Ein Blick in Deutschlands Restaurantküchen Von mumifizierten Ratten und Ekelspuren
12.12.2013, 17:02 Uhr
Foodwatch fordert Union und SPD zu Reformen beim Verbraucherschutz auf. In dem Bericht gibt die Organisation Einblicke in den widerwärtigen Alltag in Restaurants und Lebensmittelbetrieben - und die Ahnungslosigkeit der Konsumenten.
Ein Lebensmittelkontrolleur schreibt: "In einer Verdachtsprobe 'Grünschalenmuscheln' befanden sich auf der Oberfläche Insekteneier." Bei einem anderen Kontrolleur heißt es: "Unter den Arbeitstischen am Wandbereich liegen Vogelfedern. Im Inneren der Eismaschine befinden sich sehr viele lebende und tote Fliegen." Es fallen Begriffe wie "sichtbare Austrocknung" oder "schleimiger Film". Noch schlimmer als die Worte der Lebensmittelkontrolleure sind ihre Bilder: Krapfen, die in pechschwarzem Fritteusenfett schwimmen, plattgetretene Ratten, die in verdreckten Küchenwinkeln mumifizieren.
Der Report "Von Maden und Mäusen" der Nichtregierungsorganisation Foodwatch ist ein Sammelsurium der Widerwärtigkeiten - und ein Warnruf zugleich. Denn in der Regel erfahren Verbraucher nichts von den Skandalen.
"Die Politik schützt die Schmuddelbetriebe besser als die Verbraucher", sagt Matthias Wolfschmidt von Foodwatch bei der Vorstellung des Berichts. Die Nichtregierungsorganisation fordert, dass die Politik endlich dafür sorgt, dass es eine effektive Veröffentlichungspflicht der Skandale in Restaurants und bei Lebensmittelbetrieben gibt.
Mängel in jedem vierten Betrieb
Lebensmittelkontrolleure stoßen in jedem vierten Betrieb auf Mängel. Mit jeder fünften Fleischprobe stimmt etwas nicht. Nach Ehec-, Gammelfleisch- und Dioxinskandalen reformierte die Bundesregierung 2012 das Verbraucherinformationsgesetz. Foodwatch zufolge allerdings ohne Erfolg. "Die Bürger wurden mit Schein- und Symbolpolitik ruhig gestellt", heißt es.
Die geltenden Gesetze geben Verbrauchern das Recht, Informationen über Lebensmittelskandale einzuholen. Eine Stichprobe von Foodwatch in Betrieben in Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen kommt aber zu dem Ergebnis, dass dies bei 54 Anfragen nur in sieben komplett und kostenlos gelang. Einige der Anfragen blieben Monate lang unbeantwortet. Im Schnitt forderten die Behörden Aufwandsentschädigungen in Höhe von 1800 Euro. Und dabei waren die Anfragen oft die einzige Möglichkeit, um überhaupt an Informationen zu kommen. Die zuständigen Behörden stellten die eigentlich gesetzlich geforderte unaufgeforderte Auskunft in besonderen Fällen in einigen Bundesländern vollständig ein, denn die Betriebe konnten sich in Klagen gegen die Veröffentlichung immer wieder durchsetzen. Das Gesetz ist offenbar noch zu schwammig.
Die Organisation fordert nun eine erneute Reform des Verbraucherinformationsgesetzes und des Futtermittel- und Lebensmittelrechts. Sie setzt auf die sogenannte Smiley-Lösung. Aufkleber mit einem lachenden, neutralen oder traurigen Gesicht an den Türen von Restaurants und Lebensmittelbetrieben sollen auf einen Blick deutlich machen, ob das Angebot in Ordnung ist.
Wenig Hoffnung auf lachende Gesichter
In Dänemark wirkte diese Maßnahme Wunder. Nach der Einführung der Smileys 2001 stieg der Anteil von Betrieben mit lachendem Gesicht um 20 Prozent. Auch in Städten wie New York und Toronto sorgte das Smiley-System für Verbesserungen. Wolfschmidt von Foodwatch sagt deshalb: "Verbraucher müssen endlich erfahren, wer die Gammelfleisch-Händler, Pferdefleisch-Panscher oder Schmuddel-Wirte sind – ansonsten fehlt den Betrieben der Anreiz, sich an die Gesetze zu halten und der nächste Lebensmittelskandal ist nur eine Frage der Zeit."
Im Koalitionsvertrag widmen Union und SPD dem Verbraucherschutz vier Seiten. Dort stehen Sätze wie: "Verbraucherpolitik hat das Ziel, das Vertrauen zwischen Wirtschaft und Verbrauchern zu stärken." Es fallen Schlagworte wie "Transparenz" und "effektive Rechtsdurchsetzung". Die Parteien versprechen zwar Verbesserungen beim Verbraucherinformations- sowie Futtermittel- und Lebensmittelgesetz, doch verspricht das der Bund schon seit 2010. Bisher konnten sich Berlin und die Länder nicht einigen. Vom Bundesverbraucherschutzministerium hieß es auf Anfrage von n-tv.de nun etwas sperrig: "Wo es im Detail Verbesserungsbedarf gibt, arbeiten Bund und Länder in einem laufenden Prozess an einer Optimierung." Doch es ist ein Abwägungsprozess zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Betriebe und denen der Verbraucher. Wie lange dieser Prozess dauert, ist ungewiss. Sicher ist: Auf eine einfache Smiley-Lösung muss Foodwatch wohl noch lange warten. Im Koalitionsvertrag steht dazu nichts.
Quelle: ntv.de