Geheimakten nichts Besonderes US-Regierung wiegelt ab
27.07.2010, 22:21 Uhr
Was geht da vor sich? Die Dokumente zeichnen ein düsteres Bild der Lage in Afghanistan und berichten von zahlreichen Geheimoperationen.
(Foto: AP)
Washington wiegelt nach der Veröffentlichung der Militärakten zum Afghanistan-Krieg ab. Kaum Neues böten die Dokumente. Doch das Ausmaß des Lecks zerrt an den Nerven. Derweil suchen die USA mit Nachdruck nach dem Leck, wer WikiLeaks die meist geheimen Akten zugespielt haben könnte. In Deutschland ruft vor allem die Opposion nach Aufklärung.

Barack Obama spricht von "bekannten Problemen". Die Papiere hätten nichts Neues erbracht.
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Nach der aufsehenerregenden Veröffentlichung Zehntausender meist geheimer Militärakten zum Afghanistan-Krieg übt sich die US-Regierung in Schadensbegrenzung. "Die Dokumente offenbaren keine Sachverhalte, die nicht schon Teil der öffentlichen Diskussion über Afghanistan waren", erklärte Präsident Barack Obama in seiner ersten öffentlichen Stellungnahme dazu in Washington. Vielmehr zeigten die Papiere aus den Jahren 2004 bis 2009 bekannte Probleme auf, wegen derer er im vergangenen Jahr die Afghanistan-Strategie der USA ausführlich überarbeitet habe.
Sorge bereitet Washington aber die schiere Materialmenge, die von der Website WikiLeaks ins Internet gestellt wurde. "Neu und beispiellos sind Ausmaß und Umfang dieses Lecks", räumte Pentagon- Sprecher Geoff Morrell ein.
Suche nach dem Leck

Wikileaks-Gründer Julian Assange hat mit Veröffentlichung der Berichte die Debatte über den Afghanistan-Krieg angeheizt.
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Nach der Veröffentlichung zehntausender Geheimdokumente zum Afghanistan-Einsatz hat die US-Armee strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Die Untersuchung sei der Kriminaldivision der Landstreitkräfte übertragen worden, teilte das Pentagon in Washington mit. Diese hatte bereits Ermittlungen gegen den US-Soldaten Bradley Manning geführt, der im Mai verhaftet wurde. Er wird beschuldigt, der Website WikiLeaks ein Video aus einem Armee-Hubschrauber weitergegeben zu haben, von dem aus 2007 in Bagdad mehrere Zivilisten, darunter zwei Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters, beschossen und getötet worden waren.
Der in Kuwait inhaftierte Manning sei auch bei der Weitergabe der Geheimdokumente zum Afghanistan-Einsatz eine "Schlüsselfigur", sagte Pentagon-Sprecher Geoff Morrell im Fernsehsender MSNBC. Noch sei aber nicht klar, "auf welche Weise". Nähere Details wollte Morrell nicht nennen. Ein anderer Pentagon-Sprecher, Dave Lapan, betonte, die Ermittlungen konzentrierten sich "nicht auf ein bestimmtes Individuum". Sie deckten ein "weiteres Spektrum" ab.
Opposition will die Wahrheit erfahren
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele hat unterdessen mehr Aufklärung von der Bundesregierung verlangt. Er wolle "die Wahrheit über das lesen, was die Bundeswehr konkret in Afghanistan treibt", sagte Ströbele der "Neuen Presse". Er bemühe sich bereits seit einem halben Jahr zu erfahren, welche geheimen Kommandoaktionen von der Bundeswehr unterstützt würden. "Und vor allem, was die Operationstruppe TF 47 der Bundeswehr dort macht." Dies sei eine geheim arbeitende Eliteeinheit.
Einsatz im Bundeswehrgebiet
Die Veröffentlichung von tausenden überwiegend geheimen US-Militärdokumenten hat in Deutschland die Debatte über den Einsatz von Spezialkräften wieder angeheizt. Die Protokolle enthalten Informationen über den Einsatz der US-Spezialeinheit "Task Force 373", die auch im Zuständigkeitsbereich der Bundeswehr in Nordafghanistan stationiert ist und der auch die gezielte Tötung im Einzelfall erlaubt sein soll.
Ströbele begrüßte die Veröffentlichung der militärischen Geheimdokumente auf der Internetseite Wikileaks. "Es wird rund um den Krieg in Afghanistan viel zu viel nicht nur geheim gehalten, sondern auch gelogen. Die Wahrheit bleibt wieder einmal auf der Strecke", beklagte er.
Guttenberg: "Nicht überraschend"

Im Wesentlichen nichts Neues? Guttenberg ist nicht überrascht von den Berichten, will aber Konsequenzen ziehen.
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Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat die Bedeutung der US-Dokumente ebenso wie Obama relativiert. Viele Dinge, die aus den Dokumenten bisher bekannt geworden seien, seien "nicht gänzlich überraschend", sagte Guttenberg im ZDF. Allerdings müsse jetzt zunächst der Inhalt aller rund 92.000 Unterlagen gesichtet werden. Geprüft werde dabei auch, ob deutsche Sicherheitsinteressen betroffen seien.
Zu Berichten über die US-Spezialeinheit Task Force 373 sagte Guttenberg, die Existenz dieser Einheit sei "jedem Informierten" und auch Fachjournalisten über Jahre hinweg bekannt gewesen. Deutsche Spezialkräfte seien aber nur an Festnahmen beteiligt. Die Praxis der gezielten Tötungen bezeichnete er dagegen als "Überspitzung". Er betonte, dass die Bundesregierung all ihr Wissen darüber auch an die Oppositionsparteien im Bundestag weitergebe. Die Unterrichtungen der Obleute sei aber aufgrund von Sicherheitserwägungen geheim.
Guttenberg forderte eine klare Rechtsgrundlage für den Einsatz von Spezialkräften in Afghanistan. "Die haben wir derzeit international abgestimmt zu meiner Zufriedenheit noch nicht", sagte der CSU-Politiker.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts