Warnung vor Schaukämpfen Viel Beifall für Köhler
24.03.2009, 17:42 UhrBundespräsident Horst Köhler ist mit seiner "Berliner Rede" zur Wirtschaftskrise auf breite Zustimmung gestoßen. Politiker aller Parteien sowie Vertreter von Wirtschaft und Gewerkschaften äußerten sich positiv. Köhler hatte klare Regeln für die Finanzmärkte, eine neue Weltwährungsordnung, eine Entwicklungspolitik für den ganzen Planeten und moralisches Handeln gefordert. Er trat für ein umweltverträgliches Wirtschaften ein und geißelte das Gebaren von Finanzmanagern.
SPD-Fraktionschef Peter Struck sprach von einer beachtlichen Rede. Die gelte vor allem für die Passagen, wo er die Ursachen der Krise beschreibe. Sein Vize Ludwig Stiegler bewertete die Rede als orientierend und motivierend. "Ich war per saldo zufrieden", sagte Stiegler. Überrascht habe ihn Köhlers deutliches Engagement für die Verantwortung des Staates. Köhlers Warnung vor Schaukämpfen in der Politik wiesen beide allerdings zurück.
Auch CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer schloss nach dem Appell weitere Auseinandersetzungen nicht aus. "Dass mal Fetzen fliegen, ist nichts Neues in der Koalition." CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla würdigte die Rede als "Ausrufezeichen in der Krise". Köhler spreche in schwierigen Zeiten der Bevölkerung Mut zu, entlasse aber niemanden aus der Verantwortung. Auch für CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hat der Bundespräsident den Menschen Orientierung gegeben.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte Köhlers Rede im Zeichen der Wirtschaftskrise als "beeindruckend". Der Bundespräsident habe beschrieben, dass Gemeinwohl und Zusammenhalt einen festen Platz in der Gesellschaft haben müssten, sagte sie am Abend bei einem Besuch der Katholischen Akademie in Berlin.
Lob von Schwan
Die SPD-Kandidatin Gesine Schwan, die am 23. Mai in der Bundesversammlung gegen Köhler antritt, begrüßte seine Aussagen zur globalen Krise. "Das ist eine Stellungnahme, auf die viele lange gewartet haben", sagte sie.
Die Linke zollte Köhler Respekt für seine Kritik am Zustand der Regierung und den Finanzmärkten. "Wir können die Forderungen des Bundespräsidenten nur unterstützen", sagte Linksfraktionschef Oskar Lafontaine. Auf die Frage, ob die Linke Köhler auch bei der Wiederwahl unterstützen werde, sagte Lafontaine, das Lob sei keine Aussage zu der Wahl.
Die FDP begrüßte die Rede als "Kompass für die deutsche Politik". Köhler habe damit die Meinungsführerschaft in der Debatte zur Überwindung der Krise übernommen, sagte FDP-Partei- und Fraktionschef Guido Westerwelle. "Hinter dieser Rede kann sich die übergroße Mehrheit der Deutschen versammeln."
Grüne zufrieden
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir sagte: "Der Bundespräsident spricht uns ins Gewissen. Die Art, wie wir in Deutschland gewirtschaftet haben und wirtschaften, ist ökologisch und sozial unverantwortlich." Bei der Wahl des Bundespräsidenten würden die Grünen zwar für Schwan votieren. "Aber wenn Herr Köhler nachher gewählt wird, wird auch das ein Bundespräsident sein, mit dem die Grünen mehr als zufrieden sein werden." Vize-Fraktionschef Jürgen Trittin meinte, Köhler habe die Themen zwar spät angesprochen, aber die Zeichen der Zeit verstanden.
Köhlers Rede weist nach Ansicht des DGB-Vorsitzenden Michael Sommer "grundsätzlich in die richtige Richtung". Dies gelte sowohl für seine Analyse der Wirtschafts- und Finanzkrise als auch für seine Rezepte zur Überwindung der Krise. Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser sprach von einer "eindrucksvollen Rede". Er verstehe sie als einen "Appell zu Augenmaß, der in der Finanzwirtschaft und Teilen der Gesellschaft verloren gegangen ist".
"Die Richtung stimmt"
Köhler hatte die Bundesregierung angesichts der schweren Wirtschaftskrise zu geschlossenem Handeln bis zur Bundestagswahl aufgerufen. In seiner vierten "Berliner Rede" prangerte er zugleich die schrankenlose Freiheit der Finanzmärkte an und forderte einen Markt mit Regeln und Moral.
An die Adresse der Großen Koalition sagte er: "Die Krise ist keine Kulisse für Schaukämpfe. Sie ist eine Bewährungsprobe für die Demokratie insgesamt." Unter dem Beifall der Zuhörer in der Elisabethkirche in Berlin-Mitte führte er aus: "Auch im Vorfeld einer Bundestagswahl gibt es keine Beurlaubung von der Regierungsverantwortung." Die Regierung habe bislang "kurzatmigen Aktionismus" vermieden. "Die eingeschlagene Richtung stimmt", begrüßte er den bisherigen Regierungskurs.
Köhlers Rede stand unter der Überschrift "Glaubwürdigkeit der Freiheit". Darin legte der Bundespräsident erstmals seine Position zur aktuellen Finanzkrise umfassend dar. Der Auftritt wurde mit besonderer Spannung erwartet, weil sich Köhler am 23. Mai für weitere fünf Amtsjahre zur Wiederwahl stellt. Hauptgegenkandidatin ist die Politologin Gesine Schwan von der SPD.
"Braucht starken Staat"
Köhler verurteilte die schrankenlose Freiheit der Finanzmärkte und verlangte einen Markt mit Regeln und Moral. "Jetzt erleben wir, dass es der Markt allein nicht richtet. Es braucht einen starken Staat, der dem Markt Regeln setzt und für ihre Durchsetzung sorgt." Die verunsicherten Bürger bräuchten mehr Information und Erklärung. Man dürfe sich nichts vormachen: "Die kommenden Monate werden sehr hart werden."
Köhler kritisierte kurzfristige Profitmaximierung. Zu viele Leute hätten mit viel zu wenig eigenem Geld riesige Finanzhebel in Bewegung gesetzt. "Auch angesehene deutsche Bankeninstitute haben beim Umgang mit Risiko zunehmend Durchblick und Weitsicht verloren." Der frühere Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) warf den Banken vor, den Bezug zur eigenen Kultur aufgegeben zu haben.
Quelle: ntv.de