Zweite TV-Debatte Kandidaten zu Besuch beim Volk
16.10.2012, 14:46 Uhr
Herausforderer Romney, Amtsinhaber Obama
(Foto: picture alliance / dpa)
Bürgerversammlung statt Rednerpult: Beim "Town Hall Meeting" sollen sich Obama und Romney in der zweiten TV-Debatte direkt mit Bürgern unterhalten. Ein sehr viel offeneres Format, das die beiden Kampagnen dennoch bis ins letzte Detail geplant haben. Für Obama ist es die Chance, verlorenen Boden wieder gut zu machen.
"What a diff'rence a day makes", heißt es in einem amerikanischen Evergreen aus den 30er Jahren. Die ganze Welt kann sich in nur 24 Stunden verändern, so die Botschaft des Songs, und Barack Obama hätte nach der ersten TV-Debatte des Wahlkampfes seine ganz eigen Version anbieten können: "What a diff'rence a debate makes".
n-tv.de überträgt die Debatte am Mittwochmorgen zwischen 03.00 und 04.30 Uhr MESZ live und mit deutscher Übersetzung.
Aus einem sicheren Vorsprung des Amtsinhabers ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen geworden. Mitt Romney reichte ein starker Debattenauftritt, um seiner fast schon abgeschriebenen Kampagne neues Leben einzuhauchen. Laut Umfragen von Gallup liegt er bei wahrscheinlichen Wählern nun sogar knapp vor Obama, bei bereits registrierten Wählern nur noch knapp hinter ihm. Auch in den alles entscheidenden "Swing States" bleibt es eng. Zuletzt übernahm Romney in Florida die Führung. Der Sonnenschein-Staat gilt als ein Pflichtsieg für den Ex-Gouverneur, wenn er am 6. November die Wahl gewinnen will.
Obama gibt sich optimistisch
Obama steht also unter Druck - und er weiß es. Vor allem die eigenen Anhänger waren zum Teil entsetzt, mit wie wenig Kampfgeist ihr Champion zu Werke ging. Entsprechend bemüht ist sein Team, im Vorfeld des Rückkampfes möglichst viel Optimismus zu verbreiten. "Großartig" sei die Vorbereitung gelaufen, rief Obama Reportern in Virginia zu, wo er sich auf das zweite Rededuell vorbereitet hat. Vor zwei Wochen klang das noch ganz anders, da lautete die Antwort auf dieselbe Frage: "schleppend".
Genau so sah er dann auch aus: Blick nach unten gerichtet, mechanisch antwortend, ohne die Leidenschaft, von der sein Gegenüber offenbar mehr als genug mitgebracht hatte. "Der Präsident ist sein eigener härtester Kritiker", sagte ein Kampagnen-Sprecher am vergangenen Sonntag. "Er weiß, dass Mitt Romney einen besseren Tag hatte bei der ersten Debatte." Der frühere Debattentrainer Brett O'Donnell geht sogar noch weiter. "Ich glaube nicht, dass es in der Geschichte der Präsidentschaftsdebatten jemals eine so große Trendwende nach der ersten Debatte gegeben hat."
Bonus für Coolness
Beruhigende Worte für alle, die schon einen Mangel an Dramatik im Wahl-Endspurt befürchtet hatten: Dieser Kampf ist noch lange nicht entschieden. In der zweiten Runde wird sich der Ring nun deutlich verändern - und Obama könnte davon mehr profitieren als Romney.
Statt hinter Rednerpulten werden sich die Kontrahenten in einer sogenannten "Town Hall Debate" gegenüberstehen. Die Fragen stellt ein vom Umfrageinstitut Gallup ausgesuchtes Publikum von 80 bisher unentschiedenen Wählern aus der Region. Für ihre zweiminütigen Antworten dürfen sich Obama und Romney dann frei im Raum bewegen, direkt mit dem Publikum reden und natürlich auch den Blick des Gegners suchen. So detailverliebt wie beim ersten Duell werden die Beiträge wohl nicht werden. Dafür bekommen die Zuschauer bessere Einblicke in die Persönlichkeiten der beiden Kandidaten.
Und das sollte eigentlich Obama zugute kommen: Während Romney im Umgang mit Menschen gelegentlich steif und distanziert wirkt, setzt der Präsident voll und ganz auf seine charismatische Ausstrahlung. Als Student spielte Obama häufig den Moderator in hitzigen Diskussionen, weil er den Raum mit seiner natürlichen Autorität unter Kontrolle hatte, ohne zu dominant zu wirken. Romney hingegen musste sich die unbeschwerte Interaktion mit den Wählern erst mühsam angewöhnen - vor allem denen, die nicht seiner Meinung sind. Unvergessen sein Zusammentreffen mit einem homosexuellen Vietnamveteranen: Der brauchte nur wenige Fragen, um Romney sichtbar die Fassung zu nehmen.
Kampagnen legen Regeln fest
Ein völliger Blindflug wird die Debatte freilich nicht: Die beiden Kampagnen haben im Vorfeld minutiös die Regeln festgelegt. Und vor allem in einem Punkt waren sich die ansonsten verfeindeten Lager absolut einig: Moderatorin Candy Crowley soll sich mit ihren Fragen zurückhalten, anders als ihr Vorgänger Tom Brokaw, der sich 2008 nach Geschmack von Obama und John McCain zu oft einbrachte in die Unterhaltung. Die aber hält davon gar nichts. "Natürlich gab es auch Debatten, nach denen die Leute gesagt haben: 'Ich habe nicht viel Neues erfahren'", sagte sie in einem Interview mit ihrem Heimatsender CNN. "So eine Debatte will ich nicht. Ich will eine Debatte, nach der die Leute sagen: "Wow! ... Das wusste ich nicht.'"
Der Schlüssel zum Sieg könnte damit vor allem in der Flexibilität und Reaktionsgeschwindigkeit der Kandidaten liegen. Und natürlich in der Körpersprache, denn ein Podium mit Notizen zum Festhalten zum Verstecken haben Obama und Romney dieses Mal nicht.
Dafür bieten sich jede Menge Möglichkeiten, schon mit kleinen Gesten entscheidende Akzente zu setzen. So man sie denn richtig wählt. In der Townhall Debate des Jahres 2000 machte George W. Bush vor, wie es geht - und sein Kontrahent Al Gore, wie nicht. Während Bush sprach, stellte sich Gore einmal provozierend nah neben ihn, um den Texaner unter Druck zu setzen. Der aber nickte Gore nur kurz zu und hatte die Lacher auf seiner Seite.
Quelle: ntv.de