Rektoren bitten Studenten um Zeit Unis beschuldigen Länder
24.11.2009, 17:08 UhrBegleitet von tausenden protestierenden Studenten beraten die Hochschulrektoren über die Probleme der neuen Studiengänge Bachelor und Master. Allerdings schieben sie die Hauptschuld für die Misere an die Bundesländer weiter, weil den Universitäten das Geld fehle.

Sparen an der falschen Stelle? Die Wut der Studenten über die unterfinanzierte Bildung ist groß.
(Foto: REUTERS)
Die Hochschulrektoren haben angesichts der seit drei Wochen anhaltenden Studentenproteste den Ländern schwere Vorwürfe bei der Einführung der Bachelor-Studiengänge gemacht. Die neuen Studiengänge seien unterfinanziert und zum Teil überreguliert, heißt es in einer auf der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in Leipzig einstimmig angenommenen Resolution. Auch hätten es die Länder versäumt, für Hochschulen wie für Studierende in wesentlichen Punkten für "Rechtssicherheit und Verlässlichkeit" zu sorgen.
Am Rande der Konferenz demonstrierten nach Polizeiangaben erneut rund 4000 Studenten, die aus dem gesamten Bundesgebiet angereist waren. HRK-Präsidentin Margret Wintermantel räumte ein, dass es bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses in einigen Studiengängen durchaus Probleme gebe, etwa durch die Prüfungsbelastungen. "Bei solch einer Riesen-Reform läuft nicht alles problemlos." Die Hochschulen seien aber dabei, ihre Studiengänge zu überprüfen. Wenn es Mängel gebe, würden Verbesserungen vorgenommen, sagte Wintermantel. Der Rektor der Leipziger Universität, Franz Häuser, beklagte eine zu einseitige Diskussion über die Umsetzung der Bologna-Reform in der Öffentlichkeit.
Unis bitten um mehr Zeit

HRK-Präsidentin Wintermantel räumt zwar Versäumnisse ein, gibt den Schwarzen Peter aber an die Länder weiter.
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Die Rektoren baten die Studenten bei der weiteren Reform des Bachelor-Studiums um mehr Geduld. Es gebe bereits vielerorts sichtbare Erfolge, wie die Verkürzung der Studienzeiten und mehr Akzeptanz der Bachelor-Absolventen auf dem Arbeitsmarkt. Die Studiengänge würden "ständig unter der Beteiligung der Studierenden überprüft und, wenn notwendig, weiterentwickelt. Dies geschah und geschieht auch bei derzeit in Kritik geratenen Studiengängen."
Die Studenten forderten auf Plakaten unter anderem "Bildung für alle und zwar kostenlos" und "Geld für Bildung statt Bildung für Geld". Der Hochschulexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Kai Gehring, forderte Kurskorrekturen mit dem Ziel, "Stofffülle, Zahl der Prüfungen und Arbeitsbelastung zu reduzieren".
"Alibiveranstaltung"
Unter den Rektoren gibt es offenbar deutliche Meinungsverschiedenheiten, wie mit den Studentenprotesten weiter umzugehen ist. An der Sitzung hatten zwei vom HRK-Präsidium ausgewählte Studentenvertreter teilgenommen. Das war von mehreren Rektoren unter großem Beifall als "Alibiveranstaltung" kritisiert worden.

Die Studenten nutzten die Konferenz in Leipzig, um den Druck aufrecht zu erhalten.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält die Kritik an der Neuordnung des Studiensystems "sicher an der einen oder anderen Stelle" für berechtigt. Zugleich verwies sie auf die Grundsatzentscheidung, bis 2015 sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Bildung zu investieren. Es werde jetzt mit den Ländern über Finanzierungsvoraussetzungen gesprochen, sagte Merkel auf dem Deutschen Arbeitgebertag in Berlin.
Hochschulen unterfinanziert
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel forderte auf derselben Veranstaltung, der Bund müsse in den kommenden vier Jahren dafür sorgen, "dass zehn Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich in Bildung und Forschung investiert werden". Zur Gegenfinanzierung schlug er unter anderem die Einführung einer Börsenumsatzsteuer und die Intensivierung des Kampfes gegen die Steuerhinterziehung vor.
Laut einer Umfrage unter deutschen Hochschulen ist jede vierte staatliche Hochschule unterfinanziert. Gleichzeitig sehen sie sich einem immer stärkeren Wettbewerb um Studierende, Lehrkräfte und finanzielle Mittel ausgesetzt, wie eine Studie der Beratungsgesellschaft Ernst & Young ergab.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP