Politik

Biotechnologie-Lobby zerknirscht Umweltschützer feiern Gen-Votum

Karlsruhe will mit seiner Entscheidung, die scharfen Vorschriften zum Anbau von Genpflanzen nicht zu lockern, einen potenziellen gesellschaftlichen Brandherd abkühlen. Schließlich berge die Gentechnik unüberblickbare Gefahren. Die Umweltverbände feiern das Votum als Erfolg, die Biotechnologie-Lobby und die Klageführenden sind not amused.

Gen-Gegner machen mobil.

Gen-Gegner machen mobil.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Formulierung lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig: Das Aussäen gentechnisch veränderter Pflanzen kann unerwünschte und sogar schädliche Wirkungen haben, schreiben die Bundesverfassungsrichter in ihrer Entscheidung zur Gentechnik. Es gehe um nicht weniger als "die Verantwortung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen" - auch im Blick auf künftige Generationen. Deshalb, so mahnen die obersten Richter, ist höchste Vorsicht und Sorgfalt angebracht. Und deshalb haben sie die strikten Vorschriften zum Anbau genveränderter Pflanzen gebilligt.

Damit ist ein Vorstoß Sachsen-Anhalts gescheitert, den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen zu erleichtern. Kleinlaut reagierte Andreas Schaper aus dem Wirtschaftsministerium in Magdeburg auf den Richterspruch. Die damalige schwarz-gelbe Landesregierung hatte die Klage angestoßen, um den Forschungsinstituten im Land die wirtschaftliche Verbreitung ihrer Gentechnik-Produkte zu erleichtern. Jetzt müssten die Institute eben unter den strengen Bedingungen weiterarbeiten, sagte er. "Ich bin überzeugt, dass wir trotzdem die qualifizierte Forschung an unseren Standorten halten können."

Die Umweltverbände feierten den Richterspruch als Sieg. Besonders erleichtert zeigte sich der Präsident des Naturschutzbundes Nabu, Olaf Tschimpke. Er nannte die Entscheidung einen "Sieg für den Schutz von Mensch und Umwelt". Heike Moldenhauer, Gentechnik-Expertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Bund, erklärte, das Gericht treffe die Meinung von mehr als 85 Prozent der Deutschen.

Bundesregierung sieht sich auf Kurs

Auch die Bundesregierung fühlt sich durch das Bundesverfassungsgericht in ihrem Gentechnik-Kurs bestätigt. Die Karlsruher Richter hätten mit ihrer Entscheidung klargestellt, dass die Sicherheit von Mensch und Umwelt Vorrang vor allen ökonomischen Erwägungen habe, sagte der Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium, Robert Kloos. Der Richterspruch schaffe jedoch auch Rechtssicherheit für die weitere Förderung der Biotechnologie. "Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag verpflichtet, auf der Basis des bestehenden Gentechnikgesetzes die Regelungen zur Grünen Gentechnik weiterzuentwickeln. Das werden wir auch tun."

Das Bundesverfassungsgerichts hatte die Rechtmäßigkeit des Gesetzes, das 2005 unter Rot-Grün beschlossen worden war, bestätigt. Damit bleibt das umstrittene Standortregister bestehen, in dem alle Flächen mit gentechnisch veränderten Pflanzen genau aufgelistet sind.

Auch die Regelungen zur Haftung sind mit der Verfassung vereinbar. Sie sehen vor, dass Landwirte, die gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen, ihre Nachbarn entschädigen müssen, wenn Pollen auf deren Felder fliegen und die Saat verunreinigen. Das gilt auch für den Fall, dass sie alle Vorschriften eingehalten haben. Nach Ansicht des Geschäftsführers der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie, Ricardo Gent, herrscht jetzt wenigstens Rechtssicherheit. "Eine weitere Verschärfung ist damit ausgeschlossen."

Karlsruhe will Spaltung verhindern

Der Protest ist Sache der Polizei, entscheidet Karlsruhe.

Der Protest ist Sache der Polizei, entscheidet Karlsruhe.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Karlsruher Richter verteufelten in ihrer Entscheidung die sogenannte Grüne Gentechnik nicht. Sie warnten jedoch davor, sie nur aus ökonomischen Blickwinkeln zu betrachten. Die Politik müsse immer im Hinterkopf behalten, dass die Gentechnik zur Bedrohung für die Lebensgrundlagen der Menschen werden kann.

Deswegen sei Transparenz entscheidend. Bei so einem heiklen und umstrittenen Thema müssen die Verbraucher wissen, was passiert. "Das ist nicht nur entscheidend für den Diskurs, sondern auch für die politische Kontrolle", erläutert der Vizepräsident des Verfassungsgerichts, Ferdinand Kirchhof, in der Begründung.

Deshalb müssten die betroffenen Forschungsinstitute und Landwirte damit leben, dass die Lage ihrer Felder im Internet veröffentlicht werden. Die damit verbundene Gefahr, dass Gentechnik-Gegner sie verwüsten, nehmen die Richter in Kauf. Diese Probleme müssten Polizei und Staatsanwaltschaften lösen, heißt es lapidar.

Mit der indirekten Einladung an alle Bürger, sich an der Debatte zu beteiligen, knüpfen die Richter auch an die Erfahrungen des Streits um die Verlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofs an. Das Thema Gentechnik, so ist aus ihrer Entscheidung herauszulesen, hat das Potenzial, die Gesellschaft zu spalten. Nur eine offene und intensive Beschäftigung damit "kann zur Befriedung beitragen".

Quelle: ntv.de, cba/hvo/dpa/rts

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