Enteignungsgesetz steht Uhr tickt für die HRE
18.02.2009, 14:21 UhrDie Bundesregierung will noch im April die Kontrolle über die schwer angeschlagene Immobilienbank HRE übernehmen. Das Gesetz zur Banken-Verstaatlichung solle am 3. April abschließend vom Bundesrat beraten werden, sagte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) in Berlin. Anschließend könne "sehr schnell" eine Hauptversammlung der HRE einberufen werden. Mit dem Gesetz ist die Frist zur Einberufung der Aktionärsversammlung auf bis zu einen Tag verkürzt worden.
Auf der Hauptversammlung wolle der Bund dann über eine Kapitalerhöhung die Mehrheit an der Bank übernehmen, sagte Steinbrück. Sollte es dafür keine Mehrheit geben, werde die Bundesregierung die Aktionäre des Instituts enteignen. Auch für den Fall, dass Aktionäre eine von der Hauptversammlung beschlossene Kontrollübernahme durch den Staat mit juristischen Schritten verzögerten oder blockierten, wolle die Bundesregierung zur Enteignung schreiten. Das Kabinett hatte zuvor die Grundlage für eine solche Enteignung gelegt.
"Gravierender Tabubruch"
Reinhard Göhner, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes BDA, kritisierte die Möglichkeit einer Enteignung stark: "Ich bin entsetzt, dass ein Gesetzentwurf diese Möglichkeit eröffnen soll. Ich sehe dazu keinerlei Möglichkeit, auch nicht als 'Ultima ratio'", sagte Göhner bei n-tv. Der Staat könne sich bei Hilfe an ein Unternehmen auch vertraglich "den Einfluss ermöglichen, den er haben will". Jegliche Form von Verstaatlichung oder Enteignung sei völlig fehl am Platz. In der Tat sei das Gesetz "ein gravierender Tabubruch".
Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestags, Otto Fricke (FDP), beklagte einen "ordnungspolitischen Sündenfall". Man hätte frühzeitig mit den Aktionären der HRE verhandeln sollen, kritisierte Fricke bei n-tv. Auch sei zu überlegen, ob man statt durch eine Enteignung mit einer Kapitalerhöhung erreiche, dass "diese Bank auf den richtigen Pfaden zukünftig wandelt".
Unionspolitiker verteidigen Konzept
Die Union verteidigte dagegen das Gesetz. Steffen Kampeter, CDU, haushaltspolitischer Sprecher der Unionsfraktion verwies bei n-tv auf die Befristung des Gesetzes. Deutschland sei "kein Ort, wo Eigentümer sich Sorgen machen müssen". "Deutschland ist allerdings ein Ort, wo wir auf die Sicherheit unseres Bankensystems Wert legen." Unionsfraktionsvize Michael Meister nannte es im Deutschlandfunk unverantwortlich, "wenn man eine Bank der Dimension der Hypo Real Estate in die Insolvenz gehen lassen würde". Der Fall des US-Instituts Lehman Brothers habe gezeigt, welche Schockwellen der Zusammenbruch einer Bank auslöse. "Bei der HRE wäre es in der Dimension größer als das, was wir bei Lehman erlebt haben."
Meister betonte, es wäre "unverantwortlich, wenn wir die Lasten, die durch die Rettung der HRE auf die Steuerzahler zukommen, weiter aufwachsen lassen". Es gehe nicht zuletzt um Schadensminimierung. "Wir brauchen das Rettungsübernahmegesetz - aber in einer klaren Abstufung, dass man zunächst einmal mit den jetzigen Eigentümern spricht, ob eine gemeinsame Anstrengung möglich ist." Danach müsse versucht werden, im Rahmen der HRE-Hauptversammlung zu einer Lösung zu kommen. Erst dann komme eine Enteignung als letzte Möglichkeit ins Spiel.
Mit Blick auf Widerstände in den eigenen Reihen räumte Meister ein: "Für die Union ist es natürlich schon ein riesengroßes Problem, in Eigentumsrechte einzugreifen." Umso wichtiger seien Einschränkungen wie die Befristung des Gesetzes. Von den Kritikern vermisse er dagegen konkrete Alternativvorschläge, sagte der Fraktionsvize.
Aktionäre prüfen Klage
Aktionärvertreter drohen mit einer Verfassungsbeschwerde. Sollte es bei der Münchener Immobilienbank zu einer Enteignung kommen, ohne andere aktienrechtliche Möglichkeiten auszuschöpfen, sei dies ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip des Grundgesetzes, sagte Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). "Der normale Weg ist der einer Kapitalerhöhung, über die der Bund die Kontrollmehrheit erlangen könnte", sagte der Rechtsanwalt. Die DSW prüfe daher eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht. Nieding kritisierte die Enteignungsmöglichkeit als "herben Schlag in Richtung Rechtssicherheit" für alle Aktionäre.
Die Entschädigung für enteignete Aktionäre sollte sich nach bisherigen Plänen nach dem durchschnittlichen Börsenkurs während der letzten zwei Wochen vor Bekanntgabe des Enteignungsverfahrens richten. Ist der Kurs innerhalb der letzten drei Tage niedriger, gilt dieser. Entschädigungen sind zu verzinsen. Auch sollen enteignete Investoren später bevorzugt ihre Aktien zurückkaufen können.
Im Grundgesetz vorgesehen
Bundesverfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier hat vor dem Hintergrund des geplanten Gesetzes zur Enteignung angeschlagener Banken gemahnt, dass ein solcher Schritt nur die letzte Möglichkeit sein dürfe. Grundsätzlich sei eine Enteignung dann möglich, wenn ein "Eigentumsgut vom Staat zwingend zur Erfüllung einer bestimmten Gemeinwohlaufgabe" benötigt werde. Auch könnten Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel vergesellschaftet werden, sagte Papier. Beide Möglichkeiten setzten allerdings "eine ausdrückliche gesetzliche Regelung voraus, die auch eine Entschädigung des Eigentümers vorsehen muss". Die Frage, ob Banken Produktionsmittel im Sinne des Grundgesetzes darstellten und damit Gegenstand einer Vergesellschaftung sein dürften, sei gerichtlich noch nicht geklärt.
Quelle: ntv.de