Eine Familienangelegenheit Die "Herz-Attacke" der First Lady
05.09.2012, 05:41 Uhr
First Lady Michelle im Rampenlicht für ihren Ehemann.
(Foto: dpa)
Michelle Obama will Ehemann Barack helfen, im November sein Amt zu verteidigen. Sie rührt an die amerikanische Seele, bedient Bilder von Familie und der Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Philosophie, die ihre Landsleute so lieben. Es ist der erste emotionale Höhepunkt des Parteitags. Doch nicht alle gehen in Charlotte so sanftmütig zu Werke.
Am späten Abend spielte beim Demokraten-Parteitag in Charlotte dann auch noch der watteweiche Stevie Wonder seine Rolle. Zu den Klängen des Soul-Klassikers "Signed, Sealed, Delivered" trat First Lady Michelle Obama an, um den US-Bürgern zu erklären, warum sie im November wieder ihren Mann Barack zum Präsidenten der USA wählen sollen. Um ihre Landsleute zu überzeugen, wählte die im Volk beliebte 48-Jährige emotionale Worte. Barack verdiene eine Wiederwahl, denn: "Soziale Probleme zu lösen sind für ihn keine Politik, sondern er nimmt das persönlich." Obama erinnerte an die eigene Familiengeschichte: Ihr Mann wisse, was es heißt, "wenn eine Familie kämpfen muss".
Mit einem starken Akzent auf die Sozialpolitik ihres Mannes grenzte Michelle Obama die Kampagne der Demokraten deutlich gegen die Republikaner ab, ohne Mitt Romney und dessen Herkunft mit einem Wort zu erwähnen. Sie bezog sich auf das einfache Vorleben ihres Mannes, auf den weiten Weg, den er habe gehen müssen, um Präsident zu werden. "Er lebt den amerikanischen Traum." Und deshalb wolle er, dass andere Menschen in den USA dieselben Chancen bekämen wie er selbst.
Viele Kritiker von Mitt Romney werfen dem Republikaner vor, aufgrund seines Reichtums von den Problemen normaler Menschen nichts zu verstehen. Im Gegensatz zu den Obamas, wie Michelle andeutete: "Barack und ich wuchsen in Familien auf, die nicht viel Geld und materiellen Besitz hatten", sagte sie. "Aber sie haben uns etwas viel Wertvolleres mitgegeben - ihre bedingungslose Liebe, ihre unbeirrbare Opferbereitschaft und die Chance, etwas zu erreichen, was sie für sich selbst nie hätten vorstellen können."
Andere Demokraten ziehen ordentlich vom Leder
Ansonsten gibt sich Michelle Obama sanftmütig. Immer und immer wieder streicht sie die Liebe heraus, die sie mit ihrem Mann verbinde, erzählt von Familienzusammenhalt und der gemeinsamen Sorge um die beiden Töchter. Heftige Attacken gegen Republikaner oder Romney vermeidet sie. Vielmehr ist sie an diesem Abend fürs Herz zuständig. Sie betont die Werte, die ihren Mann leiten: Familie, Bescheidenheit, Fleiß und Ehrlichkeit. Gute, amerikanische Werte, die Werte der "greatest nation on earth", wie Michelle Obama ausführt. Die Parteigänger in der Halle bedenken sie immer wieder mit frenetischem Applaus. Vereinzelt sind wieder die "Yes, we can"-Rufe von 2008 zu hören.
So friedfertig verlief jedoch nicht der ganze Abend in Charlotte. Michelle Obamas Rede gingen Beiträge mehrerer demokratischer Anhänger und Politiker voraus, die die Stimmung in der Halle anheizten. Einer von ihnen, der Ex-Gouverneur von Ohio, Ted Strickland, attackierte Obamas Kontrahenten Romney besonders scharf. Dabei spielte er auf Romney unternehmerische Vergangenheit beim Finanzinvestor Bain Capital an und Vorwürfe, Romney habe sich auf Kosten von Arbeitsplätzen bereichert. "Wäre Romney der Weihnachtsmann, dann würde er die Rentiere feuern und die Elfen outsourcen", polemisierte Strickland unter tosendem Applaus.
Zudem warf Strickland Romney vor, sein "wirtschaftlicher Patriotismus" sei so klein, "dass sein Geld einen Pass braucht. Es verbringt den Sommer an den Stränden der Cayman Islands und überwintert an den Hängen der Schweizer Alpen". Er schloss mit einem Bibelzitat aus dem Matthäus-Evangelium: "Wo eure Schätze sind, da wird auch euer Herz sein."
Carter darf nur kurz reden
Mit einem Video ehrten die Demokraten zuvor eine ihrer Parteiikonen, den ehemaligen Senator Edward "Ted" Kennedy. Kennedy starb 2009. Der Film, mit heroischer Musik unterlegt, erinnerte an die Verdienste des Demokraten und schlug eine Brücke zur aktuellen Kampagne von Obama. Kennedy war zeitlebens ein Verfechter einer Krankenversicherung, ein Projekt, das Obama in seiner ersten Amtszeit umgesetzt hat und ihm viel Kritik vom politischen einbrachte. Ob es Obama gelingt, die Deutungshoheit über das als "Obamacare" von den Republikanern verschriene Gesetzeswerk wiederzugewinnen, wird einer der ausschlaggebenden Punkte bei der Wahl im November sein.

Der junge Mitt Romney im Duell mit Ted Kennedy in Massachusetts: Am Ende lachte nur noch einer.
(Foto: REUTERS)
So räumten die Parteistrategen in der filmischen Hommage an Ted Kennedy Ausschnitten, in denen der charismatische Politiker die Vorzüge der Gesundheitsreform anpreist, viel Raum ein. Und in noch einem Punkt ist die Ehrung Kennedys ein geschickter Schachzug: Dem Spross der einflussreichen Familie, der auch Ex-Präsident John F. Kennedy angehörte, ist es 1994 gelungen, Obama-Herausforderer Mitt Romney im Kampf um den Senatorenposten von Massachusetts eine empfindliche Niederlage zuzufügen. Damals errang Kennedy 58 Prozent der Stimmen, Romney nur 41. Genüsslich zelebrieren die Demokraten in dem Video Auszüge einer TV-Debatte zwischen den beiden Anwärtern, in denen der Republikaner ziemlich schlecht wegkommt.
Etwas weniger Aufmerksamkeit lenkten die Demokraten auf die Worte eines anderen berühmten Haudegens: denen von Ex-Präsident Jimmy Carter. Er wurde per Video in die Halle geschaltet, kam aber nur zu einem kurzen Auftritt. Dass er Obama wählen werde, darf er wenig überraschend verkünden. Ansonsten gerät das Plädoyer des 87-Jährigen für Obama reichlich kurz. Zudem terminierten die Demokraten seine Grußworte mit 19.30 Uhr Ortszeit sehr früh. In der Halle waren bei Weitem noch nicht alle Sitze besetzt. Fast scheint es, die Partei schäme sich ein wenig für den fast 88-jährigen Vorgänger Obamas.
Castro will in Obamas Fußstapfen treten
Und tatsächlich: Romneys Pressesprecher, von denen rund 70 vor Ort versuchen, Obamas Kür schlecht zu machen, erkannten prompt die Schwachstelle in der Parteitagsdramaturgie. Seit Monaten versuchen sie Parallelen zwischen Obama und Carter herauszustreichen, Letzterem wird eine eher schwache Amtsführung nachgesagt. Er musste 1981 nach nur einer Amtszeit an Republikaner-Ikone Ronald Reagan übergeben. Das Romney-Lager kommentierte Carters Auftritt süffisant: Obama habe mit Carter genau den Richtigen als Redner für den ersten Tag des Treffens gewählt. "Von einer stagnierenden Arbeitslosenquote bis zu einem gebrochenen Versprechen, das Staatsdefizit zu senken, hinterließen beide Präsidenten das Land in einem schlechteren Zustand als bei ihrem Amtsantritt."
Einen Blick in die mögliche Zukunft der Demokraten erlaubte der Auftritt des 37-jährigen Julián Castro, der kurz vor Michelle Obama auf das Podium stieg. Der Bürgermeister von San Antonio durfte als erster Latino in der Geschichte der demokratischen Parteitage die Eröffnungsrede halten. Eine große Ehre für den Texaner und womöglich ein Zeichen. Als 2004 John Kerry zum US-Präsidentschaftskandidaten der Demokraten gekürt wurde, riss ein anderer junger Politiker die Anhänger mit. Er war der erste Afroamerikaner, dem diese Aufgabe zukam. Vier Jahre später zog dieser Mann ins Weiße Haus ein. Sein Name: Barack Obama.
Quelle: ntv.de