Firmen halten sich nicht an das Gesetz Viele Mindestlöhne, wenig Kontrollen
25.04.2013, 16:38 Uhr
Im Bauhandwerk werden wie in vielen anderen Branchen Mindestlöhne oft ignoriert.
(Foto: picture alliance / dpa)
Immer mehr Unternehmen müssen sich in Deutschland an einen festen Mindestlohn halten, damit die Angestellten von ihrem Lohn leben können. Doch die Firmen tricksen sich am Gesetz vorbei. Die Grünen fordern wesentlich schärfere Kontrollen, die Regierung nimmt die Sache locker.
Zehntausende Menschen sind es mittlerweile, die in Deutschland von Mindestlöhnen profitieren. In den elf betroffenen Branchen sind über 3 Millionen Arbeitnehmer beschäftigt. Doch Zahlen aus dem Finanzministerium schüren nun die Befürchtung, dass viele Betriebe den Mindestlohn einfach unterbieten. Bei Kontrollen des Zolls fielen rund sechs Prozent der untersuchten Betriebe auf. Nach Überprüfung von gut 34.000 Unternehmen wurden fast 2200 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Gegen beinahe jede zwölfte untersuchte Sicherheitsfirma wurde ein Verfahren in Gang gebracht.
Kann der Mindestlohn in Deutschland zu einfach umgangen werden? Stichprobenartige Kontrollen sind derzeit die einzige Möglichkeit, das zu verhindern. Zuständig dafür ist die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), eine Zollbehörde. Als die Mindestlöhne in den vergangenen Jahren Branche für Branche eingeführt wurden, wuchsen die Aufgaben der Behörde, die sich bislang nur um die klassische Schwarzarbeit gekümmert hatte. Nun soll sie zusätzlich ermitteln, ob Arbeitgeber den Mindestlohn unterschreiten. Findet die FKS einen solchen Fall, verhängt sie ein Bußgeld und bringt zur Anzeige, dass zu geringe Sozialversicherungsbeiträge gezahlt wurden, die ja an den Lohn gekoppelt sind.
Eine Möglichkeit, den Lohnbetrug systematisch etwa anhand von Finanzamt-Daten nachzuweisen, hat der Zoll nicht. Denn die Betriebe melden zwar ihre gezahlten Lohnsummen und die Arbeitnehmer versteuern ihr Einkommen – doch wie lange für dieses Geld gearbeitet wurde, wird nicht erfasst. Es bleibt einzig die abschreckende Wirkung von drohenden Strafen. Immerhin nahm die FKS in 2012 rund 16 Millionen Euro an Bußgeldern ein, über 11 Millionen wurden allein von der Bauwirtschaft bezahlt. Darüber hinaus wurden Arbeitgeber zu insgesamt über 2000 Jahren Haft verurteilt. Wie viele der Strafen sich auf die Unterbietung von Mindestlöhnen beziehen, kann das Finanzministerium (BMF) allerdings nicht sagen. Reicht die abschreckende Wirkung aus?
"Regierung kann ihrer Schutzfunktion nicht gerecht werden"
Die Zoll-Behörde kommt mit den Kontrollen kaum nach, heißt es bei den Grünen, auf deren Anfrage die Zahlen veröffentlicht wurden. Mit knapp 6800 Planstellen sei die Finanzkontrolle Schwarzarbeit nicht ausreichend ausgestattet. Außerdem sind rund 500 dieser Stellen unbesetzt. Angesichts der vielen zu prüfenden Mindestlöhne sei das nicht akzeptabel, sagt die Grünen-Abgeordnete Beate Müller-Gemmeke zu n-tv.de. "Mit dieser Personalausstattung kann die FKS ihrer Aufgabe und die Bundesregierung ihrer Schutzfunktion für die Beschäftigten nicht gerecht werden." Wenn in Kürze das Friseurhandwerk mit seinen 300.000 Beschäftigten auch einen Mindestlohn einführt, könnte sich das Problem weiter verschärfen. Auch die eine Million Beschäftigten des Einzelhandels könnten bald unter das Gesetz fallen – das Verhältnis von Mindestlohnbeziehern zu Kontrolleuren würde sich weiter verschlechtern.
In den Mindestlohn-Branchen ist der Anreiz, sich über niedrige Löhne einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, besonders groß. In Bereichen wie im Bau, der Pflege oder bei Sicherheitsdiensten sind die Lohnkosten der entscheidende Faktor, wenn es darum geht, günstiger zu sein als die Konkurrenz. Gerade darum wurde dort dem Unterbietungswettstreit ein Riegel vorgeschoben. Wenn Firmen nun Gehälter unterhalb des Mindestlohns zahlen, sind die ehrlichen Betriebe die Leidtragenden.
150 Stellen geschaffen
"Die Arbeit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit ist erfolgreich", verteidigt sich ein Sprecher des BMF auf Anfrage von n-tv.de. Die Zahlen aus seinem Ministerium ließen nicht den Schluss zu, dass die Aufgaben nicht gut bewältigt würden. Wenn man in sechs Prozent der Kontrollen auf schwarze Schafe stoße, heiße das nicht, dass auch insgesamt sechs Prozent der Betriebe das Gesetz umgehen. Vielmehr gehe die FSK gezielt vor, wenn sie etwa Hinweise von Gewerkschaften erhalte.
Außerdem habe man in der aktuellen Legislaturperiode 150 zusätzliche Stellen geschaffen. Viel mehr sei gar nicht drin: Die Bücher von Unternehmen zu prüfen sei eine komplexe Tätigkeit, dafür könne man "nicht irgendwen einstellen". Über ein größeres Personal-Budget werde erst wieder in den Haushaltsberatungen des Bundetags entschieden – also nach der Wahl. Die unbesetzten Planstellen seien kein so großes Problem wie von den Grünen dargestellt. Entscheidender sei die Zahl der Kontrollen, und die sei gut.
Politikerin Müller-Gemmeke lässt sich davon nicht überzeugen: "Gerade in missbrauchsanfälligen Branchen müssen die Kontrollen deutlich verstärkt werden", sagt sie. Und: "In Teilen der Wirtschaft geht immer mehr der Anstand verloren. Da helfen nur effektive Kontrollen."
Quelle: ntv.de