Romney wählt Paul Ryan als Vize Mitts Steuer-Mann
11.08.2012, 17:44 Uhr
Ryan gilt als Karrierepolitiker.
(Foto: AP)
Es ist ein deutliches Zeichen, das Romney da setzt: Mit Paul Ryan als Vize holt er sich einen der republikanischen Chefideologen ins Boot. Der junge Abgeordnete will den Sozialstaat zusammenkürzen, die Regierung schrumpfen und Steuern für Reiche senken. Ob Romney jedoch strategisch klug gehandelt hat, darf bezweifelt werden.
"Mutig" ist eines der am häufigsten benutzten Wörter, mit denen die US-Medien Mitt Romneys Entscheidung für Paul Ryan beschreiben. Zwar zählt der erst 42 Jahre alte Abgeordnete schon seit ein paar Monaten zu den Top-Favoriten für den Job, doch dass sich Romney tatsächlich für ihn entscheidet, hat einige Kommentatoren dann dennoch überrascht. Mit Mut aber dürfte diese Wahl nicht so viel zu tun haben wie mit Konsequenz: Romney rammt damit sein politisches Banner tief vor Amtsinhaber Barack Obama in den Boden. Denn Ryan ist kein unproblematischer Weggefährte, wie etwa Obamas Vizepräsident Joe Biden, sondern ein knallharter Ideologe.
Umso passender die Kulisse, vor der Romney seine Entscheidung am Samstag bekanntgab: Das Schlachtschiff USS Wisconsin, benannt nach Ryans Heimatstaat.
Romney setzt Schwerpunkt

Martialische Kulisse: Romney führte seinen Vize auf dem Schlachtschiff USS Wisconsin ein.
(Foto: REUTERS)
Es sind vor allem zwei Ziele, die Romney mit seiner wichtigsten Personalentscheidung vor der Wahl verfolgt. Erstens versucht er die Debatte auf das wachsende Staatsdefizit und Steuern zu reduzieren, beides Themen, bei denen er sich radikal von Obama unterscheidet. Zweitens erhofft er sich einen Schub in den Umfragen, wo seine Werte zuletzt gefallen sind. Sogar der konservative TV-Sender Fox News sah Romney zuletzt bei nur noch 40 Prozent, Obama hingegen bei 49 Prozent.
Eine thematische Fokussierung wird Ryan problemlos liefern. Doch ob das auch Stimmen für Romney bringt, ist fraglich.
Aufstieg durch Partei
Der Karrierepolitiker Ryan ist nicht nur einer der Aufsteiger der vergangenen Jahre in Washington, sondern zugleich auch der steuerpolitische Vordenker seiner Partei. Mit erst 28 Jahren zog der Sohn einer einflussreichen Familie aus Janesville, Wisconsin erstmals in den US-Kongress ein. Nachdem die Republikaner 2010 das Abgeordnetenhaus zurückeroberten wurde Ryan der Vorsitzende des mächtigen Haushaltsausschusses. Seine Aufgabe war es seitdem, die Antwort der Republikaner auf Obamas Budget zu definieren. "Der Pfad zum Wohlstand" hatte er seine bisherigen Entwürfe stets genannt, und er verfolgte dabei immer den gleichen Kurs: Weniger Steuern, weniger Staat, mehr Kürzungen.
Vor allem Sozialprogramme würden Ryans Rotstift zum Opfer fallen, allen voran die beliebte Krankenversicherung für Senioren, genannt "Medicare". Bisher kommt dafür der Staat auf, Ryan möchte das Programm lieber privatisieren. Obamas Gesundheitsreform würde er selbstverständlich abschaffen. Die reiße "ein Loch in die Staatskasse" und schaffe eine "riesige Steuer" für Bürger, so Ryan. Keine Einsparungen würde Ryan hingegen beim Militärhaushalt machen. Im Gegenteil: Die Ausgaben für die Streitkräfte will er sogar noch erhöhen.
Radikale Steuersenkungen
Auch auf der Einnahmeseite schwingt Ryan lieber die Machete als das Skalpell. Nur noch zwei Steuersätze soll es geben, 10 Prozent und 25 Prozent. Abgaben auf Einkünfte mit Aktien und anderen Finanzprodukten sollen ganz entfallen. Es ist ein Plan, der vor allem Amerikas Topverdiener bevorzugt, von Ryan und seinen Anhängern gerne als "hart arbeitende Schaffer von Jobs" bezeichnet. Weniger Steuern würden automatisch zu mehr Wirtschaftswachstum führen, so die Logik. Schlupflöcher, durch die man dem Fiskus mit vollen Taschen entkommen kann, sollen geschlossen werden. Unabhängige Analysen wie die vom "Congressional Budget Office" kritisieren allerdings, dass Ryans Plan ausgerechnet in diesem Punkt kaum konkrete Forderungen enthält.
Die Demokraten haben seitdem kaum eine Chance ungenutzt gelassen, Ryan als Schreckgespenst eines hartherzigen Technokraten darzustellen. Obama nannte Ryans Haushalsentwurf erst "interessant", nur um ihn kurz darauf als "kaum verhüllten Sozialdarwinismus" zu kritisieren. Dass Ryan für die beiden Kriege im Irak und Afghanistan, sowie die milliardenschwere Rettung der US-Banken gestimmt hat, wird ihm nun ebenfalls vorgeworfen. Es sind Maßnahmen, die Zweifel an Ryans Image als sparsamer Schuldenbekämpfer aufkommen lassen.
Liebling der Konservativen
In seiner eigenen Partei erntete Ryan jedoch fast ausschließlich Applaus – und die wenigen Kritiker sahen sich schon bald dem Zorn seiner ultra-konservativen Unterstützer ausgesetzt. Als es Newt Gingrich wagte, Ryan wegen dessen "rechter Sozialpolitik" scharf zu attackieren, musste er kurz darauf um Verzeihung flehen. Dann verlor er die republikanischen Vorwahlen deutlich. Nun war er einer der Ersten, die Ryans Ernennung zum Vize-Kandidaten im Namen Romneys verteidigen durften. Vor allem Leute wie der einflussreiche Lobbyist Grover Norquist, der die republikanische Partei fast im Alleingang auf einen Anti-Steuer-Kurs eingeschworen hat, stützen Ryans Aufstieg.
Für die meisten Republikaner ist der "Ryan-Plan", wie er inzwischen schlicht genannt wird, die Blaupause für den aktuellen Wahlkampf. Auch Mitt Romney hat sich bereits dazu bekannt: Er wolle Ryans Haushalt in den ersten 100 Tagen seiner Präsidentschaft umsetzen. Auch das ein Zeichen für den enormen Einfluss des Mannes aus dem Mittelwesten.
Doch ob sich Romney mit seiner Vize-Wahl einen Gefallen getan hat, bleibt abzuwarten. In Wisconsin, wo Obama zurzeit in den Umfragen vorne liegt, könnte ihm Ryan auf jeden Fall helfen, das Ruder rumzureißen. Und für die Stammwähler, allen voran die radikalen Tea-Party-Anhänger, ist Ryans Ernennung quasi das konservative Gütesiegel, das Romney bisher gefehlt hat.
Schwäche in Florida
Doch landesweit wird die Sache schon schwieriger. Der junge Katholik ist ein Washington Insider und damit genau das Gegenteil von Romney, der sich gerne so deutlich wie möglich vom parteipolitischen Hickhack in der Hauptstadt distanziert. Kaum ein Politiker hat in den vergangenen Jahren so sehr zu den Grabenkämpfen zwischen Republikanern und Demokraten beigetragen wie Ryan – obwohl er rhetorisch eher nicht zu den Scharfmachern gehört.
Hinzu kommt die Unbeliebtheit von Ryans Kürzungsprogramm. In wichtigen Staaten wie Florida, wo viele Rentner mit Medicare-Versicherung leben, wird es Romney nun definitiv nicht leichter haben. Zumal gerade der grauhaarige Biden, mit dem sich Ryan einmal in einer TV-Debatte duellieren wird, ein Meister der einfühlsamen Ansprache ist.
Die Demokraten jedenfalls sind mit Romneys Entscheidung sichtlich zufrieden. Für sie ist Ryan die Bestätigung, dass Romney den radikalen Kräften seiner Partei unterlegen ist. Obamas Berater David Axelrod twitterte noch vor der offiziellen Bekanntmachung, der Ex-Gouverneur habe "seinen Marschbefehl von der Parteibasis" bekommen. Und Präsident Obamas Team legte nur Minuten nachdem Ryan seine Rede beendet hatte nach. Der "Architekt des radikalen republikanischen Haushaltsentwurfes", habe im Kongress einst die "waghalsige Politik von Bush abgesegnet, die unsere Schulden nach oben trieb und die Wirtschaft ruinierte".
Quelle: ntv.de