Der Kriegstag im Überblick Ukraine fürchtet Sprengung von Staudamm - Iraner sollen Ukraine verlassen
21.10.2022, 20:28 Uhr
Der Kachowka-Staudamm am 26. Februar 2022 auf einem Satellitenbild: Russische Truppen kontrollieren das Wasserkraftwerk seit Monaten.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Der Kachowka-Staudamm in der südukrainischen Region Cherson hält "Wassermassen 'so groß wie ein Meer'". Nach Angaben der ukrainischen Regierung will Russland diese als Waffe einsetzen: Präsident Wolodymyr Selenskyj wirft den Truppen des Kreml vor, den Damm zu verminen, um eine Flutkatastrophe zu verursachen. Womöglich, um die ukrainische Offensive im Süden des Landes zu stoppen? Denn die Besatzer wollen Cherson inzwischen zu einer "Festung" ausgebaut haben. Gleichzeitig setzt Russland in anderen Landesteilen die Angriffe auf die ukrainische Energieversorgung fort. Dabei sollen wiederholt iranische Selbstzerstörungsdrohnen zum Einsatz kommen. Womöglich deshalb ruft der Iran seine Staatsangehörigen auf, die Ukraine besser zu verlassen. Der 240. Kriegstag im Überblick.
Selenskyj: Russland will Staudamm bei Cherson zerstören
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland vorgeworfen, einen Staudamm in der südukrainischen Region Cherson mit Minen bestückt zu haben. "Unseren Informationen zufolge wurden die Aggregate und der Damm des Wasserkraftwerks Kachowka von russischen Terroristen vermint", sagte Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft. Sollte der Damm brechen, würden 80 Siedlungen, darunter die Stadt Cherson, überflutet werden.
Der Staudamm des Wasserkraftwerks Kachowka liegt am Fluss Dnipro in der Region Cherson, die derzeit von russischen Truppen kontrolliert wird. Moskau bestreitet die ukrainischen Vorwürfe. Diese seien falsch, zitiert die staatliche Nachrichtagentur RIA den von Russland eingesetzten Vize-Gouverneur der Region, Kirill Stremousow.
Ukraine verlangt Beobachtermission
Um zu verhindern, dass es zu einer Katastrophe kommt, hat die Ukraine eine internationale Beobachtermission für das Wasserkraftwerk Kachowka gefordert. "Wir rufen die UNO, die EU und andere Organisationen auf, eine internationale Beobachtungsmission für Kachowka zu organisieren", sagte der ukrainische Regierungschef Denys Schmyhal bei einer Regierungssitzung. Internationale Experten sowie ukrainisches Personal müssten sich umgehend vor Ort begeben.
Besatzer sprechen von "Festung" Cherson
Moskau baut nach eigenen Angaben die südukrainische Stadt Cherson zu einer "Festung" aus. Die von russischen Truppen besetzte Stadt bereite sich auf ihre Verteidigung gegen die vorrückende ukrainische Armee vor, schrieb der von Russland eingesetzte Vize-Gouverneur der Region, Stremousow, bei Telegram. Er beharrte darauf, dass Russland Cherson nicht aufgeben werde. "Glauben Sie mir, niemand beabsichtigt, die Stadt aufzugeben", erklärte der Vize-Chef der Besatzungsregierung.
Die Lage der russischen Streitkräfte in und um Cherson hatte sich zuletzt immer weiter verschärft. Angesichts der ukrainischen Gegenoffensive verkündeten die Besatzungsbehörden am Mittwoch ihren Rückzug aus der Region und auch aus der strategisch wichtigen Stadt.
Teheran: Iranische Bürger sollten Ukraine verlassen
Der Iran rät seinen Bürgern, die Ukraine zu verlassen. "Aufgrund der militärischen Eskalation in der Ukraine, wird allen Iranern dringend geraten, von Reisen in die Ukraine abzusehen", zitieren halb-amtliche Nachrichtenagenturen eine Mitteilung des Außenministeriums in Teheran. "In der Ukraine lebende Iraner sollten das Land zu ihrer eigenen Sicherheit verlassen."
Russland hatte die Ukraine in den vergangenen Tagen mehrfach mit Kampfdrohnen aus dem Iran angegriffen. Nach Erkenntnissen der US-Regierung befinden zur Ausbildung russischer Streitkräfte an den Drohnen auch iranische Kräfte vor Ort. Teheran bestreitet die Lieferung der Drohnen.
USA: Russland will sanktionierte Waren aus Nordkorea bestellen
Die russische Führung arbeitet dem US-Außenministerium zufolge an Vereinbarungen mit Nordkorea über die Lieferung von Waren für den Krieg gegen die Ukraine, die Russland aufgrund von Exportkontrollen und Sanktionen "nicht herstellen oder auf anderem Wege erwerben kann". Das erklärte der Sprecher des Ministeriums, Ned Price. "Russland mag sich aus Verzweiflung an Länder wie Iran und Nordkorea wenden, aber das macht es nicht weniger gefährlich."
Am 6. September meldeten die US-Geheimdienste, dass Nordkorea Millionen von Artilleriegranaten und Raketen an Russland verkaufe. Nordkorea dementierte den Bericht.
Russische Angriffe auf bis zu 40 Prozent des ukrainischen Stromnetzes
Die russischen Angriffe auf die ukrainische Energieversorgung haben dem Energieminister des Landes zufolge bislang 30 bis 40 Prozent des Stromnetzes getroffen. Dadurch sei die Stromgewinnung eingeschränkt worden, sagt Herman Haluschtschenko. "Mindestens die Hälfte der Wärmekraft-Produktionskapazität, sogar mehr" seien ausgefallen. Durch die Angriffe in dieser Woche seien 4000 MW Kapazität verloren gegangen. Dabei seien Anlagen erstmalig angegriffen worden, aber auch bereits bombardierte erneut, "um sie völlig zu zerstören". Möglicherweise werde die Ukraine Strom zukaufen müssen, um durch die Krise zu kommen.
Charkiw und Saporischschja melden Luftangriffe
Bei erneuten Luftangriffen auf ukrainische Städte sind den örtlichen Behörden zufolge mindestens zwölf Menschen verletzt worden. In Saporischschja hätten russische Raketen ein Wohnhaus sowie eine Schule und die Energieinfrastruktur beschädigt, teilte der Gouverneur der Gebietsverwaltung, Olexander Staruch, mit. Mindestens drei Menschen seien verletzt worden. Auch die Behörden in Charkiw berichteten von weiteren russischen Attacken. Dabei seien insgesamt neun Menschen verletzt worden, erklärte Gebietsgouverneur Oleh Synjehubow in seinem Telegram-Kanal.
Moskau: Waffendepot in Region Cherson zerstört
Die russische Luftwaffe hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau ein Waffendepot in der südukrainischen Region Cherson zerstört. Dort sei militärische Ausrüstung gelagert worden, die im Ausland hergestellt worden sei, teilte das Ministerium mit. Eine unabhängige Prüfung der Angaben ist nicht möglich.
Pentagonchef telefoniert mit russischem Verteidigungsminister
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hat bei einem Telefonat mit seinem russischen Kollegen Sergej Schoigu darauf gedrungen, Gesprächskanäle inmitten des Ukraine-Kriegs aufrechtzuerhalten. Das erklärte das US-Verteidigungsministerium. Zuvor hatte das russische Außenministerium mitgeteilt, die beiden Minister hätten "aktuelle Fragen der internationalen Sicherheit, einschließlich der Lage in der Ukraine, erörtert". Einzelheiten zu den Gesprächen nannte weder das Pentagon noch das russische Verteidigungsministerium.
Es war das zweite Gespräch zwischen Austin und Schoigu seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar. Das letzte Gespräch der beiden Minister fand am 13. Mai statt.
Kiew hofft auf weitere IRIS-T SLM aus Deutschland
Die ukrainische Armee hofft auf weitere Lieferungen des deutschen Flugabwehrsystems IRIS-T SLM. Das sagte der ukrainische Luftwaffensprecher Jurij Ihnat nach Angaben Kiewer Medien. Das System habe sich "gut bewährt" gegen jüngste russische Angriffe. "Der einzige Nachteil ist, dass es wenige gibt. Es wird erwartet, dass die deutsche Industrie an Dynamik gewinnt, um die Produktionsmenge zu erhöhen, damit die Ukraine so viele dieser Systeme wie möglich erhält", sagte Ihnat. Den genauen Einsatzort wollte er nicht mitteilen. IRIS-T stehe auf der Zielliste des Feindes "ganz oben". Das erste System war vor einer Woche an die Ukraine übergeben worden.
Weitere Artikel und Interviews zum Ukraine-Krieg:
- Russland-Kenner warnt Westen: "Putin ist noch nicht am Ende"
- Militärexperte Gustav Gressel: "Der Panzer-Ringtausch hilft nur Griechenland und der SPD"
- Bedrohung aus Belarus: Kommt die zweite Offensive auf Kiew?
- Leben und zahlen ohne VISA-Karte: Vielen Russen bleibt nur noch Konto-Tourismus
- "Wie läuft es in Bachmut?": Musk und Medwedew liefern sich Schlagabtausch
Alle weiteren Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine können Sie in unserem Live-Ticker nachlesen.
Quelle: ntv.de, chr/rts/AFP