Politik

"Jeder muss anpacken" Vor dem Obama-Spektakel

Die Welt im Bann von Barack Obama: Vor der Kulisse von Millionen Menschen wird an diesem Dienstag in Washington der erste schwarze Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten vereidigt. Die feierliche Amtseinführung auf den Stufen des Kapitols, das einst von Sklaven erbaut wurde, markiert den historischen Wandel in den Beziehungen zwischen den Rassen. Zum wohl größten Spektakel in der Geschichte der US-Hauptstadt sind so viele Sicherheitskräfte wie noch nie im Einsatz. Die Behörden erwarten bis zu zwei Millionen Menschen.

Mit der Zeremonie geht zugleich die Ära von Präsident George W. Bush nach acht Jahren zu Ende. Er hinterlässt ein schwieriges Erbe: Die USA sind gezeichnet von der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten, Zehntausende amerikanische Soldaten kämpfen im Irak und in Afghanistan.

Am Montag besuchte Obama verwundete US-Soldaten in einem Krankenhaus sowie ein Heim für obdachlose Jugendliche in Washington, wo er selbst symbolisch bei Renovierungsarbeiten Hand anlegte. "Jeder muss mit anpacken", erklärte er. Bei einer Stippvisite in einer Schule mahnte Obama, stärker als bisher Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen. "Wenn wir nur darauf warten, dass es jemand anderes tut, passiert nichts", sagte der künftige Präsident.

Erinnerung an Martin Luther King

Zugleich erinnerte Obama anlässlich des Martin-Luther-King-Tags an das Vermächtnis des 1968 ermordeten Bürgerrechtlers. "Martin Luther Kings Leben war dem Dienst für andere gewidmet. Wenn wir heute sein Vermächtnis ehren wollen, (...) ist das ein Tag zum Handeln", meinte Obama. Mit Blick auf die berühmte Rede Martin Luther Kings 1963 "I have a dream" (Ich habe einen Traum) meinte Obama: "Morgen kommen wir als ein Volk vor dem Kapitol zusammen, wo noch heute der Nachklang der Rede Kings zu hören ist."

Nach seiner Vereidigung dürfte Obama in seiner Antrittsrede ein Zeichen für den Neuanfang setzen. Allerdings hatte sich der 47-Jährige bereits im Vorfeld bemüht, allzu hohe Erwartungen zu dämpfen. "Wir werden länger als einen Monat oder ein Jahr brauchen, wahrscheinlich sind viele nötig", sagte er bei einem Open-Air-Konzert am Sonntag (Ortszeit) vor dem Lincoln Memorial in Washington, bei dem Künstler wie Bruce Springsteen und Stevie Wonder auftraten. "Unsere Nation ist im Krieg, unsere Wirtschaft befindet sich in der Krise, Millionen Amerikaner verlieren ihren Job und ihr Haus. Und vor allem schauen sie verängstigt und unsicher in die Zukunft."

Zugleich sprach Obama seinen Landsleuten aber auch Mut zu. Kriege und Krisen seien immer auch eine Zeit der Bewährung: "Wir dürfen nie vergessen, dass sich der wahre Charakter unserer Nation nicht offenbart, wenn die Dinge leicht sind, sondern durch unser richtiges Handeln, wenn die Zeiten hart sind."

Selbst geschriebene Rede

In seiner mit Spannung erwarteten Antrittsrede vor dem Kapitol will Obama vor allem das Thema Verantwortungsbewusstsein in Politik und Wirtschaft betonen. "Wir brauchen mehr Rechenschaft und mehr Verantwortung in der Art und Weise, wie die Regierung handelt", fasste der künftige Pressesprecher im Weißen Haus, Robert Gibbs, das Thema Obamas zusammen. Er betonte, Obama habe seine Rede selbst geschrieben.

Wie US-Medien berichteten, dürften die Feiern zur Amtseinführung zum "größten Fest in der Geschichte Washingtons" werden. Allerdings schraubten die Behörden anfängliche Erwartungen von bis zu fünf Millionen Gästen herunter. Zuletzt lagen die Schätzungen zwischen ein und zwei Millionen Menschen, die die Vereidigung und die anschließende Parade auf der Prachtstraße Pennsylvania Avenue zwischen Kapitol und Weißem Haus miterleben wollten.

Medienberichten zufolge sind über 40.000 Sicherheitskräfte im Einsatz, darunter 7500 Soldaten, 10.000 Mitglieder der Nationalgarde und 25.000 Polizisten. Die Sicherheitskräfte seien auf Einzeltäter wie auf Terrororganisationen eingerichtet, sagte ein Behördensprecher. Die Menschen, die sich den Ereignissen nähern wollen, müssen Kontrollen wie auf einem Flughafen über sich ergehen lassen. Selbst Regenschirme dürfen nicht mitgenommen werden.

Gates ist "designierter Nachfolger" im Katastrophenfall

Wenn Obama seinen Amtseid als US-Präsident ablegt, wird ein künftiges Regierungsmitglied allerdings nicht dabei sein: Der alte und neue Verteidigungsminister Robert Gates wird der großen Feier als "designierter Nachfolger" im Katastrophenfall fernbleiben, wie das Weiße Haus mitteilte. Gates wurde demnach mit der Zustimmung der künftigen Regierung dazu ausgewählt, die Kontinuität der Regierung zu gewährleisten, sollte Obama beispielsweise bei einem Terroranschlag etwas zustoßen.

Ein Pentagonsprecher sagte, Gates werde den Tag in einer militärischen Einrichtung außerhalb Washingtons und seiner Region verbringen. Der bereits vom Republikaner George W. Bush an die Spitze des Pentagons geholte Gates soll seinen Posten auch unter Obamas demokratischer Präsidentschaft behalten.

Verkehrschaos erwartet

Kopfzerbrechen bereitet indes der Verkehr. Die Brücken über dem Potomac-Fluss wurden für Dienstag gesperrt, die Sicherheitszone in der Innenstadt rund um das Weiße Haus ist größer als bei jeder anderen Vereidigungsfeier zuvor. U-Bahnen und Busse sind bereits von vier Uhr morgens an im Sondereinsatz. Dennoch warnten die Verkehrsbehörden, es könnte Stunden dauern, um zum Ort der Feierlichkeiten zu gelangen. Die Temperaturen dürften um die Null Grad liegen.

Für den Dienstag ist der Ablauf minutiös festgelegt. Nach einem Kirchgang und einer kurzen Zusammenkunft mit dem scheidenden Präsidenten im Weißen Haus beginnt die offizielle Vereidigungszeremonie um 17.30 MEZ. Als erster wird Vize-Präsident Joe Biden die kurze Eidesformel sprechen. Obama wird bei der Zeremonie seine linke Hand auf eine Bibel des früheren Präsidenten Abraham Lincoln legen, der 1863 die Abschaffung der Sklaverei verkündet hatte. Um 20.00 Uhr MEZ beginnt dann die große Parade vom Kapitol zum Weißen Haus. Am Abend stehen zahlreiche Bälle an, auf denen Obama und seine Frau Michelle zum Ehrentanz erwartet werden.

Quelle: ntv.de

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