Lieber langweilige Scheinfragen Union will Parlamentsarbeit nicht beleben
24.02.2015, 20:30 Uhr
Norbert Lammert fordert eine Debattenreform.
(Foto: picture alliance / dpa)
Zwei Drittel der Deutschen können sich nicht an eine Parlamentsdebatte in jüngster Zeit erinnern. Um das Interesse am Bundestag zu steigern, schlägt Bundestagspräsident Lammert eine entscheidende Neuerung vor. Aber die Unionsfraktion ist dagegen.
Die Unionsfraktion wehrt sich gegen Vorschläge von Bundestagspräsident Norbert Lammert zur Belebung der Parlamentsarbeit. CSU-Parlamentsgeschäftsführer Max Straubinger lehnte Lammerts Idee ab, dass die Fraktionen für die Befragung der Regierung eigene Themen setzen können.
Bisher können die Abgeordneten in der Regel nur zu Kabinettsbeschlüssen Fragen stellen. Am Donnerstag soll sich der Ältestenrat erneut mit einer möglichen Neuregelung dazu befassen. Das Lammert-Konzept für eine geänderte Regierungsbefragung und eine neue Form der Fragestunde würde vor allem der Opposition die Auseinandersetzung mit der Regierung erleichtern.
Hintergrund von Lammerts Reformvorschlägen ist, dass bei Fragestunden im Bundestag mehrfach kein einziger Bundesminister der großen Koalition persönlich ins Plenum kam. Darüber ist vor allem die Opposition - aber auch der Parlamentspräsident - verärgert.
Grüne und Linke kritisieren zudem, dass Regierungsbefragungen wegen der großen Mehrheit der Koalition fast ausschließlich aus wohlwollenden Scheinfragen aus den Reihen von Union und SPD bestehen. Um die Sitzungen wieder relevanter zu machen, will Lammert der Opposition erheblich mehr Rechte geben und die Minister zur Anwesenheit verpflichten.
Das Volk hat schon abgeschaltet
Die Regierungsfraktionen dagegen sehen höchstens geringen Änderungsbedarf. Straubinger sprach im Bezug auf Lammerts Vorschläge von einer "indirekten Ausweitung der Minderheitenrechte der Oppositionsfraktionen". Auf die Frage, was die große Koalition mit einer Mehrheit von derzeit gut 80 Prozent gegen eine Ausweitung der Rechte der beiden kleinen Oppositionsfraktionen habe, sagte er: "Sie könnten sich ja auf einen bestimmten Bundesminister einschießen." Jeder Abgeordnete sollte seiner Meinung nach die Möglichkeit haben, die Bundesregierung völlig frei, aber nur zu Beschlüssen des Kabinetts zu befragen.
Lammert will gerade die Kabinettsbeschlüsse nach hinten rücken. Die Union allerdings ist der Auffassung, dass es gegen das Mehrheitsprinzip im Grundgesetz verstoße, wenn jede kleine Fraktion einen Minister ins Plenum bestellen könne. Anwesende Minister sollten nach Unionsvorstellung auch ausschließlich zu Themen aus ihren Ressorts Rede und Antwort stehen.
Aus Sicht von Wissenschaftlern ist der Reformbedarf groß. Die Bevölkerung nimmt die Debatten im Parlament kaum noch wahr: Einer Studie der Bertelsmann Stiftung zufolge können sich 64 Prozent der Bundesbürger nicht an eine Plenumsdebatte in jüngster Zeit erinnern.
Quelle: ntv.de, ahe/dpa