Politik

Die neuen Fans der Grizzly-Mutter US-Demokraten setzen auf Palin

Während Sarah Palin in New Hampshire einen Hummer bestaunt, kämpft der Rest ihrer Partei verzweifelt um Aufmerksamkeit.

Während Sarah Palin in New Hampshire einen Hummer bestaunt, kämpft der Rest ihrer Partei verzweifelt um Aufmerksamkeit.

(Foto: REUTERS)

Einer der Top-Strategen der Demokraten, Dean, räumt der Republikanerin Palin offiziell eine echte Chance bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen ein. Ob er das ehrlich meint, ist fraglich. Denn in Wahrheit ist Palin für Obamas Partei vor allem die Wunschgegnerin für einen leichten Wahlkampf.

Eine Anzeige wegen Fahrerflucht liegt gegen Sarah Palin bisher nicht vor. Rein rechtlich könnte sich ihr Opfer Mitt Romney wohl auch nicht wehren. Politisch gesehen aber hat ihm die ehemalige Gouverneurin von Alaska gerade einen gehörigen Blechschaden in den Wahlkampf-Karren gefahren.

Mit diesem Bus tourt Sarah Palin gerade durch die USA - offiziell nicht als Kandidatin im kommenden Wahlkampf.

Mit diesem Bus tourt Sarah Palin gerade durch die USA - offiziell nicht als Kandidatin im kommenden Wahlkampf.

Ausgerechnet am Tag von Romneys großer Pressekonferenz auf einer pittoresken Farm in New Hampshire fiel der Palin-Tross im rund 100 Kilometer entfernten Seabrook zum traditionellen Hummer-Festmahl ein. Ein unglücklicher Zufall, hieß es später aus dem Palin-Lager, und Romney freute sich nur wenig überzeugend über die "Energie und Leidenschaft" seiner Kollegin – aber da war der PR-Schaden bereits unumkehrbar.

Vielleicht war es dieser politisch geschickt inszenierte Auftritt Palins, der den demokratischen Top-Strategen Howard Dean zu einer Warnung seiner Parteigenossen veranlasste. "Ich glaube, sie kann gewinnen", sagte Dean mit Blick auf den Kampf ums Weiße Haus der Zeitung "The Hill". "Als Republikaner wäre sie nicht meine erste Wahl, aber sie könnte gewinnen." Dean hat als einer der wichtigsten Wahlkampforganisatoren der Demokraten eigentlich den Finger am Puls der Partei. Spricht er also aus, was die politische Basis von Präsident Barack Obamas insgeheim fürchtet?

Demokraten loben Palin zur Kandidatur

Viele ihrer Anhänger hoffen auf Palins Kandidatur - viele Demokraten auch.

Viele ihrer Anhänger hoffen auf Palins Kandidatur - viele Demokraten auch.

(Foto: REUTERS)

"Ich halte Deans Kommentar für eine Nebelkerze", meint der Politologe Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim. Tatsächlich sei im Augenblick kaum jemand von einer Kandidatur Palins mehr begeistert als ihre politischen Gegner. Wenn Palin antritt, so die Rechnung der Demokraten, hat Obama seine zweite Amtszeit so gut wie sicher. Deswegen wird sie jetzt von der Gegenseite geradezu zur Kandidatur gelobt.

Denn nach Ansicht vieler Experten habe Palin bis heute ihr ursprüngliches Manko nicht beseitigt. "Man schreibt ihr einfach keine Sachkompetenz zu", so Brettschneider. Zwar könne Palin die Stimmen der neuen amerikanischen Wutbürger von der Tea Party auf sich vereinen, doch auf nationaler Ebene sei das kaum ausreichend. Gerade auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik traue man Obama trotz hoher Arbeitslosenzahlen mehr zu, sagt Brettschneider. Da wäre der erfahrene  Romney ein härterer Gegner, doch so lange ihm Palin mit populistischen Mitteln den Wind aus den Segeln nimmt, müsse der ehemalige Gouverneur des Bundesstaates Massachusetts kämpfen.

Jeder Tag, den Palin als offizielle Kandidatin verbringe, verschärfe den Vorwahlkampf der Republikaner untereinander, so der Politologe. Wie hart es da zugehen kann, musste schon ihr Entdecker von 2008, John McCain, erfahren, der einst vom "Parteifreund" George W. Bush mit einer üblen Schmutzkampagne überzogen wurde. Je früher sich Palin also entscheidet, desto besser für Obama. "Ewig kann sie aber nicht warten: Spätestens nach der politischen Sommerpause muss sie sich erklären", meint Brettschneider.

Die Republikaner kämpfen, der Präsident wartet ab

Mitt Romney tritt bereits zum zweiten Mal an. Der Mormone gilt als Wirtschaftsexperte, doch viele Konservative misstrauen ihm.

Mitt Romney tritt bereits zum zweiten Mal an. Der Mormone gilt als Wirtschaftsexperte, doch viele Konservative misstrauen ihm.

(Foto: REUTERS)

Für Obama heiße es nun einfach abwarten. Laut Brettschneider muss sich das Wahlkampfteam des Präsidenten derzeit auf nur zwei Optionen einstellen: Romney oder Palin, der nur mäßig beliebte Wirtschaftsfachmann oder die kontroverse "Grizzly-Mutter", wie sich Palin nennt. Brettschneider erkennt bisher nur einen kleinen Vorteil bei Palin: "Beim Sammeln von Spenden verfolgt sie die gleiche Strategie wie Obama, also viele Einzelspenden. Und darin ist sie richtig gut."

Allerdings könnte der konservative Durchschnittswähler Obamas Wünschen einen Strich durch die Rechnung machen.  Denn wenn Palin einen Blick auf die aktuellen Umfragen wirft, könnte ihr die Lust an der Kandidatur auch vergehen. Derzeit liegt sie nur im Mittelfeld aller republikanischen Kandidaten. Laut dem angesehenen PEW Research Center würden heute mehr als 60 Prozent aller Amerikaner, die Palin kennen, nicht für sie abstimmen. Mitt Romney lehnen hingegen "nur" rund 44 Prozent ab.

Die Demokraten schreckt das freilich nicht ab. Einige von ihnen rufen sogar schon offen zur Wahlmanipulation auf. Die Gruppe "Primaries for Palin" zum Beispiel ruft Demokraten ganz unverblümt dazu auf, sich bei den parteioffenen Vorwahlen der Republikaner im nächsten Jahr zu beteiligen und für Palin zu stimmen.

Über so viel Anschubhilfe würde sich der vom Palin-Express überrollte Mitt Romney vermutlich gerade sehr freuen.

Quelle: ntv.de

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