Keine Steuersenkung ohne Ausgleich Unions-Länder steuern gegen
23.11.2009, 21:00 UhrDie Bundesregierung verliert in den eigenen Reihen den Rückhalt für ihre Steuersenkungspläne. Mehrere Länder wollen wegen befürchteter Mindereinnahmen dem Wachstumsgesetz ohne Gegenleistungen nicht zustimmen. Auch die Verringerung der Mehrwertsteuer im Hotelgewerbe stößt auf Kritik. Kanzlerin Merkel sagt derweil - nichts.
"Solange die Frage der Kompensation nicht geregelt ist, hebt Schleswig-Holstein im Bundesrat nicht die Hand für das Gesetz zur Steuerentlastung", sagte CDU-Landtagsfraktionschef Christian von Boetticher der Zeitung "Die Welt". Der Kieler CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen bekräftigte derweil im CDU-Präsidium seine Position, dass sein Land finanziell die Belastung nicht allein schultern könne. Ähnlich argumentierte FDP-Landtagsfraktionschef Wolfgang Kubicki in der "Leipziger Volkszeitung".

Gegen den Wind: Schleswig-Holstein und andere Länder wollen nicht für die Steuersenkungen aufkommen. (Bild: Segelschulschiff Gorch Fock)
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Die Koalition in Schleswig-Holstein beharrt vor allem auf einem Ausgleich für die Einnahmeausfälle durch die Absenkung des Mehrwertsteuersatzes für Hotels auf 7 von 19 Prozent. Ohne die Zustimmung der Kieler Regierung im Bundesrat hätten Union und FDP keine Mehrheit in der Länderkammer für ihr Wachstumsgesetz, das am Donnerstag im Bundestag beschlossen werden soll. Der vor allem von der CSU forcierte Steuer-Bonus für Hotel-Übernachtungen kostet den Staat eine Milliarde Euro.
Das so genannte Wachstums-Beschleunigungsgesetz bündelt Maßnahmen zur Entlastung von Familien und Unternehmen im Umfang von insgesamt 8,4 Milliarden Euro. Es soll zum 1. Januar in Kraft treten. In dem Gesetz enthalten sind unter anderem eine Anhebung des Kinderfreibetrags, eine Erhöhung des Kindergelds und Änderungen an der Erbschaft- und Unternehmensteuer.
Auch andere Länder blockieren
Neben Schleswig-Holstein melden nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) auch Sachsen, das Saarland und Baden-Württemberg Bedenken gegen die Steuerpläne an. Im Saarbrücker Finanzministerium hieß es demnach, die neue Jamaika-Koalition habe ihr Abstimmungsverhalten im Bundesrat noch nicht festgelegt. Man befürchte aber "nicht verkraftbare Einnahmeausfälle, die im Widerspruch zu den Verpflichtungen aus der Schuldenbremse stehen".

Vor allem die Senkung der Mehrwertsteuer auf Übernachtungen wird kritisiert.
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Baden-Württembergs CDU-Finanzminister Willi Stächele sagte der Zeitung, der Koalitionsvertrag werde eingehalten, seine Regierung verlange vom Bund aber einen Ausgleich für die Einnahmeverluste. "Finanzausgleichsverhandlungen sind im parlamentarischen Verfahren üblich", betonte er.
Die Verringerung der Mehrwertsteuer auf Hotelübernachtungen stößt unterdessen auch auf Widerstand in der FDP-Bundestagsfraktion. "Wozu diese Eile? Es wäre sinnvoller, die ohnehin vereinbarte Überprüfung aller Mehrwertsteuerausnahmen dazu zu nutzen, auch die Frage des künftigen Umgangs mit dem Hotelgewerbe zu klären", sagte der Haushaltsexperte Florian Toncar laut "SZ". Auch an anderer Stelle hieß es, die Pläne der Regierung seien systemwidrig und verkomplizierten das Steuerrecht, statt es zu vereinfachen.
Kein Machtwort von Merkel
Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht dennoch keinen Grund für ein Machtwort . Dies machte ihr Sprecher Ulrich Wilhelm deutlich. Mit dem Wachstums-Beschleunigungsgesetz werde der Koalitionsvertrag von Union und FDP umgesetzt, sagte Wilhelm. Auf die Frage, ob es Zugeständnisse an die Länder geben soll, sagte Wilhelm: "Ich kann das nicht erkennen."
CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder machte derweil Druck auf die Landesregierung von Schleswig-Holstein. Der Bund könne die entstehenden Steuerneinbußen für Übernachtungen nur für seinen Anteil, nicht aber für einzelne Länder übernehmen, sagte Kauder in Berlin.
"Am Ende stand der Konsens, wir schaffen das"
Dennoch zeigte sich Kauder überzeugt, dass Schleswig-Holstein dem Gesetzespaket zur Wachstumsbeschleunigung zustimmen werde. Das Gesetz sei wichtig, um die Wirtschaft 2010 anzukurbeln. "Es wird auch beschlossen werden, davon bin ich überzeugt", sagte Kauder vor einer CDU-Präsidiumssitzung.
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte, es bestehe Einigkeit in dem Ziel, das Wachstumsbeschleunigungsgesetz am 1. Januar in Kraft treten zu lassen. Aber Veränderungen im parlamentarischen Verfahren seien nichts Ungewöhnliches. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel hätten sich gesprächsbereit gezeigt. "Am Ende stand der Konsens, wir schaffen das."
Gesetz nicht aus Landeshaushalt bezahlen
Kubicki rechnet für Schleswig-Holstein mit Mindereinnahmen von 70 Millionen Euro. "Wir sind nicht grundsätzlich gegen Steuerentlastungen. Aber wir können und wollen sie nicht aus dem Landeshaushalt bezahlen", sagte er der "Welt". Kubicki schlug vor, der Bund solle zugunsten der Länder auf ein Prozent seines Mehrwertsteuer-Ertrags verzichten. Denkbare Kompensationen seien auch Direktinvestitionen des Bundes in Schleswig-Holstein, so Kubicki.

Schwarz-Gelb im Norden: Ministerpräsident Carstensen (CDU, l) und FDP-Fraktionschef Kubicki.
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CDU-Ministerpräsident Carstensen wisse, "dass seine Koalitionsfraktionen geschlossen hinter ihm stehen, dass es um die Interessen des Landes und nicht um den Willen der Bundeskanzlerin geht", argumentierte Kubicki. "In letzter Konsequenz, wenn es keine Angebote des Bundes gibt, werden wir im Bundesrat nicht zustimmen."
Wulff will zustimmen
Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff kündigte indes an, seine CDU/FDP-Regierung werde trotz starker Bedenken gegen die Subventionen für die Hotels zustimmen. Man wolle der neuen Bundesregierung "einen kraftvollen Start ermöglichen". Die "Sondersubvention" für die Hotels allerdings sei schwer zu begründen. Die Mindereinnahmen aus dem Wachstumsgesetz könne Niedersachsen jedoch verkraften. Allerdings warnte Wulff vor weiteren Belastungen für Länder und Kommunen.
FDP-Chef Guido Westerwelle argumentierte, das Konjunkturprogramm sei gut für Bund und alle Länder, weil durch den Wachstumsimpuls auch die Staatsfinanzen wieder konsolidiert werden könnten. Gerade Bundesländer mit viel Tourismus müssten ein Interesse an dem verminderten Mehrwertsteuersatz für Übernachtungen haben.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/rts/SZ