Politik

Häuserkampf in Bombay Vier Deutsche getötet

Zwei Tage nach der Serie von verheerenden Terroranschlägen in Bombay hat sich die Zahl der Todesopfer nach Medienberichten auf mehr als 160 erhöht, 300 Menschen seien verletzt worden. Das Einsatzzentrum sprach am Abend allerdings weiterhin von 125 Toten und unter 300 Verletzten. Unter den Toten waren nach Angaben des indischen Außenministeriums auch vier Deutsche, drei weitere sollen verletzt worden sein. Insgesamt wurde von mindestens 16 getöteten Ausländern gesprochen.

Das Auswärtige Amt in Berlin wollte die Angaben über vier deutsche Todesopfer zunächst nicht bestätigen. Nach offiziellen US-Angaben wurden auch zwei Amerikaner getötet. Das US-Außenministerium warnte seine Bürger vor zunehmender Terrorgefahr in Indien. Indienreisende sollten in höchstem Maße wachsam sein.

Unklare Hintergründe

Über die Hintergründe besteht nach wie vor Unklarheit. Indiens Außenminister machte "Elemente in Pakistan" für die Anschläge verantwortlich. Die britischen Behörden untersuchten derweil nach Informationen der BBC Verbindungen der Terroristen nach Großbritannien.

Die Regierung in Islamabad verteidigte sich mit dem Hinweis, "nicht-staatliche Akteure" seien für die Angriffe verantwortlich. Pakistan werde mit Indien bei der Verfolgung der Drahtzieher zusammenarbeiten. Ein festgenommener Terrorist berichtete laut dem Sender NDTV, rund 40 Komplizen seien an den Angriffen beteiligt gewesen, die meisten von davon kämen aus Pakistan.

Die Terroristen hatten am Mittwochabend zehn Ziele in der Stadt mit Schnellfeuergewehren und Handgranaten angegriffen. Sie waren mit Schlauchbooten gekommen und hatten sich dann über die Stadt verteilt und zum Teil wahllos um sich geschossen.

Fünf Israelis getötet

Im jüdischen Gemeindezentrum der Stadt fanden die Sicherheitskräfte nach Gefechten mit Terroristen fünf ermordete Geiseln. Zwei Geiselnehmer wurden dabei nach Polizeiangaben getötet. In dem als Nariman-Haus bezeichneten Gebäude hatten die Angreifer mehrere Israelis in ihre Gewalt gebracht. Die Polizei erklärte, die Operation sei noch nicht beendet, das Gebäude werde durchsucht. Im Morgengrauen hatten sich über dem Gebäude rund 100 Spezialkräfte aus Hubschraubern abgeseilt.

"Die Leichen von fünf Geiseln sind gefunden worden", sagte der stellvertretende Missionschef der israelischen Botschaft, Eli Belotsercovsky. "Sie sind alle israelische Staatsbürger." Unter den Toten sind auch ein aus den USA stammender Rabbiner und seine Frau, wie deren in New York ansässige Organisation mitteilte. Deren zwei Jahre alter Sohn Mosche war am Vortag vom Kindermädchen gerettet worden. Das Rabbiner-Ehepaar hatte seit über fünf Jahren das Gemeindezentrum in Bombay geleitet.

Ziele bewusst ausgewählt

Nach den Worten der israelischen Außenministerin Zipi Livni haben die Terroristen ihre Ziele ganz bewusst ausgesucht. "Da gibt es keinerlei Zweifel", sagte Zipi in Jerusalem. Die Attentäter hätten es auf amerikanische, britische und israelische Ziele abgesehen. Das jüdische Gemeindezentrum stehe beispielsweise in einer Seitenstraße und sei nicht aus purem Zufall angegriffen worden.

Das Zentrum gehört zur ultra-urthodoxen jüdischen Chabad-Lubawitsch-Bewegung. Die Organisation mit Sitz im New Yorker Stadtteil Brooklyn unterhielt in Bombay ein Gemeindezentrum, das auch von jüdischen Touristen als Herberge benutzt wurde.

Weiter Kämpfe ums "Taj"

Am Luxushotel "Taj Mahal" gab es derweil noch am Abend Schusswechsel. Dort leistete nach Polizeiangaben ein einzelner Terrorist erbittert Widerstand. In dem historischen Hotel befanden sich nach Medienberichten noch große Mengen Sprengstoff. Es sei "eine Frage von Stunden", sagte Generalmajor N. Thumbiraj. Die Sicherheitskräfte seien angewiesen, langsam vorzugehen, um Opfer zu vermeiden.

Wenige Stunden zuvor hatte die Polizei das "Oberoi-Trident"-Hotel unter Kontrolle gebracht. Dabei wurden ebenfalls zwei Terroristen getötet. Wie die Polizei sagte, wurden dort anschließend mindestens 30 Leichen gefunden. Bei der Durchsuchung seien Gewehre und Handgranaten sichergestellt worden.

Mehrere Deutsche gerettet

Zuvor waren rund 100 Hotel-Gäste in Sicherheit gebracht worden, darunter zwei Mitarbeiterinnen des Auswärtigen Amtes (AA), die sich auf einer Dienstreise befanden, sowie mehrere Lufthansa-Mitarbeiter. Die Außenamtsmitarbeiter seien wohlauf und befänden sich in der Obhut des Generalkonsulats, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums.

Auch die sieben Mitarbeiter der Lufthansa, drei Deutsche, eine Österreicherin und drei Inder, wurden aus der Gefahrenzone gebracht. Nach Angaben der Fluggesellschaft sind damit alle Mitarbeiter des Unternehmens in Bombay in Sicherheit.

Unter Psycholgischer Betreuung

Die befreiten Deutschen werden von einem eingeflogenen Spezialteam betreut. Nach ihren Erlebnissen benötigten viele dringend auch psychologische Hilfe, sagte Außenamtssprecher Jens Plötner in Berlin. Die Freigekommenen sollten sobald wie möglich nach Deutschland gebracht werden. Nach AA-Angaben hatten sich auch deutsche Hotelgäste aus Furcht vor den Terroristen in ihren Zimmern verschanzt.

Die bereits gestern befreiten deutschen Europaabgeordneten Erika Mann (SPD) und Daniel Caspary (CDU), die den Anschlag auf das Hotel "Taj Mahal" heil überstanden haben, sind bereits auf dem Heimflug.

Terror neuer Dimension

Terrorexperten sind sich einig, dass die Gewaltwelle, die jetzt Indien erfasst hat, nicht unbedingt auch Europa erreichen muss. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Wolfgang Bosbach, sagte bei n-tv: "Deutschland ist seit vielen Jahren Teil eines weltweiten Gefahrenraumes. Doch leider wird gelegentlich der Eindruck erweckt, als habe der Terror um Deutschland herum einen Bogen geschlagen. Das ist nicht richtig. Wir konnten in den letzten Jahren sieben Anschläge entweder vereiteln durch Ermittlungserfolge der Polizei oder sie sind Gott sei dank fehlgeschlagen."

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gebe es keine Anhaltspunkte, die rechtfertigen könnten, dass eine dermaßen hohe Gewaltbereitschaft wie in Bombay auch auf die Bundesrepublik Deutschland zukommen könnte. "Wir sollten alles vermeiden, was Panik verursacht", sagte der CDU-Politiker bei n-tv.

Die französische Regierung hat nach den Anschlägen in Indien eine große Terrorschutzübung angekündigt. Innenministerin Michle Alliot-Marie beauftragte die Leiter der Eliteeinheit RAID, das Sondereinsatzkommando der Gendarmerie und die Eingreiftruppe der Hauptstadtpolizei, binnen zwei Wochen eine gemeinsame Übung abzuhalten, wie ihr Ministerium mitteilte.

Pakistan entsendet Geheimdienstchef

Nach der Terrorserie verschärften sich die Spannungen zwischen den benachbarten Atommächten Indien und Pakistan. Ersten Informationen zufolge seien "Elemente in Pakistan" für die Anschläge verantwortlich, sagte der indische Außenminister Pranab Mukherjee laut der Nachrichtenagentur PTI.

Pakistan willigte unterdessen in einem bislang einmaligen Schritt ein, den Chef des berüchtigten Geheimdienstes ISI, Ahmed Shuja Pasha, zum Austausch von Informationen nach Neu Delhi zu schicken. Indien hat dem ISI in der Vergangenheit vorgeworfen, an Anschlägen beteiligt gewesen zu sein.

Nach indischen Medienberichten richtet sich der Verdacht auf die muslimische Terrorgruppe Lashkar-e-Toiba (Armee der Reinen). Nach Überzeugung der indischen Sicherheitskräfte operiert Lashkar-e-Toiba von Pakistan aus. Die Gruppe wurde bereits für zahlreiche Anschläge in Indien in den vergangenen Jahren verantwortlich gemacht. Die Nachrichtenagentur PTI meldete unter Berufung auf offizielle Quellen, drei Terroristen seien in der Nacht am "Taj-Mahal" festgenommen worden, darunter auch ein Pakistaner.

Spur nach Großbritannien?

Die britischen Behörden untersuchen nach Informationen der BBC Verbindungen der Terroristen von Bombay nach Großbritannien. Grund seien Berichte, wonach sich auch britische Staatsbürger unter den Attentätern befunden hätten. Allerdings seien aus Indien noch keine Beweise für die Beteiligung von Briten eingegangen.

Sowohl Premierminister Gordon Brown als auch Außenminister David Miliband und Innenministerin Jacqui Smith wiesen darauf hin, dass es mangels ausreichender Informationen viel zu früh für irgendwelche Rückschlüsse auf die Drahtzieher sei.

Quelle: ntv.de

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