Vor 70 Jahren starb Erich Ohser Vater und Sohn, Gestapo und Tod
06.04.2014, 06:23 Uhr
Erich Ohser 1942 an seinem Schreibtisch.
(Foto: Erich Ohser - e.o.plauen-Stiftung )
Unsterblich ist Erich Ohser mit seinen Comics geworden: "Vater und Sohn" begeistern seit Generationen die Leser. Doch der Zeichner hatte im Nationalsozialismus mit Repressalien zu kämpfen. Dann wurde er von einem Nachbarn an die Gestapo denunziert.
Die buschigen Augenbrauen und der Riesenschnauzbart des Vaters haben sich den Lesern in Deutschland ebenso eingeprägt wie der kecke Haarschopf des Sohnes. Seine "Vater und Sohn"-Bildgeschichten machten den Zeichner und Illustrator Erich Ohser aus Plauen im sächsischen Vogtland einst bekannt. Sein heutiger 70. Todestag wird dort aber eher still begangen. Denn Ohser erhängte sich in einem Gefängnis der Gestapo, um dem sicheren Todesurteil zu entgehen.
Hohe Nadelbäume umgeben das Grab des Künstlers auf dem Plauener Hauptfriedhof. Gärtner haben gelbe und blaue Stiefmütterchen gepflanzt. Auf dem grauen Grabstein sind auch die bekanntesten Geschöpfe Ohsers - Vater und Sohn - verewigt, wie sie Hand in Hand dem Mond entgegengehen.
Witze gegen die Nazis und den Krieg
Das Bildchen stammt aus der letzten seiner rund 300 Bildergeschichten, mit der sich Ohser 1937 von den Lesern der damaligen "Berliner Illustrirten Zeitung" verabschiedet hatte. Jene Cartoons, die der Künstler unter dem Pseudonym e.o.plauen veröffentlichte, machten ihn populär.

Wortlos entfaltet Ohser in wenigen Panels seine Alltagsgeschichten um Vater und Sohn. Eine Auswahl liegt nun erstmals koloriert vor (klicken für den gesamten Strip).
(Foto: "Vater und Sohn: Zwei, die sich lieb haben" / Südverlag GmbH)
Der 1903 im vogtländischen Untergettengrün geborene Ohser hatte in Plauen seine Jugend verbracht. "Wir werden Blumen hinlegen", verspricht Hansgünter Fleischer vom Vorstand der hiesigen e.o.plauen-Gesellschaft. "Die Feier von Geburtstagen ist einfacher", räumt die Chefin des Erich-Ohser-Hauses, Elke Schulze, ein. Aus ihrer Feder stammt die neue, 144-seitige Biografie zum Leben des Künstlers. "Es die erste Biografie zu Ohser überhaupt", erläutert Schulze. Der Anlass dafür seien sowohl Ohsers 70. Todestag als auch sein 111. Geburtstag am 18. März gewesen. Zudem werde im Herbst eine Broschüre zu seinen Lebensstationen in der Region erscheinen.
Ohser hatte Mitte der 20er Jahre in Leipzig studiert, wo er seine Karriere als Buchillustrator und Karikaturist begann. Dort freundete er sich auch mit dem Journalisten Erich Knauf und dem Schriftsteller Erich Kästner an, dessen Gedichtbände er illustrierte. Sie wurden als "die drei Erichs" bekannt. Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten, die er als Karikaturist schon früh aufs Korn genommen hatte, endete aber auch seine Karriere - der Eintritt in die Reichspressekammer wurde ihm verwehrt.
Zeichnungen gegen die Alliierten
Einen Ausweg aus diesem Berufsverbot bot ihm ab Dezember 1934 die "Berliner Illustrirte", die eine Alternative zu den amerikanischen "Micky Maus"-Comics suchte. Für die Zeitung entwickelte Ohser, der seit 1927 in Berlin wohnte, seine "Vater und Sohn"-Strips. Damit sie überhaupt erscheinen konnten, musste er zusagen, sich nicht politisch zu betätigen und unter Pseudonym zu arbeiten - e.o.plauen war geboren. Die bis 1937 wöchentlich erscheinende Serie wurde ein Erfolg, sowohl in der Zeitung als auch in Buchform. Nach dem Ende des Comics zeichnete Ohser für die neue, bewusst liberal gehaltene Zeitung "Das Reich", für die er Propagandazeichnungen gegen die Alliierten anfertigte. Zudem arbeitete er in der Deutschen Zeichenfilm GmbH zusammen mit Manfred Schmidt ("Nick Knatterton") an einem Kurztrickfilm fürs Kino.

Die Comics bestechen durch den einfachen Strich und den subtilen, hintersinnigen Humor (klicken für den gesamten Strip).
(Foto: "Vater und Sohn: Zwei, die sich lieb haben" / Südverlag GmbH)
Trotz seiner Tätigkeit im Propagandaapparat von Minister Joseph Goebbels lehnte Ohser den Nationalsozialismus weiterhin ab. Der Nachbar und Wehrmachts-Hauptmann Bruno Schultz war es, der Ohser und Knauf im Februar 1944 denunzierte. Zuvor waren die in Berlin ausgebombten Männer bei einer Familie in Kaulsdorf untergekommen und hatten sich dort mit Nachbarn unter anderem politische Witze erzählt sowie auf das Nazi-Regime und den Krieg geschimpft. "Die Witze wurden genau mitprotokolliert", erzählt Schulze, die für ihre Arbeit an der Biografie die Prozessakten eingesehen hat.
Ende März wurden Ohser und Knauf als "Wehrkraftzersetzer" von der Gestapo verhaftet. Sie sollten sich vor dem Volksgerichtshof unter Roland Freisler verantworten. In der Nacht zum 6. April, dem Tag des Prozessbeginns, nahm sich Ohser in der Untersuchungshaft in Berlin Alt-Moabit das Leben. Er schrieb noch einen Abschiedsbrief an seine Familie. Und einen zweiten Brief, in dem er mit den Nazi-Richtern abrechnete - und mit seinem Verräter: "Hauptmann Schultz ist das seelisch Verkommenste, was ich je im Leben erlebt habe", schrieb Ohser. Zudem versuchte er, seinen Freund Knauf zu entlasten. Doch vergebens: Er wurde zum Tode verurteilt und am 2. Mai 1944 im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtet.
Letzte Ruhe im Grab der Eltern

"Vater und Sohn - Zwei, die sich lieb haben", erschienen im Südverlag, 80 Seiten im Hardcover, 18 Euro.
(Foto: "Vater und Sohn: Zwei, die sich lieb haben" / Südverlag GmbH)
Seit 1968 ruht Ohser in der heimatlichen Erde. Ursprünglich war er in Reichenbach an der Fils in Baden-Württemberg begraben worden, wo seine Frau Marigard Bantzer mit Sohn Christian nach der Zerstörung der Berliner Wohnung 1943 hingezogen war. "Die Urne wurde 1968 nach Plauen überführt", erinnert sich Hansgünter Fleischer. "Wir waren gut befreundet und hatten damals mit Angehörigen abgesprochen, dass Ohser mit im Grab der Eltern in Plauen die letzte Ruhe finden sollte." Die Urne kam mit der Bahn - als Sperrgut. Auch Sohn Christian ruht im Familiengrab. Vater und Sohn sind so wieder vereint.
Ohsers berühmteste Figuren leben derweil weiter. Die "Vater und Sohn"-Strips sind in insgesamt drei Sammelbänden im Konstanzer Südverlag erhältlich. Zum Todestag erscheint zudem mit "Zwei, die sich lieb haben" ein Band mit den 33 schönsten Geschichten. Erstmals wurden die Comics dafür koloriert. Dem hintergründigen Witz Ohsers entsprechend sind es zurückhaltende Farben, die die meist wortlosen Zeichnungen unterstützen.
Doch das ist nicht die einzige Ehrung für den Zeichner: "Wir wollen in diesem Jahr mit mehreren Aktionen an Ohser erinnern", sagt Museumschefin Schulze. Sie wird bei Lesungen Texte aus ihrer Ohser-Biografie vortragen. Wenn die Broschüre mit den Lebensspuren Ohsers erschienen ist, soll es Führungen zu den dort beschriebenen Lebensstätten des Künstlers geben. Die Sonderausstellung "e.o.plauen & Marigard Bantzer - Vom Paradies der Kindheit" zeigt seit Ende März neben Bildern Ohsers Kinderbücher mit Illustrationen Bantzers.
Das Erich-Ohser-Haus in Plauen will dem gesamten künstlerischen Werk Ohsers auch abseits von seinen "Vater und Sohn"-Geschichten wieder mehr Geltung verschaffen. "Er war einer der größten deutschen Zeichenkünstler in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts", sagt Schulze. Die Sammlung umfasst unter anderem 1400 Blätter - Porträts, Tierbilder, Landschaften, Illustrationen, Karikaturen sowie Briefe. Jährlich kommen etwa 8000 Besucher aus aller Welt in das 2010 eröffnete Museum.
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Quelle: ntv.de, mli/Ralf Hübner, dpa