Politik

Zwei Anklagen, jede Menge Details "Vatileaks" steuert Gericht an

Der Skandal um die Veröffentlichung brisanter Dokumente aus dem Vatikan beschäftigt ab Herbst das Gericht. Lange hatte es nach nur einem Angeklagten ausgesehen, nun gibt es einen weiteren. Und immer mehr Details kommen ans Tageslicht.

Paolo Gabriele sah sich als "Werkzeug des Heiligen Geistes"

Paolo Gabriele sah sich als "Werkzeug des Heiligen Geistes"

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Enthüllungsaffäre "Vatileaks" um die Weitergabe vertraulicher Dokumente aus dem Vatikan an die Presse wird vor Gericht aufgearbeitet. Neben dem beschuldigten früheren Kammerdiener von Papst Benedikt XVI., Paolo Gabriele, muss sich ein weiterer Mitarbeiter des Kirchenstaats verantworten. Dabei handelt es sich den Ermittlern zufolge um einen Informatiker aus dem päpstlichen Staatssekretariat namens Claudio Sciarpelletti. Es ist das erste Mal, dass sein Name im Zusammenhang mit der so genannten Vatileaks-Affäre fällt.

Der Vatikan schließt nicht aus, dass es Untersuchungen zu möglichen weiteren Hintermännern des Ex-Dieners Gabriele geben könnte. Dem dreifachen Vater drohen wegen schweren Diebstahls sechs bis acht Jahre Haft. Prozessbeginn könnte im Oktober sein. Doch die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.

Brisante Dokumente und Schecks

Der Vatikan veröffentlichte am Montag sowohl den Untersuchungsbericht als auch die Anklageschrift gegen die beiden Männer. Dem Ende Mai festgenommenen und inzwischen in den Hausarrest entlassenen Ex-Diener Benedikts wird vorgeworfen, vertrauliche Dokumente vom päpstlichen Schreibtisch entwendet zu haben, von denen einige brisante in die Medien gelangten. Darunter waren Unterlagen zu einem angeblichen Mordkomplott gegen den Papst und zu umstrittenen Geschäften der Vatikan-Bank IOR.

Wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete, wurden im Zuge der Ermittlungen bei dem 46-Jährigen nicht nur Dokumente sichergestellt. Auch ein auf Benedikt ausgestellter Scheck über 100.000 Euro sowie weitere an den Papst gerichtete Geschenke seien gefunden worden. Gabrieles Anwalt sagte Ansa zufolge, sein Mandant habe nichts von dem Scheck gewusst und auch nie vorgehabt, diesen einzulösen. Auch Vatikan-Sprecher Federico Lombardi schloss finanzielle Beweggründe aus.

"Heilsamer Schock" als Motiv

Als ein Motiv gab der Kammerdiener an, er habe den Eindruck gehabt, der Papst werde falsch informiert. Das habe ihn persönlich interessiert. Er habe die Unterlagen fotokopiert, damit keine Originale verschwinden. Dass er Gegenstände des Papstes zuhause hatte, begründete er mit seiner Unordentlichkeit. Gabriele habe seine Taten mit "dem Bösen und der Korruption", das er überall in der Kirche gesehen habe, erklärt, teilte der Vatikan weiter mit. Er habe sich als Werkzeug des Heiligen Geistes gefühlt. Gabriele sei sich sicher gewesen, dass ein heilsamer Schock über die Medien die Kirche wieder auf den rechten Pfad zurückführen könnte. "Ich habe mich immer für Geheimdienste interessiert und irgendwie war ich der Meinung, dass diese Rolle in der Kirche dem Heiligen Geist zufiel", sagte er. "In einer gewissen Weise sah ich mich als sein Werkzeug."

Laut Radio Vatikan kamen psychiatrische Gutachten Gabrieles zu dem Schluss, der Familienvater habe seelische Probleme. Dennoch sei der Richter von einer Schuldfähigkeit ausgegangen und es sei Anklage erhoben worden.

Der frühere Kammerdiener hatte seit 2006 für den Papst gearbeitet. Er war einer der wenigen Vertrauten des Oberhaupts der katholischen Kirche, die Zugang zu dessen Privaträumen hatten. Der Prozess soll nach Vatikan-Angaben nicht vor dem 20. September beginnen. Nach den Gesetzen des Vatikans könnte Papst Benedikt XVI. Gabriele zwar jederzeit begnadigen. Beobachter halten es allerdings für unwahrscheinlich, dass sich das Kirchenoberhaupt in den Prozess einschaltet. Vatikansprecher Lombardi bestätigte, dass Gabriele den Papst schriftlich um Gnade gebeten habe.

Ermittlungen noch nicht beendet

Neben Gabriele muss sich auch Claudio Sciarpelletti vor Gericht verantworten. Der 48-jährige Informatiker aus dem päpstlichen Staatssekretariat soll ein Bekannter Paolo Gabrieles sein.

Vatikan-Sprecher Lombardi betonte laut Ansa jedoch, dass Sciarpelletti nicht als Komplize zu sehen sei, da seine Vergehen weitaus weniger gravierend seien als die des früheren Kammerdieners. Der Informatiker war bereits nach einer Nacht wieder aus der Haft entlassen worden und ist derzeit von seinen Aufgaben entbunden, bekommt aber weiter sein Gehalt.

Noch mehr Komplizen?

Immer wieder hatte es in den Medien Spekulationen über mögliche Komplizen gegeben. Dabei waren auch Namen aus Benedikts nächstem Umfeld genannt worden. Der Vatikan hatte dies stets scharf zurückgewiesen. Auch der Anwalt hatte in der Vergangenheit die Spekulation zurückgewiesen, der Kammerdiener werde in der Sache als "Sündenbock" benutzt.

Nicht veröffentlicht wurde der Bericht der von Benedikt eingesetzten Kommission von Kardinälen, die die Hintergründe der Affäre untersucht hat. Dem Papst lägen die Ergebnisse vor, er verfolge die weiteren Entwicklungen, sagte Lombardi.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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