Zuschussrente unter Beschuss Von der Leyen läuft vor die Wand
05.09.2012, 10:22 Uhr
Von der Leyen: "Die Zuschussrente kommt."
(Foto: dpa)
Viel fordern, um ein bisschen durchzusetzen: ein bewährtes Prinzip in der Politik. Arbeitsministerin von der Leyen weiß das - und beharrt auf ihrer Idee von der Zuschussrente. Hessens Ministerpräsident und Parteifreund Bouffier lehnt die Pläne ab. Und steht nicht alleine da.
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier lehnt die von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen vorgelegten Pläne zur Einführung einer Zuschussrente gegen Altersarmut ab. "Ich warne davor, jetzt neue Sozialleistungen zu beschließen, die in den kommenden Jahren zu einem immer größer werdenden finanziellen Kraftakt für den Staat aufwachsen und die künftigen Generationen belasten", sagte Bouffier der "Rheinischen Post". Das vorgelegte Modell wirft nach Ansicht des stellvertretenden CDU-Vorsitzenden "viele Fragen auf und benachteiligt die unterschiedlichsten Gruppen".
Volker Bouffier spricht aus, was viele Unions-Parteifreunde denken.
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"Wenn wir schon die Rente von Geringverdienern aufbessern wollen, dann ist das eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und sollte deshalb über das Steuersystem und eine noch bessere Förderung der privaten Altersvorsorge geschehen", sagte Bouffier. Allerdings müsse dies dann auch im Haushalt gegenfinanziert werden. Zugleich sprach sich der CDU-Politiker trotz des Widerstands einiger Bundesländer für eine Absenkung des Rentenbeitragssatzes Anfang 2013 aus.
CSU-Chef Horst Seehofer sagte der "Welt", man müsse das Problem der Altersarmut zwar langfristig im Auge behalten. Eine Lösung "zulasten der bestehenden Rentensysteme" halte er aber nicht für zielführend. Der Deutsche Gewerkschaftsbund appellierte an die Unionsfraktion im Bundestag, die Zuschussrente fallen zu lassen. Stattdessen soll im Kampf gegen die Altersarmut das Rentenniveau durch Verzicht auf die bevorstehende Beitragssenkung auf dem heutigen Stand stabilisiert werden.
Grüne für Garantierente
Nach Ansicht von Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sollte, wer mindestens 33 Jahre dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden hat, eine Garantierente erhalten. Dem "Hamburger Abendblatt" sagte Trittin, diese in Teilen über Steuern finanzierte Rente solle über der bisherigen Grundsicherung liegen, "wenn auch nicht erheblich". Auch Trittin kritisierte die Pläne von der Leyens, eine Zuschussrente für Geringverdiener einzuführen. Dieses Modell funktioniere nicht, weil es zu wenige Rentner erreiche.
Innerhalb der schwarz-gelben Koalition gibt es insgesamt heftigen Widerstand gegen von der Leyens Pläne, doch die Arbeitsministerin ficht das nicht an. "Ich gehe fest davon aus, dass die Zuschussrente kommt", sagte die CDU-Politikerin der "Bild"-Zeitung. Sie habe "einen guten Kompromiss vorgelegt".
Fast alle hoch industrialisierten Länder hätten einen Rentenausgleich für Geringverdiener. Dass dies in Deutschland nicht so sei, müsse sich ändern, sagte von der Leyen. Von Kanzlerin Angela Merkel fühle sie sich dabei nicht alleingelassen. "Im Gegenteil", sagte sie, "als Rentenministerin muss ich für meine Themen streiten. Die Kanzlerin muss das Gesamtbild im Auge haben, da vertraue ich ihr."
Vorwurf der Trickserei
Verhindern müsse man, dass die Bezieher geringerer Einkommen das Gefühl hätten, es lohne sich nicht mehr zu arbeiten und fürs Alter vorzusorgen, weil sie am Ende ohnehin auf die staatliche Grundsicherung angewiesen seien. Dann verliere das Rentensystem an Vertrauen, mahnte die Ministerin.
Derweil werfen mehrere Rentenexperten von der Leyen Zahlentricksereien bei ihrer Modellrechnung für die Zuschussrente vor. "Die Zahlen des Ministeriums sind ärgerlich, weil mit ihnen wegen des untauglichen Versuchs, die Zuschussrente zu begründen, die Rentenversicherung schlecht geredet wird", sagte der Vorsitzende des einflussreichen Sozialbeirats, Franz Ruland der "Süddeutschen Zeitung". Der Sozialbeirat besteht seit 1958 und berät die Bundesregierung und die gesetzgebenden Körperschaften.
Es gelinge dem Ministerium nicht, mit seinen Berechnungen die Notwendigkeit einer Zuschuss-Rente zu begründen, beklagte Ruland. Diese gingen von Personen aus, die 35 Jahre lang in die Rentenversicherung eingezahlt hätten. Jedoch werde die Altersgrenze für die Rente derzeit auf 67 angehoben. "Versicherte können also auf wesentlich mehr Zeiten kommen, die ihre Rente steigern; bei den meisten ist das heute schon der Fall."
Bis auf 850 Euro
Nach Rulands Aussagen wird in den Berechnungen des Ministeriums zudem außer Acht gelassen, dass zwar das Rentenniveau gesenkt werde, diese Einbußen aber durch die steuerlich geförderte betriebliche und private Vorsorge ausgeglichen werden solle. Im Übrigen habe das Ministerium immer wieder zu Recht darauf hingewiesen, dass aus niedrigen Renten wegen anderer Einkommen kein Rückschluss auf Altersarmut gezogen werden könne.
Auch Martin Reißig, Präsident des Bundesverbands der Rentenberater, warf von der Leyen in dem Blatt vor, sie lasse zukünftige Rentenzahlungen auf einen fiktiven Wert herunterrechnen, der mit der Realität nicht übereinstimme. Dies sei Trickserei.
Die Ministerin hatte gewarnt, ohne zusätzliche private Vorsorge drohe allen Arbeitnehmern mit weniger als 2500 Euro brutto im Monat im Jahr 2030 eine Rente auf dem Niveau der Grundsicherung von 688 Euro. Mit der Zuschussrente will sie Minirenten auf bis zu 850 Euro aufstocken. Die FDP lehnt das Vorhaben ab, weil von der Leyen dafür die Beitragszahler belasten will. Bundeskanzlerin Merkel vermied bislang eine Festlegung bei dem Thema.
Quelle: ntv.de, jmü/dpa/rts