Ukraine verliert an Territorium, Wehrpflicht eingeführt "Volksrepublik Donezk" erobert Gebäude
01.05.2014, 18:30 Uhr
In Donezk prallen prorussische und proukrainische Proteste aufeinander.
(Foto: dpa)
Vor der ukrainischen Präsidentschaftswahl am 25. Mai wollen die Separatisten im Osten des Landes so viele Gebiete wie möglich unter ihre Kontrolle bringen. Angela Merkel bittet Putin zumindest um Hilfe für die deutschen Geiseln - doch der rührt sich nicht.
Die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine weiten ihre Machtbasis aus. Demonstranten stürmten das Gebäude der Staatsanwaltschaft in der Industriemetropole Donezk. Die Gegner der Übergangsregierung in Kiew haben die "Volksrepublik Donezk" ausgerufen und wollen am 11. Mai ein Referendum über die Abspaltung von der Ukraine abhalten. Sollte es zu der Volksabstimmung kommen, würden die Separatisten vor der für den 25. Mai geplanten Präsidentenwahl Fakten schaffen, mit der die Regierung in Kiew auch die nationale Einheit legitimieren will.
Auch der Abspaltung der Halbinsel Krim war ein regionales Referendum vorausgegangen. Russland rechtfertigt seinen Kurs gegenüber der Kiewer Regierung mit dem Argument, die überwiegend russischstämmige Bevölkerung in der Ostukraine schützen zu wollen. Westliche Politiker werfen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin dagegen vor, eine stärkere Westanbindung der ehemaligen Sowjetrepublik verhindern zu wollen.
Wegen der unruhigen Lage führt die Regierung in Kiew nun die Wehrpflicht wieder ein. Interimspräsident Alexander Turtschinow unterzeichnete einen Erlass, um der "Gefahr für die territorialen Einheit und der Einmischung in innere Angelegenheiten der Ukraine" zu begegnen. Demnach müssen Männer im Alter von 18 bis 25 Jahren wieder ihren Wehrdienst leisten. Die Pflicht war erst vor einem halben Jahr abgeschafft worden. Der Erlass berücksichtige die Verschlechterung der Lage in der Süd- und Ostukraine sowie die "nackte Aggression" prorussischer Milizen, hieß es.
Spion "auf frischer Tat ertappt"
Zuvor war ein russischer Militärattaché wegen Spionageverdacht festgenommen worden. Der Mann habe Informationen über die Zusammenarbeit zwischen der Nato und der Ukraine gesammelt, erklärte der ukrainische Geheimdienst SBU. "Am 30. April wurde er auf frischer Tat ertappt, wie er vertrauliches Material von seiner Quelle erhielt", sagte eine SBU-Sprecherin. Sein Informant sei ein Oberst der ukrainischen Streitkräfte.
Russland wies unterdessen den Vorstoß der ukrainischen Regierung zurück, bei der Präsidentenwahl auch über die nationale Einheit abstimmen zu lassen. Das sei ein Schwindel und werde die Krise vertiefen, erklärte Außenminister Sergej Lawrow. Stattdessen schlug er Verhandlungen zwischen der ukrainischen Regierung und den Separatisten unter Vermittlung der OSZE vor.
Die prowestliche Übergangsregierung in Kiew hatte am Mittwoch eingeräumt, dass sie gegen die Besetzung von Verwaltungs- und Polizeigebäuden durch Separatisten im Osten des Landes machtlos sei. Sie wirft Russland vor, die Fäden zu ziehen, was die Regierung in Moskau zurückweist.
Putin will Abzug des ukrainischen Militärs
Kurz vor ihrem Abflug in die USA telefonierte Merkel erneut mit Putin. Die Kanzlerin habe den Präsidenten aufgefordert, sich für ein Ende der Geiselnahme von sieben Militärbeobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Ostukraine einzusetzen, sagte eine Regierungssprecherin. Vier der Männer sind Deutsche. Nach Angaben des russischen Präsidialamtes verlangte Putin erneut den Abzug der ukrainischen Regierungstruppen aus dem Südosten des Landes. Die Gewalt müsse beendet und ein nationaler Dialog begonnen werden.
Hilfe erhält die Ukraine vom Internationalen Währungsfonds, der dem Staat einen Kredit über 3,2 Milliarden Dollar gewährt. Mit der Entscheidung des IWF-Exekutivdirektoriums vom Mittwochabend ist der Weg zu weiteren Krediten frei. Insgesamt hat das Paket ein Volumen von mehr als 17 Milliarden Dollar. Für die Darlehen muss die Ukraine unter anderem den Gaspreis für heimische Abnehmer erhöhen. Das Land ist mehr als 20 Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion vor allem im Energiebereich von Russland abhängig. Russland hat gedroht, künftig nur noch gegen Vorkasse zu liefern.
Quelle: ntv.de, che/rts