Brok fordert Registrierung von Fingerabdrücken Union streitet um Einwanderung
03.01.2014, 08:54 UhrDie Freizügigkeit für Bulgaren und Rumänen sorgt in der Union für Zoff. CDU-Politiker greifen die von der CSU geforderten Regeln scharf an. Doch es gibt auch positive Stimmen. Der Europaabgeordnete Brok fordert sogar, Fingerabdrücke zu nehmen, um Mehrfacheinreisen zu verhindern.
In der Debatte um sogenannte Armutszuwanderung hat der deutsche Europaabgeordnete Elmar Brok von der CDU zur Verhinderung mehrfacher Einreisen die Registrierung von Fingerabdrücken ins Gespräch gebracht. "Zuwanderer, die nur wegen Hartz IV, Kindergeld und Krankenversicherung nach Deutschland kommen, müssen schnell zurück in ihre Heimatländer geschickt werden", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament der "Bild"-Zeitung. "Um Mehrfacheinreisen zu verhindern, sollte man darüber nachdenken, Fingerabdrücke zu nehmen", fügte er hinzu.
Die sozialen Probleme in Bulgarien und Rumänien könnten nicht über das deutsche Sozialsystem gelöst werden, so Brok weiter. Er betonte, die EU-Freizügigkeitsrichtlinie schließe sogenannten Sozialleistungstourismus ausdrücklich aus. "Wer länger als drei Monate in einem anderen EU-Staat leben will, muss eine Arbeit haben, selbstständig sein oder nachweisen, dass er über ausreichende Finanzmittel verfügt und krankenversichert ist", sagte Brok. Er forderte, Bürgermeister, Landes- und Bundespolitiker müssten die klare EU-Regelung "endlich konsequent anwenden".
Der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende und Bundesvize Armin Laschet kritisierte Broks Anregung. "Das sind Vorschläge, die nun wirklich nicht in ein offenes Europa passen", sagte er dem Radiosender WDR5. Gerade in Nordrhein-Westfalen "mit den vielen offenen Grenzen" könne man sich so etwas nicht wünschen.
Anlass der Debatte ist, dass seit Mittwoch die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für Bürger der EU-Staaten Rumänien und Bulgarien gilt, für die es bislang übergangsweise Beschränkungen gab. Diese haben somit vollen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt.
"Slogan wird im Ausland im Gedächtnis bleiben"
Allerdings gab es auch scharfe Kritik aus der CDU an der Forderung der CSU für schärfere Regeln bei der Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien. "Das alles ist im Ganzen unstimmig und unsinnig", sagte CDU-Vorstandsmitglied Regina Görner der "Huffington Post". "Die CSU schürt damit das Vorurteil, dass es bereits massiv Einwanderung in die Sozialsysteme gebe. Die hält sich bisher aber in ganz engen Grenzen." Görner kritisierte auch die CSU-Devise "Wer betrügt, der fliegt": "So ein Slogan wird natürlich auch im Ausland im Gedächtnis bleiben."

Seit 2007 gehören Bulgarien und Rumänien zur EU - nun genießen deren Bürger auch die Freizügigkeit.
(Foto: dpa)
Der Passus findet sich in der Beschlussvorlage für die Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten in Wildbad Kreuth. Die Christsozialen denken an eine dreimonatige Sperrfrist für Sozialhilfe und ein Wiedereinreiseverbot für ausgewiesene Betrüger. SPD und Opposition werfen der CSU Populismus vor. In der CDU war Parteivize Armin Laschet zwar mehrfach auf Distanz zu der CSU-Position gegangen, hatte die Schwesterpartei aber nicht direkt kritisiert.
SPD-Fraktionsvize Carola Reimann warf der CSU in der "Westdeutschen Zeitung" eine "ekelhafte" Doppelzüngigkeit vor. In den Koalitionsverhandlungen habe die Partei den Kommunen finanzielle Unterstützung verwehrt, um die Zuwanderung besser in den Griff zu bekommen. "Das ärgert mich." FDP-Generalsekretärin Nicola Beer kritisierte in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Rundschau", der CSU-Slogan habe "nichts mehr mit einem seriösen Problemlösungsansatz oder einer wahlkampfbedingten Verkürzung der Botschaft zu tun".
Grünen-Chef Cem Özdemir warf der CSU Stimmungsmache vor. Die Partei versuche, vor den Kommunalwahlen in Bayern am 16. März "die Lufthoheit über die Stammtische zu bekommen", sagte Özdemir in der ARD. Er warnte davor, die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU infrage zu stellen. Zudem kritisierte er Angela Merkel. "Die Kanzlerin tut so, als ob sie das alles nichts angehen würde."
Friedrich verteidigt CSU-Position
Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich von der CSU, bis vor kurzem noch für das Innenressort zuständig, verteidigte dagegen die Haltung seiner Partei. "Wer will, dass die Freizügigkeit und europäische Solidarität auch in Zukunft Akzeptanz findet, muss verhindern, dass sie missbraucht wird. Wir beschädigen die Freizügigkeit nicht, sondern wir schützen sie", sagte Friedrich der "Welt".
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Max Straubinger, sagte der "Passauer Neuen Presse", die CSU benötige "keine Nachhilfe von der SPD". "Die Probleme, die durch Armutszuwanderung entstehen, müssen offen benannt und diskutiert werden." Sachsens CDU-Innenminister Markus Ulbig sprang der Schwesterpartei in der "Freien Presse" zur Seite: "Missbrauch der Freizügigkeit schadet der Akzeptanz der EU - das kann man verschieden formulieren, wird aber dadurch nicht falsch."
Nach aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) entfallen nur 0,6 Prozent der Gesamtausgaben für Hartz-IV-Leistungen auf arbeitslose Bulgaren und Rumänen. Zwischen September 2012 und August 2013 beanspruchten sie knapp 172 Millionen Euro. Die Gesamtausgaben liegen bei etwa 32 Milliarden Euro pro Jahr, wie die "Rheinische Post" unter Berufung auf die Daten der BA berichtet. Den Angaben zufolge liegt der Anteil der Leistungsbezieher unter den in Deutschland lebenden Bulgaren bei 14,8 Prozent und bei den Rumänen bei 7,4 Prozent.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP