Whistleblower darf vorerst nach Russland USA wütend über Aufnahme Snowdens
01.08.2013, 17:50 Uhr
Snowden hat nun Papiere, um nach Russland einreisen zu können, zeigt sein Anwalt Anatoli Kutscherena.
(Foto: AP)
Der von den USA gesuchte IT-Spezialist Snowden erhält vorläufiges Asyl in Russland. Nach mehr als einem Monat kann er endlich den Transitbereich eines Moskauer Flughafens verlassen. Offenbar will er zunächst auch in dem Land bleiben. Das Weiße Haus verurteilt die Entscheidung Russlands.
Die US-Regierung hat "extrem enttäuscht" auf Russlands Aufnahme des wegen Geheimnisverrats gesuchten Geheimdienstexperten Edward Snowden reagiert. Es handele sich "nicht um eine positive Entwicklung", sagte der Präsidentschaftssprecher Jay Carney. US-Präsident Barack Obama prüfe die "Nützlichkeit" eines Treffens mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin. Obama will eigentlich im September vor einem G20-Gipfel in Moskau zu bilateralen Gesprächen mit Putin reisen.
Russland gewährte dem von den USA gejagten Snowden Asyl. Der Computerexperte hatte mit der Enthüllung der flächendeckenden Überwachung der Telefon- und Internetkommunikation durch die US-Geheimdienste weltweit für Aufsehen gesorgt. Nach seiner Flucht über Hongkong hielt er sich mehr als einen Monat im Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo auf. Aus Angst um Leib und Leben in seiner Heimat beantragte der US-Bürger wandte er sich schließlich an Russland.
"Snowden hat den Flughafen Scheremetjewo verlassen. Ihm wurde gerade ein Dokument gegeben, dass ihm für ein Jahr temporäres Asyl in Russland gewährt worden ist", sagte sein Anwalt Kutscherena. Der 30-Jährige sei vom Flughafen in einem normalen Taxi weggefahren. Eine Sprecherin des Flughafens bestätigte, dass Snowden gegangen sei. Es gelang Snowden offenbar, den Journalisten zu entgehen, die seit Wochen versuchen, einen Blick auf ihn zu erlangen. Es war das erste Mal seit seiner Ankunft in Moskau, dass er die russische Grenze überquerte.
"Der meistgesuchte Mann des Planeten"
Sein künftiger Wohnort werde aus Sicherheitsgründen geheim gehalten, sagte Kutscherena weiter. Schließlich sei Snowden "der meistgesuchte Mann des Planeten". Die USA suchen Snowden wegen Geheimnisverrats und fordern seine Auslieferung. Das lehnt Russland strikt ab. Kommentatoren in Moskau wiesen darauf hin, dass der Asylstatus eine Auslieferung Snowdens verbiete.
6. Juni: Die Zeitungen "The Guardian" und "Washington Post" decken die Existenz von Prism auf. Später wird bekannt, dass die Internet-Überwachungsmöglichkeiten der US-Geheimdienste offenbar noch umfangreicher sind als zunächst angenommen.
9. Juni: Der nach Hongkong geflohene Edward Snowden gibt sich als Quelle der Enthüllungen zu erkennen.
21. Juni: Die US-Regierung beschuldigt Snowden unter anderem der Spionage.
23. Juni: Snowden, reist nach Moskau. Sein Reisepass wird von den US-Behörden für ungültig erklärt. Er sitzt daraufhin im Transitbereich des Flughafens Scheremetjewo fest.
5. Juli: Nicaragua, Venezuela und Bolivien erklären sich bereit, Snowden aufzunehmen. Vom Flughafen kommt er aber immer noch nicht weg.
16. Juli: Snowden beantragt vorübergehendes Asyl in Russland.
1. August: Russland gewährt dem 30-Jährige vorerst ein Jahr Asyl. Snowden verlässt den Flughafen.
hah/AFP
Snowden wolle vorerst in Russland bleiben. "Er hat derzeit nicht die Absicht, nach Lateinamerika zu fliegen", sagte Kutscherena der Agentur Itar-Tass zufolge. Venezuela, Ecuador und Bolivien hatten Snowden bereits zuvor Zuflucht angeboten. Snowden habe ihm gegenüber angedeutet, dass irgendwann sein nächstes Reiseziel in Europa liegen könnte, sagte Kutscherena. "Die Entscheidung trifft allein er. Zunächst wird er sich auf russischem Gebiet aufhalten."
Die Enthüllungsplattform Wikileaks erklärte, Snowden sei "in der Obhut" ihrer Mitarbeiterin Sarah Harrison, die ihn bereits auf dem Flug aus Hongkong begleitete. Wikileaks dankte Russland für die Hilfe in dem Fall. "Wir haben die Schlacht gewonnen - jetzt kommt der Krieg", twitterte die Organisation.
Schaar fordert Deutschland zur Aufnahme Snowdens auf
Der Vorsitzende des deutschen Whistleblower-Netzwerks, Guido Strack, empfiehlt Snowden, nicht zu lange in Russland zu bleiben. n-tv.de sagte er: "Auch in Russland ist Meinungsfreiheit ein schwieriges Thema. Snowden sollte versuchen, westliche Demokratien dazu zu bringen, ihn aufzunehmen. Island etwa wäre eine bessere Option." Als Grund für die Gewährung des Asyl-Status vermutet Strack, dass Russland eine Lösung gesucht habe, durch die es "im Zusammenhang mit diesem Thema nicht mehr im internationalen Fokus steht".
Snowdens Vater hatte seinem Sohn am Tag zuvor noch geraten, in Russland zu bleiben. "Ich denke, dass Russland fest entschlossen und in der Lage ist, meinen Sohn zu beschützen", sagte Lon Snowden dem Fernsehsender Rossija 24. "Wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich in Russland bleiben." Erst Anfang der Woche war der US-Soldat Bradley Manning, der hunderttausende vertrauliche Dokumente an Wikileaks weitergegeben hatte, wegen Verstoßes gegen Spionagegesetze von einem US-Militärgericht schuldig gesprochen worden. Ihm drohen bis zu 136 Jahre Haft.
Die Aufnahme Snowdens durch Russland droht die ohnehin gespannten Beziehungen zu den USA weiter zu belasten. Der außenpolitische Berater von Präsident Wladimir Putin, Juri Uschakow, spielte die Bedeutung Snowdens aber herunter. "Diese Situation ist eher unbedeutend und sollte die politischen Beziehungen zwischen Russland und den USA nicht beeinflussen", sagte Uschakow. Es gebe auch keinen Hinweis, dass ein geplanter Besuch von US-Präsident Barack Obama im September in Russland abgesagt werden könnte.
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, regte indes eine Aufnahme Snowdens in Deutschland an. "Es wäre sehr hilfreich, wenn auch deutsche Behörden den direkten Weg zu ihm suchen würden, um den Wahrheitsgehalt seiner Aussagen zu prüfen", sagte Schaar dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Es hätte auch den Vorteil, dass man solche Leute nicht in die Arme von autoritären Regimes treibt, deren lautere Absichten ja nicht ganz zu Unrecht bezweifelt werden."
Quelle: ntv.de, hha/rpe/AFP/dpa