Streit um Zuwanderung Union setzt Rau unter Druck
11.06.2002, 06:35 UhrBundespräsident Johannes Rau hat sich mit Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) und dessen Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) zu einem Gespräch über das Zustandekommen des Zuwanderungsgesetzes getroffen. Kurz zuvor war der Parteienstreit über das umstrittene Gesetz wieder aufgeflammt.
Schönbohm und Stolpe wollten nach ihrem Treffen mit dem Bundespräsidenten keine Angaben zum Verlauf der Unterredung machen. Stolpe erklärte, es habe sich um ein internes Gespräch gehandelt. Einzelheiten zu nennen, würde die Würde von Raus Amt unterlaufen. Schönbohm betonte, die unterschiedlichen Positionen von ihm und Stolpe im Hinblick auf die Bundesrats-Entscheidung seien bekannt.
Wahlkampfthema Zuwanderung?
Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) erklärte, falls Rau das Gesetz unterschreibe, werde die Union die Zuwanderung zum Wahlkampfthema machen. Nach Inkrafttreten des Gesetzes würden CDU und CSU dann "bei den Bürgern um Zustimmung dafür werben, dass dieses Gesetz vom Tisch kommt", erklärte er. Bei einem Wahlsieg der Union werde das Gesetz unverzüglich rückgängig gemacht.
Nach Angaben des saarländischen Ministerpräsidenten und CDU-Zuwanderungsexperten Peter Müller bereiten die Unions-regierten Länder bereits eine Verfassungsklage vor, falls Rau das Gesetz unterschreiben sollte. Müller bekräftigte die Haltung der Union, dass die Verabschiedung des Gesetzes im Bundesrat nicht ordnungsgemäß erfolgt sei.
Fischer: "Doppelbödigkeit"
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) entgegnete der Union im Hinblick auf das potenzielle Wahlkampfthema Zuwanderung: "Wir werden dieser Auseinandersetzung nicht ausweichen." Außenminister Joschka Fischer (Grüne) warf Stoiber "Doppelbödigkeit" und "Taktiererei" vor. Grünen-Chefin Claudia Roth warnte die Union davor, Rau unter Druck zu setzen. "Damit unterminieren sie das Vertrauen in demokratische Institutionen und leisten der Politikverdrossenheit Vorschub", sagte Roth.
Bei der Abstimmung im Bundesrat am 22. März war es zum Eklat gekommen. Bundesratspräsident Klaus Wowereit (SPD) hatte das Votum Brandenburgs zum Zuwanderungsgesetz als Zustimmung gewertet, obwohl Stolpe und Schönbohm zuvor unterschiedliche Meinungen geäußert hatten. Der SPD-Ministerpräsident hatte sich für, sein CDU-Innenminister gegen das Gesetz ausgesprochen.
Unter Verfassungsrechtlern ist strittig, ob das Verfahren zum Zuwanderungsgesetz in der Länderkammer zulässig war. Spekulationen gehen dahin, dass Rau, ohne dessen Unterschrift die Regelungen nicht in Kraft treten können, das Gesetz unterzeichnen will. Zugleich wolle er jedoch vermutlich auf die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts in Zweifelsfragen verweisen.
Quelle: ntv.de