Nach Pannenserie gegen NSU Verfassungsschutz unter Druck
14.07.2012, 03:40 Uhr
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger fordert eine deutliche Reduzierung der Behörde.
(Foto: picture alliance / dpa)
Nach den Pannen bei den Ermittlungen gegen die Neonazi-Zelle NSU gerät der Verfassungsschutz immer weiter unter Druck. Parteiübergreifend wird eine grundlegende Reform inklusive einer Zusammenlegung von Verfassungsschutzämtern verlangt.
Nach den Pannen bei den Ermittlungen gegen die Neonazi-Terrorzelle verlangt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger eine Reform des Verfassungsschutzes. "Behördenstruktur und Aufgabenverteilung der Verfassungsschutzämter müssen bis in jeden Blickwinkel ausgeleuchtet werden", sagte die FDP-Politikerin dem "Tagesspiegel". Die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse hätten gezeigt, dass nicht nur innerhalb einer Verfassungsschutzbehörde Informationen schlecht kommuniziert würden, sondern erst recht zwischen den Verfassungsschutzämtern.
"Die Zahl der Behörden muss deutlich reduziert werden", forderte Leutheusser-Schnarrenberger. Daneben gehörten die Aufgaben und Befugnisse auf den Prüfstand. Der Verfassungsschutz müsse sich auf die wenigen Aufgaben konzentrieren, bei denen wirklich eine Gefahr für die Grundordnung drohe. Gleichzeitig sei zu vermeiden, dass die Polizei schleichend die Aufgaben des Verfassungsschutzes übernimmt. "Das Trennungsgebot ist für die FDP unverzichtbar."
Sicherheitsarchitektur hat Defizite
Leutheusser-Schnarrenbergers Parlamentarischer Staatssekretär Max Stadler (FDP) sagte der "Stuttgarter Zeitung" mit Blick auf die Fehler bei den Ermittlungen gegen den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU): "Die bekannt gewordenen Pannen lassen es nicht zu, dass man einfach zur Tagesordnung übergeht." Ein Kernproblem sei die "zersplitterte Struktur der Verfassungsschutzbehörden". Daher werde er zur Zusammenlegung von Landesverfassungsschutzämtern kommen müssen. Zudem sei eine noch stärkere parlamentarische Kontrolle nötig, "damit sich Teile dieser Behörden nicht verselbstständigen".
Der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), forderte, bei der Reform der Geheimdienste einvernehmlich vorzugehen. "Die Sicherheitsarchitektur in Deutschland hat erhebliche Defizite und die müssen wir zeitnah in einem parteiübergreifenden Konsens beheben", sagte er dem "Tagesspiegel". Dabei seien sowohl Fragen der Kooperation zwischen Bund und Ländern relevant wie auch eine stärkere Kontrolle.
Der Zentralrat der Juden verlangte angesichts der Ermittlungspannen ebenfalls Reformen beim Verfassungsschutz. "Das sind vertrauenszerstörende Verhältnisse", sagte sein Präsident Dieter Graumann der "Rheinischen Post" zu der bekannt gewordenen Aktenvernichtung. Der Umgang mit Akten nach dem Motto "Gesucht - gefunden - geschreddert" sei ein "Stück aus dem Tollhaus". Auch Graumann stellte infrage, dass wirklich jedes Bundesland ein eigenes Verfassungsschutzamt braucht, wenn diese nicht untereinander und schon gar nicht mit dem Bund kommunizierten.
Quelle: ntv.de, dpa