darauf, dass der Arzt ein "Massenmörder" gewesen sei.
Seit Jahren unter Polizeischutz
Tiller war einer der wenigen Ärzte in den USA, die noch Spätabtreibungen vornehmen. Der 67-Jährige und seine Klinik waren wiederholt Zielscheibe militanter Abtreibungsgegner. 1986 wurde seine Klinik bei einem Bombenanschlag schwer beschädigt. Sieben Jahre später schoss eine Frau in seiner Klinik auf ihn; er überlebte mit Schusswunden in beiden Armen. Die Attentäterin erhielt elf Jahre Gefängnis. Immer wieder hielten Abtreibungsgegner vor seiner Klinik in Wichita Kundgebungen ab.
Im März wurde Tiller von dem Vorwurf freigesprochen, 2003 insgesamt 19 illegale Abtreibungen vorgenommen zu haben. Spätabtreibungen sind in Kansas zugelassen, wenn zwei Ärzte unabhängig voneinander zu dem Schluss kommen, dass die Gesundheit der Mutter bei der Geburt schweren Schaden nehmen könnte. Während des Prozesses wurde bekannt, dass er jahrelang unter Polizeischutz gestanden hatte, nachdem sein Name an prominenter Stelle einer Todesliste aufgetaucht war. Der Mediziner soll zuletzt sogar die Bundespolizei FBI um mehr Engagement beim Schutz seiner Klinik gebeten haben, weil er offenbar einen Anstieg der Proteste befürchtete und zunehmend um seine Sicherheit besorgt war.
Die Abtreibungsdebatte wird in den USA seit Jahrzehnten heftig geführt. Obama war vor zwei Wochen von Abtreibungsgegnern kritisiert worden, nachdem er sich in einer Rede für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ausgesprochen hatte, zugleich aber eine Versöhnung der verfeindeten Lager forderte. Die Abtreibungsgegner empören sich zudem über die Ernennung der ehemaligen Gouverneurin von Kansas, Kathleen Sebelius, zur Gesundheitsministerin. Sie war mit dem Abtreibungsarzt Tiller bekannt.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa