Politik

Anna Lindh ist tot "Ungeheure Tragödie"

Die schwedische Außenministerin Anna Lindh ist tot. Sie starb an den Folgen des Messer-Attentats. Ärzte hatten bis in den Morgen hinein vergeblich versucht, das Leben der 46-Jährigen zu retten. Die zweifache Mutter hatte durch mehrere Messerstiche schwere innere Blutungen und Schäden an Leber und Magen erlitten. Der nicht identifizierte Attentäter ist flüchtig.

Trotz stundenlanger Operationen über Nacht konnten die Ärzte ihr Leben nicht mehr retten, wie es in der Regierungserklärung hieß. Die schwedische Öffentlichkeit reagierte mit Entsetzen auf die Todesnachricht.

Persson: "Ungeheure Tragödie"

Schwedens Ministerpräsident Göran Persson nannte ihren Tod eine "ungeheure Tragödie" für ihre Familie und für ganz Schweden. Persson, der bei seiner Erklärung mehrfach gegen Tränen kämpfen musste, sagte weiter: "Anna Lindh hat uns verlassen. Die Familie hat die Mutter und Gefährtin verloren. Die Sozialdemokratie hat einen ihrer tüchtigsten Politiker verloren. Die Regierung hat eine befähigte Ministerin und eine gute Kollegin verloren. Schweden hat sein Gesicht nach draußen in die Welt verloren."

Acht Stunden Operation in der Nacht

Persson gab den Todeszeitpunkt mit 05.29 Uhr an. Bis zur Veröffentlichung vergingen etwa dreieinhalb Stunden. Bis zum frühen Morgen hatten Chirurgen am Stockholmer Karolinska-Krankenhaus acht Stunden auf dem Operationstisch um das Leben der 46-Jährigen gekämpft. Nach Abschluss der ersten Operation um 01.00 nachts erklärten die Ärzte, Lindh habe durch die Messerstiche des Attentäters schwere Schäden an der Leber mit starken inneren Blutungen als Folge erlitten.

Nach Aussage ihrer Ärzte ist Anna Landh an einem Versagen der Lungen und dem daraus folgenden Kreislaufkollaps gestorben. Wie die behandelnden Ärzte weiter mitteilten, habe sich der Zustand der mit mehreren Messerstichen in Bauch, Brust und Arm eingelieferten Ministerin nach der ersten Operation über acht Stunden in der Nacht zunächst gebessert. Um 04.30 Uhr sei aber eine sehr rasch voranschreitende Verschlechterung eingetreten.

EU-Referendum wie geplant am Sonntag

Wenige Stunden nach der Bekanntgabe des Todes von Anna Lindh einigten sich die Parlamentsparteien in Stockholm, die Volksabstimmung über die Einführung des Euro in Schweden wie geplant an diesem Sonntag durchzuführen.

Ministerpräsident Persson erklärte, es sei wichtig, dass der demokratische Prozess nicht durch einen Gewaltakt unterbrochen wird. Er kündigte an, dass alle Aktivitäten der Ja- und Nein-Kampagnen bis zur Volksabstimmung eingestellt werden. Allerdings solle es eine abschließende Debatte im Fernsehen geben. Bei Umfragen kurz vor dem Mord an Lindh hatten die Euro-Gegner klar vorn gelegen.

Die Sozialdemokratin Lindh, die auch als mögliche künftige Regierungschefin galt, führte seit 1998 das Außenministerin und war vorher Umweltministerin. International machte sie sich vor allem während der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft 2001 einen Namen. Sie war in der schwedischen Regierung eine der stärksten Befürworterinnen eines Beitritts zur Euro-Zone.

Tat geschah beim Einkauf

Lindh, die als populärste Politikerin in dem skandinavischen Land galt, war am Mittwochnachmittag privat und ohne Leibwächter im NK-Kaufhaus in der Stockholmer City einkaufen gegangen. Augenzeugen berichteten, dass sich plötzlich ein etwa 1,80 Meter großer und mit einer Militärjacke bekleidete Mann vor vielen Augenzeugen auf sie stürzte und kurz darauf mit Blut durchtränkter Kleidung flüchten konnte. Lindh war bei Bewusstsein, als sie am Boden liegend notärztlich versorgt wurde. Sie habe aber sichtlich unter Schock gestanden.

Die Polizei sowie der schwedische Geheimdienst Säpo fahnden fieberhaft nach dem Täter. Die Polizei verfügt nach eigenen Angaben sowohl über die Tatwaffe als auch die vom Mörder auf der Flucht weggeworfene Militärjacke mit dem Blut des Opfers. Unterdessen veröffentlichte die Polizei eine genauere Beschreibung des mutmaßlichen Attentäters. Es handele sich um einen etwa 30 Jahre alten Mann mit untersetzter Statur und schulterlangem, dunkelblonden Haar, sagte ein Polizeisprecher in Stockholm. Der Verdächtige habe zum Zeitpunkt der Tat am Mittwochnachmittag graue oder beigefarbene Kleidung und einen Kapuzenpullover getragen.

Erinnerung an Palme-Attentat

Am 28. Februar 1986 war Schwedens damalige Ministerpräsident Olof Palme durch zwei Schüsse eines Attentäters in der Stockholmer Innenstadt ums Leben gekommen. Der Anschlag gilt als nicht aufgeklärt. Auch bei diesem Attentat war ein Mann plötzlich aufgetaucht und konnte im Anschluss unerkannt entfliehen. Der Schwede Christer Pettersson wurde später in erster Instanz als spontan und allein handelnder Mörder verurteilt, in der Berufung aber wegen grober Verfahrensfehler bei der Identifizierung durch die Palme-Witwe freigesprochen.

Der Tod der beliebten Politikerin dürfte die Debatte über Sicherheitsvorkehrungen in Schweden wieder aufleben lassen. Schwedische Politiker bewegen sich in der Regel ohne Leibwächter in der Öffentlichkeit. In ersten Medienkommentaren wurde der schwedische Geheimdienst Säpo heftig kritisiert, weil Lindh trotz der politisch angespannten Lage kurz vor der Euro-Volksabstimmung keine Leibwächter bekommen habe.

Fischer und Straw schockiert

Die Bundesregierung hat sich "schockiert über die entsetzliche Nachricht " geäußert. "Frau Lindh war eine große Europäerin, große Außenministerin und auch eine sehr gute Freundin ", sagte Außenminister Joschka Fischer sehr bewegt. "Sie stand für alles, was an Schweden und Europa wunderbar ist", sagte der britische Außenminister Jack Straw über seine ermordete schwedische Amtskollegin.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen