"Falsche mathematische Kapriolen" Viele Überhangmandate für Union
28.06.2009, 20:18 UhrGrüne und Linkspartei fordern mit Nachdruck eine Wahlrechtsreform. Der Grund: Überhangmandate könnten bei der Bundestagswahl einer Koalition aus CDU/CSU und FDP den Sieg sichern.
Die momentane Regelung könne zu einer verfassungswidrigen Bildung einer schwarz-gelben Regierung führen, sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. Die Linkspartei appellierte an die SPD, für den Änderungsgesetzentwurf der Grünen zu stimmen.
Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate erhält, als ihr nach ihrem Zweitstimmenanteil zustehen würden. Dies ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Der Bundestag berät am Freitag über einen Gesetzentwurf der Grünen, der eine bundesweite Verrechnung der Mandate vorsieht. Auch die SPD dringt im Gegensatz zur Union auf eine Reform. Das Bundesverfassungsgericht hatte dem Bundestag für eine Änderung eine Frist bis 2011 eingeräumt.
Kaum Überhangmandate für SPD
Laut dem "Spiegel" ergab eine Schätzung mit Simulationen des Friedrichshafener Politologen Joachim Behnke, dass die CDU bei der Bundestagswahl mit 21 Überhangmandaten rechnen könne. Dagegen würde die SPD nur 2 bis 3 Zusatzsitze erreichen. Dass die Union derzeit in Umfragen nur 36 Prozent erreiche, dabei aber trotzdem einen zweistelligen Vorsprung vor der SPD habe, begünstige die Bildung von Überhangmandaten zugunsten der stärkeren Partei.
Künast sagte in der ARD: "Mit dem heutigen Wahlrecht könnten die Bürger am 28. September erstaunt aufwachen." Es sei möglich, dass durch Überhangmandate und "falsche mathematische Kapriolen" plötzlich eine Mehrheit im Bundestag entstehe, die nicht den Zweitstimmanteilen entspreche. Das sei dann faktisch eine verfassungswidrige Regierungsbildung. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) betonte in Berlin, das Wahlrecht müsse erst bis 2011 geändert werden.
Linken-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch kündigte Unterstützung für den Grünen-Entwurf an. In der "Welt" forderte er die SPD auf, "sich einen Ruck zu geben" und dem Entwurf der Grünen eine Mehrheit gegen FDP und Union zu sichern. "Wenn die SPD ohnehin die große Koalition beenden will, dann muss es ihr in der letzten geplanten Bundestagssitzung der Legislaturperiode auch möglich sein, eine parlamentarische Mehrheit für die Änderung des verfassungswidrigen Wahlrechts zu gewährleisten", sagte Bartsch.
Quelle: ntv.de, AFP