Politik

Verfassungsklage gegen Steuerpläne? Unions-Länder verärgern FDP

Die unionsgeführten Länder streiten mit der FDP offen über die Steuersenkungen der schwarz-gelben Bundesregierung und die für 2011 geplante Reform. Mehrere Bundesländer wollen die Milliarden-Entlastungen nicht tragen, sehen dadurch die vereinbarten Qualitätsverbesserungen im Bildungswesen gefährdet und drohen mit Verfassungsklage.

Wirtschaftsminister Brüderle erinnert die Länder an die Vereinbarungen der Koalition.

Wirtschaftsminister Brüderle erinnert die Länder an die Vereinbarungen der Koalition.

(Foto: dpa)

Die schwarz-gelbe Koalition streitet inzwischen auf offener Bühne um die versprochenen Steuersenkungen in Höhe von 24 Milliarden Euro. Während die FDP auf den Entlastungen beharrt und sie bereits 2010 umsetzen will, kritisieren unionsgeführte Bundesländer die Versprechen und drohen sogar mit dem Gang nach Karlsruhe. Auf entsprechende Drohungen reagiert die FDP zunehmend gereizt .

"Ich warne davor, die Steuerentlastung gleich zu Beginn schon wieder zu zerreden", sagte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). Durch die Debatte in den Reihen der schwarz-gelben Koalition bestehe die Gefahr "ein falsches Signal zu setzen, das Wirtschaft und Konsumenten verunsichert", sagte Brüderle dem "Handelsblatt". Er verwies darauf, dass Union und FDP zu ihren Steuerplänen eine klare Vereinbarung geschlossen hätten, "um die wir bis zuletzt gerungen haben und aus der man sich jetzt auch nicht wieder herausstehlen sollte".

Auch FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger forderte von den CDU-Ministerpräsidenten Vertragstreue bei den versprochenen Entlastungen. Es solle "mir jetzt keiner damit kommen, er hätte jetzt erst kapiert, dass wir eine schwierige Finanzlage haben", sagte Homburger der "Süddeutschen".

Rüttgers will neu bewerten

Dagegen wollte sich auch NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) auf umfassende Steuersenkungen 2011 nicht festlegen. Er bekannte sich nur zu der für 2010 von der Koalition verabredeten ersten Entlastungsstufe, die zum größten Teil ohnehin bereits von der großen Koalition beschlossen wurde. "Was dann ab 2011 in der zweiten Stufe der Koalitionsvereinbarungen angesprochen ist, das muss zwischen Bund und Ländern noch bewertet werden", sagte er am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz in Mainz. Grundsätzlich seien Entlastungen aber richtig, um einen Wachstumsimpuls zu setzen.

Die Ministerpräsidenten der Länder tagen in Mainz.

Die Ministerpräsidenten der Länder tagen in Mainz.

(Foto: dpa)

Schwarz-Gelb hat im Koalitionsvertrag Entlastungen von insgesamt 24 Milliarden Euro versprochen, die im Laufe der Legislaturperiode umgesetzt werden sollen. Zudem soll eine Steuerreform zum 1. Januar 2011 einen Steuer-Stufentarif einführen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Mit Blick auf die Wirtschaftskrise spricht alles dafür, den zweiten Schritt im Jahr 2011 zu machen." Das "Möglichst" im Koalitionsvertrag beziehe sich nicht auf die Haushaltslage. "Ob wir den zweiten Entlastungsschritt schon 2011 schaffen, ist keine Frage des Geldes, sondern davon abhängig, ob wir die offenen Punkte rechtzeitig klären können."

Bröhmer droht mit Verfassungsklage

Böhmer will nicht die Steuersenkungen der Regierungskoalition in Berlin finanzieren.

Böhmer will nicht die Steuersenkungen der Regierungskoalition in Berlin finanzieren.

(Foto: picture-alliance/ ZB)

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) drohte unterdessen ebenso wie zuvor das SPD-regierte Berlin mit einer Verfassungsklage gegen die geplanten Steuersenkungen. "Wenn ein Bundesland durch Steuergesetze des Bundes gezwungen wird, gegen die Schuldenbremse zu verstoßen, sollte man über eine juristische Überprüfung nachdenken", sagte er dem "Hamburger Abendblatt". Steuersenkungen von 24 Milliarden Euro, wie sie der Koalitionsvertrag im Bund vorsieht, seien "für Sachsen-Anhalt nicht zumutbar".

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) schloss eine Klage ebenfalls nicht aus. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) sagte dagegen in Mainz, sein Land beabsichtige keine Klage, sondern suche den Dialog. Auch Beck betonte, dass es zuerst Gespräche und Verhandlungen geben werde. Für den 16. Dezember kündigte er ein Gespräch der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die weitere Bildungsfinanzierung an.

Weniger einnehmen, aber mehr ausgeben und sparen?

Bund und Länder waren auf dem Bildungsgipfel vor einem Jahr in Dresden übereingekommen, die Ausgaben für Bildung und Forschung bis 2015 auf zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) anzuheben. Nach Meinung mehrerer Ministerpräsidenten gefährden die von Union und FDP geplanten Steuersenkungen die angestrebten Qualitätsverbesserungen in Kindergärten, Schulen und Hochschulen. Durch Steuerausfälle in Milliardenhöhe würden Ausgabensteigerungen für Bildung und Forschung "unendlich erschwert", sagte Beck: "Immer weniger einnehmen, immer mehr ausgeben und die Schuldenbremse einhalten, das kann eigentlich nicht funktionieren." Er persönlich sei hinsichtlich der geplanten Steuersenkungen "mehr als skeptisch".

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnte angesichts der befürchteten Steuerausfälle vor einer neuen Sparwelle an Schulen und Hochschulen. Die Politik würde völlig unglaubwürdig, "wenn den vollmundigen Erklärungen des Bildungsgipfels wegen der von Union und FDP versprochenen unsinnigen Steuersenkungen keine Taten folgten", sagte die GEW-Vize-Vorsitzende Marianne Demmer. "Wer Deutschland zur Bildungsrepublik machen will, muss dafür auch die notwendigen Mittel bereitstellen."

Protestierende Länder "nicht relevant"

Rückendeckung bekam Böhmer auch vom Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann. Der Ministerpräsident mache zu Recht darauf aufmerksam, dass die Bundesregierung nicht einfach Entscheidungen zulasten Dritter wie den Ländern treffen könne, sagte Zimmermann dem "Handelsblatt".

Brüderle kritisierte Böhmer dagegen scharf. "Das Verhalten und die Ankündigung von Ministerpräsident Böhmer helfen wirklich nicht weiter", sagte er der "Bild". Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) sagte zu den Protesten seiner Länderkollegen gegen zu hohe Einnahmeausfälle der Münchner Zeitung "tz": "Die Länder, die jetzt protestieren, sind im Bundesrat nicht relevant."

Julis wollen sparen

Die Jungen Liberalen (Julis) fordern derweil von der neuen schwarz-gelben Bundesregierung in den kommenden Jahren deutliche Sparanstrengungen. Angesichts der geplanten Entlastungen müsse die Haushaltskonsolidierung konsequent vorangetrieben werden, sagte der Vorsitzende der FDP-Nachwuchsorganisation, Johannes Vogel, in Saarbrücken. Er sei sicher, dass es den von der Koalition vereinbarten Umbau des Steuersystems geben wird. "Der Zeitpunkt ist möglichst 2011. Wir hoffen, dass das gelingt."

Quelle: ntv.de, cwo/AFP/dpa

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