Demokraten beginnen Krönungsshow Obama setzt auf Michelles Charme
05.09.2012, 01:23 Uhr
Michelle Obama will den Wählern ihren Mann empfehlen.
(Foto: AP)
Mit der für US-Wahlkämpfe so typischen Megashow wollen die Demokraten der Kampagne von Barack Obama neuen Schwung geben. Der Präsident hat das bitter nötig, von "Hope" und "Change" ist nicht viel geblieben. Einen emotionale Höhepunkt soll die Rede einer der beliebtesten Frauen des Landes bringen - First Lady Michelle Obama.
In Charlotte hat der dreitägige Parteitag der Demokraten begonnen, bei dem Präsident Barack Obama offiziell erneut ins Rennen um den Posten im Weißen Haus geschickt werden wird. Parteichefin Debbie Wasserman Schultz gab den Startschuss für die Großveranstaltung, bei der mit mehr als 35.000 Gästen und Medienvertretern gerechnet wird. Aus dem gesamten US-Gebiet sind knapp 6000 Delegierte vertreten.
Zu Beginn der Mammut-Show winkten sie zunächst das Parteiprogramm durch, mit dem Obama im November auf Stimmenfang gehen soll. Eines der Kernanliegen der Demokraten ist es, die Steuern für Großverdiener zu erhöhen. Bürger mit Einkommen von über 250.000 Dollar sollen künftig kräftiger zur Kasse gebeten werden. Dies soll rund zwei Prozent der Bevölkerung betreffen. Für die restlichen 98 Prozent der Bevölkerung sollen die Steuern gleichbleiben, heißt es in dem beim Parteitag vorgestellten Papier.
In diesem Punkt unterscheiden sich die Vorstellungen der Demokraten deutlich von denen der Republikaner. Die entschieden bei ihrem Nominierungsparteitag für ihren Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney vor einer Woche, die Steuern für keine Einkommensgruppe zu erhöhen.
Obamas Kampagne braucht ein Signal
Doch die Reichensteuer ist nicht der einzige Unterschied zwischen den beiden Lagern. Das Parteipapier der Demokraten befürwortet im Gegensatz zu der republikanischen Version auch die gesetzliche Gleichbehandlung homosexueller Paare. Weder der Bund noch einzelne Bundesstaaten sollten dieses Recht antasten dürfen. Kirchen und andere Religionsgruppen sollen aber frei entscheiden dürfen, wie sie mit der Ehe als religiöses Sakrament umgehen.
Das Demokraten-Programm bekräftige unter anderem auch das Recht der Frauen, selbst über eine Abtreibung zu entscheiden. "Es gibt keinen Raum für Politiker oder die Regierung, sich einzumischen", heißt es in dem Papier. Das Republikaner-Programm lehnt Abtreibung kategorische ab, auch wenn das Leben der Mutter auf dem Spiel steht oder nach Vergewaltigungen oder Inzest.
Während die vorgestellten Inhalte keine Überraschungen bergen, wird mit Spannung erwartet, ob es gelingt, ein emotionales Signal aus North Carolina zu senden, das der Kampagne Barack Obamas Aufschwung verleiht. Der US-Präsident, der vor vier Jahren von vielen Amerikanern mit viel Euphorie gewählt worden war, wird heute von vielen sehr viel nüchterner betrachtet werden.
US-Präsident will nicht weinen
Im Gegensatz zu dem Parteitag vor vier Jahren wird man in Charlotte vergeblich nach den einprägsamen Schlagworten "hope" und "change" – Hoffnung und Wandel – suchen. Auch den Demokraten ist klar, dass von der Begeisterung nicht viel übriggeblieben ist. Obama muss vielmehr die Attacken der Republikaner abwehren, die immer wieder fragen, ob die Lage des Landes besser sei als vor vier Jahren.

Unter den Delegierten sind auch allerlei Paradiesvögle wie etwa Julia Hicks aus Colorado.
(Foto: AP)
Ein Schlüssel für mehr Begeisterung könnte die Rede von First Lady Michelle Obama sein, die den Höhepunkt des ersten Tags des Parteitags bilden soll. Michelle Obama ist seit Monaten in Umfragen beliebter als ihr Mann. Ihr könnte es auch gelingen, den demokratischen Vorsprung bei den weiblichen Wählern auszubauen, der der Partei in Umfragen bescheinigt wird. Dass dies offensichtlich die Strategie der Demokraten ist, zeigt ein Blick auf die Rednerliste. Erwartet werden unter anderem auch die Schauspielerin Eva Longoria von "Desperate Housewives" sowie die ehemalige Präsidentin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi.
Der Präsident selbst stimmte seine Anhänger zum Auftakt eines Wahlkampfauftritts in Norfolk, Virginia auf die Rede der First Lady ein: "Ich weiß, was immer ich hier heute sage, wird bestenfalls einen entfernten zweiten Platz hinter dem einnehmen, was Ihr heute Abend vom Star der Obama-Familie, Michelle Obama, hören werdet", sagte der Demokrat. Er werde sich die Rede daheim im Weißen Haus zusammen mit seinen beiden Töchtern anhören, "und ich werde zu vermeiden versuchen, dass sie ihren Papa weinen sehen".
Parteichefin appelliert an Wahlkampfhelfer
Insgesamt versucht die Partei, um die Stimmen von Minderheiten zu werben, indem sie sich als ein bunter Haufen darstellt: Es trifft sich eine Gruppe für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle . Lateinamerikanische Immigranten bilden ebenso einen der "Caucuses" wie Ureinwohner, Asiaten und Afroamerikaner. Den größten Saal für ihr Treffen benötigen die Frauen, die sich von den Republikanern in ihrem Recht auf Schwangerschaftsverhütung und Abtreibung eingeschränkt fühlen.
Alle zusammen können zahlenmäßig die kommende Wahl entscheiden – und nach Umfragen sieht so aus, als habe Obama unter Minderheiten und Frauen weiter wesentlich mehr Fans als sein Herausforderer Mitt Romney. Der kam kürzlich in einer Umfrage des "Wall Street Journals" tatsächlich auf eine Zustimmungsrate von null Prozent unter Schwarzen. Bei Frauen war Obama zuletzt mit gut 50 Prozent im Vorteil, Romney lag etwa 10 Prozentpunkte dahinter. Wenn Obama diesen Vorteil in die Wahl am 6. November rette, bleibe er im Weißen Haus, meint der Politikexperte William H. Frey. Doch garantiert sei das längst nicht.
"Das Resultat wird größtenteils vom Enthusiasmus der Wählerblöcke unter den Minderheiten abhängen", schrieb Frey in einer Analyse. Die nötige Begeisterung zu entfachen, ist Hauptzweck des Parteitags und der weiteren Basisarbeit in den kommenden neun Wochen. "Ihr müsst die Kampagne leben, im Schlaf an sie denken, sie atmen", ruft Parteichefin Debbie Wasserman Schulz daher einer Gruppe junger Wahlkampfhelfer zu. Aufgegeben haben sie es nicht, den Menschen erneut das euphorische Gefühl von 2008 zu verleihen.
Quelle: ntv.de, jog/che/dpa/rts