Politik

"Meteorologische Reformation" Und wo bleibt die Hoffnung?

Eine Klima-Aktivistin malt sich in Kopenhagen einen Baum auf die Handfläche.

Eine Klima-Aktivistin malt sich in Kopenhagen einen Baum auf die Handfläche.

(Foto: dpa)

COP 15 – das ist nicht nur das 15. UNO-Treffen von Experten und Politikern zum Thema Klimawandel in Kopenhagen, sondern auch eine riesige Versammlung von Künstlern und Denkern, die sich mit derselben Problematik auseinandersetzt. Ihre Kakophonie ist nicht leiser als die der Politiker, aber bunter.

Wenn man das ewige Dröhnen der Hubschrauber für einen Moment ignoriert und die Polizeisirenen für eine Weile überhört, bietet sich dem Kopenhagen-Besucher in diesen Tagen ein unvermutet buntes Bild. Die Innenstadt ist randvoll mit den Zeugnissen von hunderten von Kunstaktionen, Ausstellungen, Happenings oder einfach nur den spontanen Zusammenkünften gleich denkender überwiegend junger Menschen. "Macht Kopenhagen zu Hopenhagen" ist das Motto der Veranstaltungen rund um den Gipfel. In einem kleinen Booklet für Interessierte sind alleine über 100 Adressen und Aktionen zusammengefasst, Sie reichen vom "Green Urban BicycleTrail" über das "Climate Refugee Camp" bis zu einem langsam im Hafen dahinschmelzenden Eisberg, den ein paar Grönländer hergeschleppt haben.

Bunte kreative Aktionen in der ganzen Stadt, aber auch ernsthafte Symposien, die sich mit Ursachen und Wirkungen des Klimawandels aus der Sicht von Künstlern und Intellektuellen befassen. So verzeichnete die Veranstaltung im "Louisiana Museum of Modern Art" in Humlebaek eine hochrangige Besetzung weltweit geachteter Künstler, deren Beiträge zeigen, dass der Klimawandel längst als Thema in der Kunst angenommen wurde. Unter dem Duchampschen Motto: "Where do we go from here?" wurden teilweise die gleichen Fragen aufgeworfen wie einige Kilometer entfernt im Kongresszentrum, jedoch völlig anders beantwortet.

Wo bleibt die Hoffnung?

Bunt geht es zu in Kopenhagen: Nicht nur Politiker, sondern auch Demonstranten, Künstler, Aktivisten und Intellektuelle befassen sich mit Klimawandel.

Bunt geht es zu in Kopenhagen: Nicht nur Politiker, sondern auch Demonstranten, Künstler, Aktivisten und Intellektuelle befassen sich mit Klimawandel.

(Foto: dpa)

Der deutsche Philosoph Peter Sloterdijk rief in seiner Rede gleich das "Zeitalter der meteorologischen Reformation" aus: "Ganz langsam beginnt sich eine Kultur der Vorhersagen zu etablieren, mitten in der zeitlichen Lücke zwischen spät und zu spät." Rückblickend, so Sloterdijk, "haben wir gelebt, als hätte Prometheus das Feuer zum zweiten mal gestohlen" und mussten daraufhin erschreckt feststellen: "In der jetzigen Situation heißt die conditio humanae: Wir sind alle Autodidakten in der Frage von Leben und Tod."

Na Prost, Mahlzeit. Und eines muss man dem Karlsruher Vordenker lassen: Knackigere Formulierungen als er findet kein anderer seines Faches und so verweist er metaphorisch auf Jules Vernes Helden Phileas Fogg, der auf seiner letzten Etappe über den Atlantik die Aufbauten seines Schiffes abholzte, um sie in den Kesseln unter Deck zu verfeuern. Das, so Sloterdijk, sei "kinetischer Expressionismus in Aktion". Schön gesagt. Und wo bleibt die Hoffnung? Sloterdijk glaubt, dass die meteorologische Reformation zu einem "ökologischen Calvinismus" leiten könne und fordert in seinem Schlusswort – dann doch wieder ganz pragmatisch – "Ingenieure, Architekten und Planer: Geht an die Arbeit".

Betretenes Schweigen

Da herrschte im Auditorium des "Louisiana" betretenes Schweigen, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören. Er vertraut auf die heilende Macht der Techniker! Als hätten die uns nicht den ganzen Schlamassel beschert! Und vor allem: Wo bleiben die Künstler? Die Visionäre? Die Denker? Spielen die keine Rolle? Ein kleiner Affront, hatten doch die Künstler den ganzen Tag über gezeigt, wie unkonventionell und erfrischend sie auch bedrückende Themen angehen können.

Allen voran der Isländer Olafur Eliasson, der ganz klar ausdrückt, welcher Paradigmenwechsel stattgefunden hat. "Meine Generation hat den Wandel erlebt von einer Umweltverschmutzung, die vom Individuum nur schwer zu beeinflussen war, zu einer Bedrohung, die ganz stark vom Verhalten des Einzelnen geprägt wird. Das hat auch die Kunst beeinflusst und verändert, die Interaktion zwischen Kunstwerk und Individuum wird bedeutender. Er demonstriert das am Beispiel des von ihm gestalteten BMW Art Car aus dem Jahr 2007. Art Cars heißt die Serie von BMW-Rennwagen, die in unregelmäßiger Folge von Künstlern gestaltet werden. Von Andy Warhol bis Jenny Holzer machten alle dasselbe: Sie bemalten, beklebten oder verzierten die Fahrzeuge. Eliasson schuf den BMW-Wasserstoff-Rekordwagen H2R dagegen gänzlich neu – und zwar aus Eis und gestaltete damit zugleich einen klimasensiblen Raum rund um das Fahrzeug. Wird das Auto gezeigt, muss der Ausstellungsraum auf minus 15 Grad Celsius heruntergekühlt werden. Die nötige Energie beträgt rund 2000 Watt. Betritt nun ein einzelner Mensch den Raum ändert seine individuelle körperliche Heizleistung von rund 18 Watt nichts am Raumklima. Betreten 100 Menschen den Raum kommt die Kühlanlage langsam an ihre Grenze. Betreten 200 Menschen den Raum, ist das Kunstwerk nach einer Weile verschwunden – geschmolzen wir die Gletscher Grönlands.

Zweifellos eine beeindruckende Demonstration der Interaktion von Mensch und Umwelt. Andere gehen noch spielerischer vor und verblüffen umso mehr: Die norwegische "Geruchs-Künstlerin" Sissel Tolaas beschäftigt sich mit der olfaktorischen Seite der Welt und fordert eine Wiedererweckung der Sinne. Vermittelt sich die Welt den Menschen heute überwiegend audiovisuell, könnte die Wiederentdeckung von Riechen, Schmecken und Fühlen weitaus mehr Sensibilität für die Umwelt erzielen. "Die Welt aus der Perspektive der Nase ist eine völlig andere", so Tolaas und beschäftigt sich in ihrem jüngsten Forschungsprojekt mit dem Geruch schmelzenden Polareises. Tolaas: "Es hat einen ganz spezifischen Geruch!"

Da trauen wir lieber der Kreativität der Künstler ehe wir uns mit Sloterdijks trübem Ausblick bescheiden, der befürchtet: "(…) dass unser Jahrhundert als ein Jahrmarkt der Erlöser-Eitelkeiten in die Geschichte eingehen wird, an dessen Ende sich die Menschen nach Erlösung von der Erlösung und der Rettung von den Rettern sehnen".

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen