Arbeitslose im Pflegeeinsatz "Unseriöses PR-Spektakel"?
17.08.2008, 18:18 UhrPläne der Bundesagentur für Arbeit (BA), Langzeitarbeitslose für Pflegedienste einzusetzen, stoßen auf scharfe Kritik. Pflegeexperten sowie Politiker von SPD und FDP kritisierten das Vorhaben scharf. Der pflegepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Willi Zylajew, sprach von einem "unseriösen PR-Spektakel". Dagegen sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder der "Bild am Sonntag": "Wenn die Menschen für diese Aufgabe qualifiziert sind, ist das in Ordnung." Die "Süddeutsche Zeitung" hatte über Pläne der BA berichtet, mehrere tausend Langzeitarbeitslose mit der Versorgung von Demenzkranken zu beauftragen.
Nach dem neuen Pflegegesetz dürfen Pflegeheime für Demenzkranke zusätzliches Personal einstellen; die Kosten tragen die Pflegekassen. Derzeit würden überall in Deutschland Bewerberpools gebildet, sagte eine BA-Sprecherin dazu der "SZ". Teilnehmen könne jeder, der sich für die Arbeit in einem Heim interessiere und für eine Weiterbildung in Frage komme.
Unterschätzte Herausforderung
"Ich halte nichts von diesem Vorschlag. Demenzkranke zu pflegen, ist physisch und psychisch eine sehr große Herausforderung. Im Interesse der Kranken und in ihrem eigenen Interesse müssen die Pflegenden eine sehr gute Ausbildung und Betreuung haben", sagte Sachsens Arbeitsminister Thomas Jurk (SPD) dazu der "Leipziger Volkszeitung". Josef Hille von der Alzheimer Gesellschaft Sachsen sprach im selben Blatt von einem "unüberlegten Schnellschuss von Leuten, die nichts mit der Pflege zu tun haben".
"Der Wert der Pflege wird so gering eingeschätzt, dass nun Hilfskräfte eingesetzt werden sollen, die nach einem Kurzlehrgang auf die Menschen losgelassen werden sollen. Wer sich das ausdenkt, hat von Pflege und Menschlichkeit keine Ahnung", kritisierte auch der Bundesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Wilhelm Schmidt. Er äußerte sich im "Tagesspiegel" empört über das Vorhaben. Auch Zylajew verlangte im "Tagesspiegel", Pflegeassistenten müssten "gut ausgebildet und anständig bezahlt werden".
Arbeitsmarkt und soziale Verantwortung
"Allein der Umstand der Arbeitslosigkeit ist keine Qualifikation für einen Pflegeberuf", kritisierte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel das Vorhaben in der "BamS". Die Pflege alter und kranker Menschen sei "zu wichtig für eine solche arbeitsmarktstatistische Scharlatanerie".
Kritik äußerte auch der Münchner Pflegeexperte Claus Fussek: "Man kann nicht jeden in so einen Beruf schicken". Die Arbeitslosen sollen dem Bericht zufolge nur eine Kurzausbildung bekommen. Ein Entwurf des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sieht laut "SZ" 160 Stunden Unterricht und einige Praktika vor. Vergleichbare Lehrgänge in der Vergangenheit hätten dagegen 900 Stunden Schulung vorgesehen, kritisierte ein Sprecher der Deutschen Alzheimergesellschaft. Der GKV-Spitzenverband soll die Richtlinien demnach am Dienstag beschließen.
Quelle: ntv.de