Politik

Wikileaks-Dokumente zu Guantánamo Unschuldige jahrelang inhaftiert

(Foto: dpa)

Dokumente der Enthüllungsplattform Wikileaks zeigen, mit wie fragwürdigen Begründungen die US-Regierung über das Schicksal von Terrorverdächtigen in Guantánamo verfügte. Unter den Gefangenen waren demnach Unschuldige, aber auch seelisch kranke und altersschwache Menschen. Dagegen wurden als "gefährlich" eingestufte Häftlinge entlassen.

Im US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba sind einer neuen Enthüllung der Internetseite Wikileaks zufolge jahrelang zahlreiche Unschuldige festgehalten worden. Die von mehreren europäischen und US-Medien veröffentlichten Dokumente zeigen, dass Insassen ohne Verfahren und stichhaltige Beweise einsitzen mussten. Die Inhaftierungen seien völlig willkürlich gewesen, berichtete die spanische Zeitung "El País". Zugleich seien Dutzende Häftlinge trotz ihrer Einstufung als "hochgefährlich" entlassen worden.

Die mehr als 700 Geheimdokumente des US-Verteidigungsministeriums geben einen Einblick hinter die Kulissen des umstrittenen Gefangenlagers, in dem die USA seit Anfang 2002 Terrorverdächtige aus aller Welt internieren. Die von Februar 2002 bis Januar 2009 reichenden Dossiers über frühere und aktuelle Häftlinge machen deutlich, mit wie fragwürdigen Begründungen die US-Regierung über das Schicksal von Terrorverdächtigen verfügte.

Wie der britische "Daily Telegraph" unter Berufung auf die in den Dokumenten zitierten US-Militäranalysten berichtete, galten nur 220 der insgesamt 779 Guantánamo-Insassen als gefährliche Extremisten. Etwa 380 Häftlinge wurden demnach als "Fußsoldaten" niedrigeren Ranges eingestuft, die etwa den radikalislamischen Taliban nahestanden.

Unschuldige jahrelang festgehalten

Bei mindestens 150 Häftlingen jedoch handelte es sich den Dokumenten zufolge um unschuldige Afghanen und Pakistaner, darunter Bauern und Fahrer. Sie seien teilweise jahrelang aufgrund von Fehlern bei der Feststellung ihrer Identität in Guantánamo festgehalten worden - oder weil sie schlicht zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen seien. Auch seelisch kranke oder altersschwache Menschen wurden den Medienberichten zufolge inhaftiert.

Dem US-Radiosender NPR zufolge räumten die Verantwortlichen in Guantánamo in mindestens zwei Fällen in den Schriftstücken ein, Unschuldige hinter Gittern zu halten. Dennoch habe es anschließend noch Monate gedauert, bis die Betroffenen in ihre Heimatländer zurückgebracht worden seien.

Das Lager habe dem amerikanischen Militär in erster Linie dazu gedient, von den Gefangenen Informationen zu erhalten, heißt es in den Medienberichten weiter. Über die Verhörmethoden werden nach Angaben von "El País" in den Unterlagen keine Angaben gemacht. US-Präsident Barack Obama hatte das Lager eigentlich schließen wollen, dieses Versprechen aber nicht eingelöst.

"Gefährliche" Insassen entlassen

Auf der anderen Seite berichtete die "New York Times", dass knapp ein Drittel der in ihre Heimat oder Drittländer gebrachten Guantánamo-Insassen vor der Entlassung als "gefährlich" eingestuft worden seien. Das Blatt schildert den Fall des Terrorverdächtigen Abu Sufian bin Kumu, der in Afghanistan an der Seite der Taliban kämpfte und mittlerweile in Libyen Rebellen im Kampf gegen Machthaber Muammar al-Gaddafi ausbildet.

Die "New York Times" und das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichteten, dass auch der Bremer Deutsch-Türke Murat Kurnaz noch im Mai 2006, drei Monate vor seiner Entlassung, als großes Sicherheitsrisiko bewertet worden sei. Das Pentagon habe sich damals gegen seine Entlassung ausgesprochen. Nach einer Intervention der Bundesregierung kam er aber frei und kehrte nach Deutschland zurück. Die Vorwürfe gegen Kurnaz wurden nicht bewiesen.

Wikileaks hatte die Geheimdokumente seinen Medienpartnern vorab zur Verfügung gestellt und will sie auch im Internet einstellen. Die US-Regierung bezeichnete die Veröffentlichung als "unglücklich". In einer vom Pentagon sowie vom Außenministerium verbreiteten Erklärung hieß es, sowohl zu Zeiten der Regierung von Präsident George W. Bush sowie seines Nachfolgers Barack Obama habe der Schutz der US-Bürger "oberste Priorität" gehabt. Wikileaks hatte bereits im vergangenen Jahr mit der Veröffentlichung von Depeschen der US-Diplomatie sowie geheimen Militärdokumenten zu den Einsätzen in Afghanistan und im Irak den Zorn Washingtons auf sich gezogen.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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