Gutachter zum NSU-Prozess Videoübertragung ist unzulässig
02.05.2013, 09:46 Uhr
Losfee Andrea Titz: Die stellvertretende Pressesprecherin des Oberlandesgerichts München hatte das zweifelhafte Glück, mitzuteilen, dass Radio Lotte, Ebru-TV und die "Brigitte" einen Sitz im Prozess erhalten haben, die "FAZ" und die "Taz" nicht.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe steht von Montag an vor Gericht. Kurz vor dem Auftakt der Verhandlungen zeichnet sich immer deutlicher ab, dass Medien nur sehr eingeschränkt über den Prozess werden berichten können.
Rechtsexperten des Deutschen Bundestages halten eine Videoübertragung des NSU-Prozesses für unzulässig. Das geht aus einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes hervor, das der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vorliegt. Darin verweisen die Juristen auf die "Menschenwürde der Verfahrensbeteiligten".
Konkret heißt es dem Bericht zufolge in dem Papier: "So wird als unzulässig angesehen, zur Erweiterung der Zuhörerkapazität etwa die Türen zum Gerichtssaal dauernd geöffnet zu halten oder das im Gerichtssaal Gesprochene per Lautsprecher auf die umliegenden Flure zu übertragen. Eine Übertragung per Bild und Ton in einen anderen Raum, in dem die Hauptverhandlung nicht stattfindet, ist danach erst recht unzulässig".
Rechtsanspruch auf Übertragung gibt es nicht
Der Öffentlichkeitsgrundsatz verpflichte das Gericht ebenfalls nicht, bei zu erwartendem großen Zuhörerandrang in einem größeren Saal zu verhandeln.
Das hat das Bundesverfassungsgericht inzwischen selbst klargestellt. Aus Artikel 5 des Grundgesetzes lasse sich kein Anspruch auf Bild- und Tonübertragung der Verhandlung in einen anderen Gerichtssaal herleiten, heißt es in der Entscheidung, mit der das Gericht die Verfassungsbeschwerde eines freien Journalisten gegen das Losverfahren bei der Platzvergabe zurückgewiesen hat.
Der Journalist hatte geltend gemacht, dass bei der Verlosung der Medienplätze am Montag keine Kontingente für freie oder Online-Journalisten vorgesehen waren, und hilfsweise eine Videoübertragung des Münchner Prozesses gefordert. Er bezog sich dabei auch auf Artikel fünf des Grundgesetzes, in dem festgelegt wird, dass die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film zu gewährleisten sind. Die "Taz" erwägt dennoch eine weitere Klage, um doch noch eine Videoübertragung zu ermöglichen. In Karlsruhe liegt zudem eine weitere Verfassungsbeschwerde vor. Der freie Journalist Martin Lejeune hatte zunächst einen der 50 reservierten Presseplätze erhalten. Im zweiten Anlauf ging er bei der Verlosung leer aus und rügt nun unter anderem, dass "den im vorigen Vergabeverfahren erfolgreichen Journalisten der Platz nicht einfach wieder weggenommen werden" dürfe.
Das Verfassungsgericht hatte jedoch ausdrücklich diese Möglichkeit eröffnet, als es die ursprüngliche Vergabe beanstandete, bei der keine türkischen Medien zum Zug gekommen waren.
Umstrittene Akkreditierung
Der NSU-Prozess soll am Montag in München beginnen. Im Mittelpunkt des Verfahrens steht die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe, die für die insgesamt zehn Morde der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund als mögliche Mittäterin unter Anklage steht.
Inwiefern die Presse an dem Prozess teilnehmen darf, hat für heftigen Streit gesorgt. Das Oberlandesgericht hatte für die Anmeldung der Journalisten zunächst das sogenannte Windhundverfahren genutzt. Wer sich zuerst akkreditierte, bekam so einen der 50 Presseplätze. Dabei erhielt zunächst kein türkisches Medium einen Sitz, obwohl die Mehrzahl der NSU-Opfer aus der Türkei stammte. Das Oberlandesgericht wiederholte das Akkreditierungsverfahren, nachdem das Bundesverfassungsgericht das Vorgehen beanstandete, dieses Mal per Los. Nun bekamen zwar türkische Medien sichere Presseplätze, eine Reihe überregionaler deutscher Medien ging aber leer aus, darunter die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", die "Welt", die "Zeit" und die "Taz".
Quelle: ntv.de, dpa