Kompromiss in der elften Stunde USA bleiben handlungsfähig
09.04.2011, 08:45 Uhr
Auch die Freiheitsstatue wäre nach einem "Spending Shutdown" geschlossen worden.
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Das auf Konsens ausgelegte politische System der USA hat eine Bewährungsprobe eine Stunde vor Ablauf der Frist bestanden. Doch der Streit zeigt: Die ideologischen Gräben zwischen Republikanern und Demokraten sind immer schwerer zu überbrücken. Die bald beginnenden Beratungen über den Etat 2012 dürften noch schwieriger werden.
Mit einer Kompromisslösung haben Republikaner und Demokraten in letzter Minute die finanzielle Lähmung der US-Regierung abgewendet. Wie der Mehrheitsführer der oppositionellen Republikaner im Repräsentantenhaus, John Boehner, in der Nacht zum Samstag mitteilte, einigten sich beide Seiten ihres Budgetstreits auf Milliarden-Einschnitte für das laufende Jahr.
US-Präsident Barack Obama zeigte sich erleichtert. "Ich freue mich mitteilen zu können, dass das Regierungsgeschäft geöffnet bleibt", sagte er gut eine Stunde vor Ende der Frist - ohne ein Abkommen hätten viele Behörden nach Mitternacht mangels Finanzierung vorübergehend schließen müssen.
Genau dies hatten Mitglieder der radikalen "Tea Party"-Bewegung gefordert: Mit dem Slogan "Shut it down" protestierten sie nicht für einen rigiden Sparkurs, sondern ausdrücklich für die Stilllegung des Staates. Die "Tea Party" entstand in der Protestwelle gegen Obamas Gesundheitsreform und ist mittlerweile Teil der republikanischen Partei.
"Wir haben einen Deal", verkündete Boehner seinen republikanischen Kollegen in einem gefühlsgeladenen Treffen. In einer gemeinsamen Erklärung versicherte Boehner und der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, sich auf weitere Ausgabenkürzungen in "historischer Höhe" geeinigt zu haben. Senat und Abgeordnetenkammer müssen nun eine kurzfristige Brückenfinanzierung beschließen, um dem Kongress Zeit zur Verabschiedung des endgültigen Etats für das laufende Haushaltsjahr zu geben.
Streitpunkt Abtreibung
Den Angaben demokratischer Vertreter zufolge einigten sich beide Seiten unter Vermittlung des Weißen Hauses auf Budget-Einschnitte in Höhe von insgesamt 38,5 Milliarden Dollar. Vom Tisch seien Forderungen der Republikaner, der Gesundheitsorganisation Planned Parenthood die staatliche Unterstützung zu entziehen. Das konservative Lager wirft der Organisation vor, mit Steuergeld Abtreibungen zu finanzieren. Dies war einer der zentralen Streitpunkte zwischen Republikanern und Demokraten.
In der Realität stellen bereits Gesetze sicher, dass Schwangerschaftsabbrüche mit wenigen Ausnahmen nicht mit öffentlichen Mitteln finanziert werden können. Die Demokraten argumentieren zudem, dass der überwältigend größte Teil der Arbeit von Planned Parenthood der medizinischen Betreuung von Frauen wie etwa der Krebsvorsorge gilt.
"Im Rahmen unserer Möglichkeiten"
In einer ersten Reaktion auf die Einigung sprach Obama von einigen "schmerzhaften Einschnitten". Unter "besseren Umständen" hätte er ihnen nicht zugestimmt, sagte der Präsident weiter. Doch der einzige Weg, die Investitionen in Amerikas Zukunft zu schützen, sei es, damit zu beginnen "im Rahmen unserer Möglichkeiten zu leben".

John Boehner hat die Muskeln spielen lassen. Der Republikaner steht unter dem Druck der "Tea Party". Wie weit geht er beim nächsten Mal?
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Der Einigung waren tagelange zähe Verhandlungen zwischen den Kongress-Spitzen und dem Weißen Haus vorangegangen. Beide Seiten waren sich des Risikos eines Popularitätsverlusts bei einem Scheitern bewusst. Angesichts des erwarteten Haushaltsdefizits von rund 1,6 Billionen Dollar in diesem Jahr wollten die Republikaner die Staatsausgaben deutlich herunterfahren. Sie hatten Obamas Budgetpläne für das Ende September ablaufende Haushaltsjahr 2011 zurückgewiesen und im Repräsentantenhaus einen eigenen Entwurf verabschiedet, der Einschnitte in Höhe von 61 Milliarden Dollar vorsieht. Das Vorhaben scheiterte aber im von den Demokraten dominierten Senat.
Bislang wurde die Finanzierung des Staates mit sechs befristeten Nothaushalten gesichert. Ohne eine Einigung bis Mitternacht wären vielen staatlichen Stellen der Geldhahn zugedreht worden - wie schon einmal vor 15 Jahren im Budgetstreit zwischen dem demokratischen Präsidenten Bill Clinton und einem republikanisch dominierten Kongress. Rund 800.000 Staatsangestellte hätten dann einen unbezahlten Zwangsurlaub antreten müssen, Nationalparks und staatliche Museen wären geschlossen geblieben.
Der nächste Streit kommt in Kürze
Die Hauptherausforderungen für Obama und seine Partei kommt erst noch. Schon in Kürze beginnen die Beratungen über den Etat 2012, hier wollen die Republikaner - unter dem großen Druck der Tea-Party-Vertreter - die Axt noch stärker ansetzen.
Außerdem steht eine weitere Kraftprobe an. Die Gesamtverschuldung der USA beträgt derzeit mehr als 14,2 Billionen Dollar (rund 9,8 Billionen Euro). Die erlaubte Schuldenobergrenze liegt zurzeit bei 14,3 Billionen Dollar. Das Finanzministerium erwartet, dass diese Schallmauer im Mai durchbrochen wird - sollte der Kongress die Deckelung nicht anheben. Die Republikaner sind vehement dagegen.
Quelle: ntv.de, hvo/AFP/dpa